Mark Webbers Angst beim Überrunden
"Das schlimmste sind die Highspeed-Ecken"

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Mark Webber fühlt sich in seinem zweiten Jahr bei Porsche viel wohler. Mit Erfahrung geht alles einfacher. Nur vor dem Überrunden hat der Australier Respekt. Der Crash letztes Jahr in Interlagos hat wehgetan.

Porsche 919 Hybrid - Startnummer #17 - 24h Rennen Le Mans - 1. Qualifying - Mittwoch 10.6.2015
Foto: xpb

Mark Webber ist das vierte Mal in Le Mans und das zweite Mal mit Porsche. 2014 war es ein Wiedersehen nach 15 Jahren Pause. Jetzt hat bereits die WEC-Routine eingesetzt. "Meine Erfahrung ist um 10 Prozent gestiegen." Das sagt einer, der 215 Grand Prix gefahren ist. Doch in den Sportwagen der Hybrid-Ära fühlte sich Webber lange als Neuling.

Schlimmer Unfall in Brasilien 2014

Obwohl er sich inzwischen an den Slalom zwischen LMP2-Autos und GT-Fahrzeugen gewöhnt hat, sind ihm die Überrundungsmanöver noch immer nicht ganz geheuer. Besonders, nachdem er beim Saisonfinale 2014 in Interlagos mit dem Porsche 919 nach einem Überrundungsmanöver heftig in die Mauer geflogen ist. Die Daten des Unfallschreibers sprechen für sich: 189 km/h Einschlaggeschwindigkeit, 98 g Verzögerung. "Wenn du im Helikopter aufwachst, ist das nicht lustig." Ein Vorschlag von Webber: "Wir sollten auch in der WEC den Kopf- und Nackenschutz wie in der Formel 1 der Außentemperatur anpassen. Bei uns ist er zu hart."

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Was war passiert? Webber hatte gerade einen Ferrari 458 Italia GTE aus der Amateuerklasse überholt, als er im Heck einen Schlag spürte. Und schon ging die Post ab. So etwas kann auch in Le Mans passieren. Nicht die Bremszonen sind kritisch und auch nicht die Kurven, die mit mittlerer Geschwindigkeit gefahren werden. "Das schlimmste sind die Highspeed-Ecken, die auch im GT voll gehen. Da haben die Fahrer aber alle Hände voll zu tun, vor allem die Amateure." Also so etwas wie die erste Indianapolis-Kurve.

Das Szenario ist immer das gleiche, sagt Webber: "Rockenfeller, Davidson, ich. Du bist an dem Auto fast vorbei, dann trifft er dich im Heck. Wahrscheinlich, weil die Überrundeten erst im letzten Augenblick merken, dass da einer ist. Ich bin in meinem Fall überzeugt, dass der andere Fahrer mich überhaupt nicht gesehen hat. Du kommst dort in Interlagos mit einem Affenzahn über eine unübersichtliche Kurve, und ich war aus seiner Sicht von jetzt auf gleich einfach da."

"Lichthupe ist nicht arrogant"

Hilft es zu wissen, wer da vor einem im Auto sitzt? "So ungefähr weißt du es. An den GT-Autos steht ja PRO und AM. Aber es kann durchaus vorkommen, dass auf einem der Profi-Autos ein Amateur sitzt. Das weißt du dann nicht." Information über Funk wäre laut Le Mans-Spezialist André Lotterer zuviel des Guten: "Du hast genug hinter dem Lenkrad zu managen."

Der dreifache Le Mans-Sieger hätte da noch einen Rat für den schnellen Slalom durch den Verkehr: "Entweder du ziehst es durch, oder du lässt es bleiben. Dazwischen gibt es nichts. Wenn du es durchziehst, musst du aber immer einen Plan B haben." Webber hat noch eine andere Taktik für sich entdeckt: "Ich blinke viel mehr und aggressiver auf. Im letzten Jahr habe ich das nicht gemacht, weil es mir zu arrogant erschien. Ich wollte nicht wie ein Protz mit der Lichthupe rumfahren, so nach dem Motto: Hey Jungs, jetzt komme ich, macht mal alle schnell Platz. Das war ein Fehler. Mein Teamkollege Timo Bernhard hat mir geraten, dass man da gar nicht brutal genug sein kann. Das ist nicht Arroganz, das ist mehr Sicherheit."

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