Manthey-Porsche im GT-Sport
Renn-Elfer mit mehr Hubraum

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Porsche gibt im GT-Sport beim Hubraum traditionell den Schmalhans. Olaf Manthey will mit einem in Eigenregie aufgebauten 4,4-Liter-Boxermotor den Abstand zur GT-Konkurrenz endlich reduzieren.

VLN 2013, #145, Klasse SP8
Foto: S. Baldauf / R. Kah

Olaf Manthey macht nichts ohne Hintersinn. Und das wissen auch die Gegner. „Da hat der Olaf aber großzügig eingeschenkt“, unkte ein Audi-Vertreter anlässlich des Sechs-Stunden-Rennens der Langstreckenmeisterschaft. Manthey hatte seinen RSR nach GTE-Reglement nicht wie gewohnt in der SP7-Klasse bis vier Liter Hubraum gemeldet, sondern in der SP8-Klasse. Stolze 4,4 Liter Hubraum – so lautet das neue Manthey-Stichmaß für die VLN. Mit Spannung verfolgen nun die GT-Hersteller, ob Manthey da vielleicht den Vorreiter für das Porsche-Werk spielt.

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Historisch betrachtet gibt es durchaus Parallelen: Manthey probiert gerne mal was Neues aus, auch wenn es seinem Langzeitpartner Porsche nicht in den Kram passt. Als der Renneinsatz von Porsche-Turbotriebwerken auf dem Index stand, baute Manthey einen Turbo für die VLN. Als Porsche das Hubraumlimit beim 3,8-Liter-Sauger für sakrosankt erklärte, sattelte Olaf Manthey erst auf 3,9, dann auf 4,0 Liter auf. Heute haben alle Porsche-911-Rennwagen ganz selbstverständlich einen Hubraum von vier Litern ...

Manthey ist schon wieder zwei Schritte weiter: Beim Straßen-Tuning gibt es von Manthey bereits Varianten mit 4,1 und 4,2 Liter Hubraum, und seit einem halben Jahr fährt Manthey-Rennsportkunde Georg Weiss gar einen 4,4-Liter-Motor in seinem straßenzugelassenen 997-GT3 spazieren. Jetzt feierte das neue Motorkonzept in der VLN sein Rennsportdedüt – mit Erfolg: Obwohl das neue Renntriebwerk zuvor nur zwei Stunden auf dem Prüfstand absolviert hatte, überstand es die Renndistanz von sechs Stunden klaglos und mit respektablen Rundenzeiten.

Einsatz des 4,4 Liter-Triebwerks schon am 24h-Rennen?

Der vierte Platz war mehr der Tatsache geschuldet, dass das Rennen wegen des wechselhaften Wetters über die Reifenwahl entschieden wurde, außerdem vereitelte eine Stop&Go-Strafe eine bessere Platzierung. „Wir haben noch etwas Arbeit vor uns“, so Manthey nach dem Renndebüt. „Bis 8.000 Umdrehungen entsprechen Leistung und Drehmoment unseren Erwartungen, aber im Bereich von 9.000 Touren müssen wir defintiv nachlegen.“

Die Konkurrenz zerbricht sich derweil die Köpfe, ob Manthey vielleicht auch kommendes Jahr auf 4,4 Liter setzen könnte – um so eventuell auch beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring aus dem etablierten GT3-Schema auszubrechen und den Gegnern eine lange Nase zu drehen.

Denn der bisher verwendete Vier-Liter-Boxermotor ist sowohl in der GTE- als auch in der GT3-Klasse das hubraumschwächste Triebwerk im Wettbewerbsumfeld. Damit ist Porsche zwar beim Verbrauch eine Macht, doch der Faktor Verbrauch geht wegen der heute üblichen Normierungen von Boxenstoppzeiten oder Stintzeiten zunehmend unter.

Was aber bleibt, ist der Drehmomentnachteil des kleinen und sehr kompakten Boxermotors, was besonders bei der Beschleunigung sowie beim Überrunden im dichten Verkehr der Nordschleife als Handicap für Porsche gewertet werden muss. Da könnte also in Zukunft ein knapper halber Liter mehr Hubraum durchaus Linderung verschaffen ...

