Drag-Racing: 36. NitrOlympX
Davon kriegen F1-Autos Albträume

Es ist Motorsport in seiner brutalsten, lautesten und adrenalinreichsten Form. Zum 36. Mal maß sich Europas Drag-Racing-Elite bei den NitrOlympX auf dem Hockenheimring. Die größten Stars waren die Top-Fuel-Dragster mit bis zu 11.000 PS und Topspeeds von 500 km/h – nach nur 300 Metern.

NitrOlympX 2023 - Hockenheimring
Foto: Knut Keller

Spätestens bei den Burnouts sind alle Ohren verdeckt. Wenn die hoch aufragenden Heckflügel der Top-Fuel-Dragster in den Startbereich am Fuße der Südtribüne bollern, wird es extrem. Als Duo leisten die pfeilförmigen Nitromethan-Renner so viel wie ein ganzes Formel-1-Feld kombiniert. Die kaum vorstellbare Power der 8.193,5-cm³-V8-Aggregate wird neben der donnernden Schallwelle durch die glühenden Abgas-Fontänen aus den faustgroßen Auspuffrohren spürbar.

Unsere Highlights

Während das Spektakel in den USA 21 Rennwochenenden pro Jahr füllt und Millionen-Quoten im Fernsehen einfährt, ist es in Europa eine absolute Kuriosität. An gerade mal drei Orten treten Top-Fuel-Dragster unter FIA-Banner gegeneinander an: auf dem Santa Pod Raceway (Großbritannien), in der Tierp Arena (Schweden) und auf dem Hockenheimring. Mit knapp 43.000 Fans am vergangenen Wochenende (25. bis 27. August) bleibt die kurpfälzische Kultstrecke der unangefochtene Saisonhöhepunkt.

NitrOlympX 2023 - Hockenheimring
Knut Keller

Passend zu den Ursprüngen wird die US-amerikanische (Renn-)Kultur zelebriert. Doch auch deutsche Fabrikate mischen das Feld auf.

American Spirit in Deutschland

Die geradlinige Rennsport-Disziplin brachten die Amerikaner nach dem Krieg in die Bundesrepublik. Mit der Zeit fanden sich dann immer mehr einheimische Kontrahenten, welche die Tradition auch nach dem Teilabzug bewahrten. Das deutsche Epizentrum lag in Hanau, wo lange ein Fliegerhorst die Wettbewerbe beheimatete. Die an die legendäre National Hot Rod Association (NHRA) angelehnte, von Amerikanern geschaffene Hanau Auto Racing Association (HARA) existiert bis heute und wird von Deutschen fortgeführt. Dragster-Star Gerd Habermann ist unter anderem ein Mitglied.

Aus der Keimzelle der HARA stammten auch die Schöpfer der NitrOlypmX. 1986 begrüßte der Hockenheimring zum ersten Mal die Speedsüchtigen auf seiner Start-Ziel-Gerade, wo die Dragster zunächst entgegen der Fahrtrichtung hinunterjagten. Im Jahr 1989 wechselten die Organisatoren rund um Legende Rico Anthes auf die bis heute penibel gepflegte Viertelmeile im Blickfeld der Südtribüne.

NitrOlympX 2023 - Hockenheimring
Knut Keller

Schon seit dem Jahr 1986 finden Beschleunigungsrennen in Hockenheim statt. Es ist das größte Event des Kontinents.

Corona bremst die Szene

Seitdem gehören die Geschwindigkeitsschlachten zum festen Jahresprogramm. Selbst amerikanische Profis traten bereits die Reise zur F1-Strecke an. Mit der Nightshow kam 1991 zudem ein Programmpunkt hinzu, der auch Nicht-Rennsport-Fans ins Motodrom lockt. Spektakuläre Jet-Dragster außerhalb der Konkurrenz, (Motor-)Akrobaten und Musiker sorgen bis heute für ausverkaufte Ränge. Viele Zuschauer und Aktive kommen extra aus entfernten Ecken Europas – neben den Briten gelten unter anderem die Skandinavier und die Balten als treue Gäste. Aber auch Griechenland schickt eine traditionelle Abordnung.

In den letzten Jahren kämpfte die Szene allerdings zusehend mit ordentlichen Herausforderungen. Erst machte der Brexit die Logistik zu einer Tortur, dann stoppte die Pandemie das eh schon vom Zeitgeist verschmähte Speed-Treiben für eine längere Zeit. Doch im vergangenen Jahr kehrte die bunte Mischung aus Vier- und Zwei-Rädern nach Hockenheim zurück. 2023 waren immerhin 223 Teams aus 16 Ländern am Start. Sie verteilten sich auf 21 Klassen, darunter neun Profi-Divisionen mit FIA- bzw. FIM-Europameisterschaftsprädikat.

NitrOlympX 2023 - Hockenheimring
Knut Keller

Auch wenn die Aktiven und die Gefährten professionell auftreten, handelt es sich um Amateur-Sport. Viele Fahrerinnen und Fahrer fiebern auf die wenigen Renntage pro Jahr hin.

It's a woman's world

In der Königsklasse Top Fuel kämpfte 2023 ein Frauen-Trio um die Pokale. Ein männlicher Kontrahent sagte vorher ab. Ganz oben in der Fangunst stand die Schweizerin Jndia Erbacher, deren Vater Urs eine Ikone des europäischen Drag-Racing-Kosmos ist. Ihre Rivalinnen beim Quasi-Heimspiel hießen Ida Zetterström (Finnland) und Susanne Callin (Schweden). Am Ende setzte sich die in Stockholm geborene Zetterström durch. Die ursprüngliche Motorrad-Racerin absolvierte die kürzere TF-Distanz (304,8 Meter) im Finale in 3,925 Sekunden. Herausforderin Erbacher brauchte minimal langsamere 3,936 Sekunden – typisch Drag-Racing.

In unserer großen Bildergalerie haben wir zahlreiche weitere Quartermile-Heldinnen und -Helden für Sie gesammelt. Darunter sind beispielsweise der schnellste Volkswagen Golf der Welt, ein feuerspuckender Polizei-Peugeot und tollkühne Motorrad-Piloten.

In der Galerie zeigen wir Ihnen einige Impressionen vom wilden Treiben in Hockenheim.