Interview Josef Newgarden
„Traurig, dass sich Europäer vor Ovalen fürchten“

Bei seinem zwölften Anlauf konnte der US-Amerikaner Josef Newgarden erstmals das legendäre 500-Meilen-Rennen von Indianapolis gewinnen. Wir haben mit dem Penske-Piloten über das lange Warten, seine unglückliche Zeit in Europa und das kommende Hybrid-System gesprochen.

Indy 500 2023 - Josef Newgarden - Team Penske
Foto: IndyCar

Vor rund 15 Jahren zogen Sie für Ihren Formel-1-Traum nach Europa. Nach einer turbulenten Saison in der GP3-Meisterschaft mussten Sie ihn schließlich aufgeben. Spätestens jetzt hat sich die schmerzhafte Entscheidung ausgezahlt, oder?

Newgarden: Europa war wirklich schwierig zu dieser Zeit, und es wurde zuletzt noch komplizierter. Die Szene ist sehr politisch und verlangt viel Geld sowie Unterstützung. In den Vereinigten Staaten gibt es noch echte Möglichkeiten für Talente, die nicht unbedingt die Ressourcen und Connections haben müssen. Ich hatte nur sehr wenig Zeit, um mich in Europa zu etablieren. Mein erstes Jahr war hauptsächlich in Großbritannien. Dann konnte ich mit der GP3 mehr von Europa kennenlernen. Das Jahr dort lief aber mies, und wenn einem so etwas widerfährt, ist man raus. Ein Team aus der wichtigsten IndyCar-Nachwuchsserie gab mir daraufhin eine Chance und ebnete mir somit den Weg in den Profi-Sport.

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Viele europäische Rennfahrer lieben den Sport in der IndyCar, aber fürchten sich vor den Oval-Rennen. Die, die sie ausprobiert haben, sind danach aber plötzlich Fans. Woher kommt der Sinneswandel?

Newgarden: Es macht mich traurig, dass sie sich fürchten. Denn es ist eine herausragende Form des Rennsports. Die Diversität an Kursen durch Rund- und Stadtstrecken sowie unterschiedliche Ovale ist doch genau das, was die IndyCar ausmacht. Jeder, der aus der Formel 1 zu uns kommt und es ordentlich ausprobiert, liebt es. Es braucht ein eigenes Handwerk und einen Stil. Damit fühlt man sich als Fahrer kompletter.

GP3 2010 - Josef Newgarden - Carlin
Motorsport Images
Josef Newgarden trat für Carlin in der ersten GP3-Saison im Jahr 2010 an. Technische Probleme und politische Querelen ließen seinen Formel-1-Traum platzen.

Ihre amerikanische Staatsbürgerschaft machte Sie natürlich auch nicht automatisch zum Oval-Spezialisten. Wie haben Sie diese Disziplin erlernt?

Newgarden: Entweder hat man einen dafür passenden Stil oder man muss ihn sich erarbeiten. Die guten Fahrer kriegen das schnell hin, einige können es sogar von Anfang an. Die haben den meisten Spaß. Ich habe hingegen ein paar Jahre gebraucht, obwohl ich mich direkt gut gefühlt habe. Echter Speed und Erfolg kommen mit der Zeit. Wenn man das passende Rezept gefunden hat, stellt sich der Spaß ein.

In keiner anderen Serie überstrahlt ein Rennen derart die Rest-Saison. Sie sind zwar zweimaliger Meister, aber wurden immer auf den fehlenden Sieg angesprochen. Sind Sie froh, dass das vorbei ist?

Newgarden: Der Sieg und das Rennen selbst sind unbeschreiblich. Es war ein ehrfürchtiger Moment, neben meinem Boss Roger Penske zu sitzen, der nun 19 Erfolge hier hat. Trotzdem verweigere ich mich dem Gedanken, dass man ohne einen Indy-500-Triumph versagt hat – auch wenn manche diese Perspektive auf die IndyCar haben. Ich habe das zweifelsohne wahrgenommen, aber wusste nicht, ob mir ein Sieg hier jemals vergönnt sein wird. Mir war nur klar, dass ich bei der passenden Chance alles dafür geben werde. Für mich zählte nur der ultimative Erfolg.

Ihr finaler Herausforderer im Rennen, Marcus Ericsson, kritisierte die letzte rote Flagge. Er fand, dass es ohne echte Aufwärmrunden zu gefährlich und damit unfair war, in den Rennbetrieb zurückzukehren. Spricht da nur der Frust?

Newgarden: Ich bin natürlich über die Entscheidung glücklich, da wir so ein gutes Finish bekommen haben. Aus Marcus' Perspektive hätte ich auch gesagt: Lasst es einfach hinter dem Pace Car enden! Ich bin dankbar, dass es anders lief. Wie es zustande kam, ist mir auch egal. Ich war oft genug auf der anderen Seite und werde mich sicher nicht beschweren.

Indy 500 2023 - Josef Newgarden - Team Penske - Marcus Ericsson - Chip Ganassi Racing
IndyCar
Duell der "Drachen": Josef Newgarden (Team Penske) vs. Marcus Ericsson (Chip Ganassi Racing)

Mit dem sogenannten "Dragon Move", ein Zacken zum Brechen des Windschattens, nutzten Sie eine Methode, die auch Ericsson 2022 zum Sieger machte. Die Fans äußern sich zunehmend kritisch darüber.

Newgarden: Das Manöver ist durch die stetige Erhöhung der Downforce seit 2019 zu einem notwendigen Übel geworden. Die Alternative wäre, dass man die anderen ohne Gegenwehr vorbeilässt. Das will natürlich keiner, weswegen ich es meinen Kollegen auch nie vorhalten würde. Wir brauchen eine neue Formel, bei der keine Lücken aufreißen, aber gute Fahrer mit weniger Downforce einen Unterschied machen können.

Wie stehen Sie zum 2024 debütierenden Hybrid-System?

Newgarden: Hybrid kann durchaus den Fahrer mehr in den Vordergrund rücken und als neues Werkzeug uns noch wichtiger für den Erfolg des Teams machen. Aus der mechanischen und aerodynamischen Sicht brauchen wir trotzdem eine bessere Balance. Im besten Fall bleibt das Feld so eng zusammen wie aktuell, aber die Fahrer machen einen größeren Unterschied. Das Hybrid-System ist im Gesamtkontext ein Bestandteil, aber reicht nicht aus.

Bleibt das wachsende Gewicht das Hauptproblem der Serie?

Newgarden: Ich sehe das kritisch. Das Auto darf eigentlich nicht noch schwerer werden, ganz im Gegenteil! Ich glaube, wir können im aktuellen Format 45 kg abnehmen. Man muss der Serie aber lassen, dass sie die kommende Erhöhung im Rahmen hält.