Der 4,4 Liter-Motor ist eine Technik-Gratwanderung

Es gibt also viele gute Gründe für die Hubraumaufstockung. Die Umsetzung war aufwändig und anspruchsvoll. „Die Hubraumerhöhungen bis 4,2 Liter lassen sich über eine größere Bohrung erzielen“, erklärt Manthey. Der Umbau auf 4,4 Liter erfordert aber einen kompletten Neuaufbau in allen Bereichen. Um den Hub zu erhöhen, kommt eine neue Kurbelwelle zum Einsatz, die wiederum die Verwendung einer neuen Ölpumpe verlangt, die kleiner baut, dafür aber ein größeres Fördervolumen hat.

Das neue Hubvolumen bedingte neue Pleuen und Kolben, die Wasserkästen für die Zylinderkühlung mussten für mehr Volumen aufgefräst werden, der Zylinderkopf wurde ebenfalls modifiziert, und die Getriebeübersetzung in den Gängen fünf und sechs wurde geändert. Erstaunlich: Während beim Vier-Liter bei 9.600 Touren Feierabend ist, schafft auch der neue 4,4-Liter-Motor 9.400 Umdrehungen.

Der erste Renneinsatz offenbarte klare Fortschritte bei der Beschleunigung. Die RSR-Piloten Jochen Krumbach, Nick Tandy und Jörg Bergmeister verloren kaum noch Boden beim Herausbeschleunigen aus den langsamen Ecken und konnten bis hinauf in den fünften Gang Anschluss zur Konkurrenz halten.

Jedoch war die Spitzenleistung noch ebenso ein Thema wie die Topspeeds, die auf der Döttinger Höhe im Bereich von 265 km/h verharrten – gut zehn Stundenkilometer hinter den Erwartungen. „Ein Grund dafür könnte sein, dass der Motor 8 Grad wärmer lief als das Vier-Liter-Triebwerk, aber das müssen wir noch im Detail überprüfen“, erklärte Olaf Manthey nach dem Rennen.

530 PS, 500 Nm im Manthey-Porsche

Die VLN schnallte dem 4,4 Liter großen Triebwerk zwei 31,0 Millimeter große Restriktoren vor den Ansaugtrakt, der beim RSR seine Luft über seitliche Einlässe wie beim Turbo-Straßenmodell zieht. „Das ist eine absolut faire Ausgangsbasis, aber jetzt müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen, bevor wir weiter über Einstufungen reden“, so Manthey. In dieser Konfiguration leistet der Boxermotor knapp 530 PS und erzielt auf dem Prüfstand ein Drehmoment von maximal 497 Nm, was einem Plus von gut 50 Newtonmeter gegenüber der Vier-Liter-Variante entspricht.

Das Hubraumplus könnte also auch in Zukunft im direkten Techtelmechtel mit den GT3-Gegnern auf der Nordschleife helfen, denn die klotzen teilweise mit Hubräumen von deutlich über fünf Litern. Ob der 4,4-Liter-Motor jemals den Ritterschlag durch das Porsche-Werk erhalten wird, ist momentan reine Spekulation. Aber eine Anekdote aus der jüngeren Vergangenheit mag bei der Einordnung helfen.

Als Olaf Manthey erstmals einen Vier-Liter-Motor beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring einsetzte, prophezeiten ihm die Porsche-Ingenieure ein frühes Fiasko. Doch der Motor hielt, Manthey siegte und setzte das Triebwerk ohne Revision weiter in der VLN ein – bis der Vier-Liter-Boxer „endlich“ nach 52 Stunden Laufzeit mit einem Ventilschaden kaputtging.

Dass der Wechsel von Manthey Racing von der SP7-Klasse in die SP8 übrigens auch seinem Kunden Georg Weiss hilft, der zusammen mit Michael Jacobs und Oliver Kainz derzeit auf Platz zwei in der VLN-Meisterschaft liegt, ist offensichtlich. Denn Georg Weiss tritt ebenfalls in der SP7-Klasse an – und Manthey will seinem treuen Kunden natürlich nicht durch weitere SP7-Einsätze Punkte klauen. Olaf Manthey macht eben nichts ohne Hintersinn.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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