GTE-Klasse 24h-Rennen Le Mans 2012
Chancenanalyse nach dem Qualifying

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Um die Kräfteverhältnisse in der GTE-Kategorie beim 24-Rennen in Le Mans 2012 zu entschlüsseln, benötigt man keine höheren Kenntnisse in Mathematik, zumal das Zeittraining ein Abziehbild des bisherigen Saisonverlaufes war.

24h-Rennen LeMans
Foto: xpb

Die beiden Platzhirsche - Ferrari und Corvette - haben ihr Revier auch auf der ultralangen Piste in Le Mans überzeugend verteidigt und waren mit vier Wagen auf den ersten fünf Plätzen vertreten. Wie schon beim letzten Rennen in der American Le Mans Serie in Laguna Seca konnte der stark überarbeitete Aston Martin Vantage GTE ein Ausrufezeichen beim Speed setzen und brach mit Platz zwei die erwartetet Dominanz von Ferrari und Corvette ein. Dazu lagen diese drei Marken innerhalb von nur 0,517 Sekunden. Und Porsche dackelte weiterhin mit gehörigem Respektabstand hinterher.

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Vier Marken mit neuer Optik am Start

Die GTE-Wagen von Porsche, Corvette und Aston Martin erfuhren allesamt zu Saisonbeginn eine deutliche Verbreiterung der Karosserie, vor allem im Bereich der Vorderachse, weil sich diese Möglichkeit durch das Reglement ergab. Damit stieg insgesamt der Abtrieb an, aber auch der Luftwiderstand, was auf den langen Geraden in Le Mans ein Nachteil ist. Doch das Reglement gestattet den GTE-Teams für das 24h-Rennen in Le Mans die Zulassung eines speziellen Low Drag Kits mit wenig Abtrieb. In aller Regel werden dabei di Schächte des Frontdiffusors verschlossen, was den Abtrieb verringert, aber den Luftwiderstand verbessert. Damit die Autos beim Abtrieb nicht aus der Balance geraten, wird der Heckflügel flacher gestellt, einige Hersteller wie Aston Martin dürfen auch ohne den sonst üblichen Gurney am Heckflügel fahren.

Ferrari und Corvette erreichen 290 km/h

Diese technischen Voraussetzungen hatten im Zeittraining zum 24h-Rennen in Le Mans je nach Hersteller sehr unterschiedliche Wirkungen. Bei Corvette hat man nach einhelliger Aussage aller Fahrer eine sehr gute Balance gefunden: „Das Auto hat mehr Abtrieb als letztes Jahr und ist daher einfacher zu fahren“, so Werkspilot Jan Magnussen. Trotzdem waren die Topspeeds mit gut 290 km/h auf hohem Niveau, gleichzeitig setzten die V8-Wummen Bestwerte im Bereich der schnellen Porsche-Kurven - wo der Abtrieb Ausschlaggebend ist. Das gleiche Bild bei Ferrari, die mit drei topbesetzten Wagen der Teams Luxury Racing und AF Corse in die Le-Mans-Schlacht ziehen: Sehr hohe Topspeeds im Bereich von deutlich über 290 km/h, immer noch sehr gute Werte in den kurvenreichen Sektionen.

Aston Martin und Porsche sind langsamer

Etwas anders die Lage bei Aston Martin: Das Entfernen des Gurney auf dem Heckflügel führte zu einem leicht instabilen Fahrzustand in den schnellen Kurven, ein Problem, das bisher noch nicht kuriert werden konnte. „Ich würde mir mehr Stabilität wünschen, gerade für ein so langes Rennen über 24 Stunden“, so Stefan Mücke, „aber wir sind Profis und sollten damit klarkommen.“ Bei den Topspeeds büßt Aston Martin wegen der großen Stirnfläche bis zu sechs km/h auf Ferrari und Corvette ein. Dasselbe Problem hat Porsche: Der überarbeitete Elfer ist 5 bis 6 km/h langsamer auf den Geraden als im Vorjahr, weil der Luftwiderstand deutlich anstieg. „Dafür haben wir jetzt mehr Abtrieb und sind in den flüssigen Kurven schneller“, so Porsche-Werkspilot Marc Lieb. In der Summe verloren die beiden topbesetzten Elfer aus der GTE-Pro-Klasse der Teams Felbermayr-Proton und Flying Lizards auf den Plätzen sechs und sieben jedoch 2,2 und 3,3 Sekunden auf die Pole-Zeit von Ferrari ein.

Porsche setzt auf Taktik und Zuverlässigkeit

Die Trainingszeiten korrelieren nicht notwendigerweise mit der Renn-Speed oder gar dem Rennergebnis in Le Mans. „Erst mal musst du 24 Stunden fahren, da kann viel passieren“, hofft Porsche-Werkspilot Wolf Henzler. Porsche muss auf Zuverlässigkeit und Strategie setzen, dazu hoffen die Porsche-Teams, Doppelstints auf einem Satz Reifen fahren zu können. Ferrari hat bisher noch nicht unter Beweis gestellt, dass der neue 458 Italia GTE auch über die Marathondistanz von 24 Stunden Steherqualitäten besitzt. Zudem machen die Fahrer immer wieder Fehler: Am Mittwoch pfefferte Giancarlo Fisichella den AF-Corse-Ferrari in die Wand - Chassis krumm, aufwendiger Neuaufbau notwendig. Vom rohen Speed her sind die Italiener die Benchmark, Corvette ist aber fraglos in absoluter Schlagdistanz. Das wird das Duell an der Spitze. Ob der Aston Martin über 24 Stunden hält, ist die eine große Frage. Die andere lautet: Kann Porsche von Unfällen oder technischen Gebrechen bei den Gegnern profitieren?

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