NLS-Teamporträt Jung Motorsport
Die letzten Opelaner

Sie transportieren ihre Autos auf dem Hänger zum Ring, kochen in der improvisierten Lkw-Küche und sind eines der letzten verbliebenen Opel-Teams in der Nürburgring Langstrecken-Serie: Tobias Jung und seine Mannschaft leben für das, was sie tun. Ein Enthusiasmus, der sogar Stellantis-Chef und Top-Manager Carlos Tavares ansteckt.

Porträt Jung Motorsport - Opel - NLS 2 - Nürburgring-Nordschleife - 01. April 2023
Foto: Stefan Baldauf

"Was gibt es denn heute zu essen?", fragt Tobias Jung seine Mutter Petra und versucht dabei einen Blick in den Topf zu erhaschen. Sie rührt fleißig und antwortet: "Gulaschsuppe". Wer eine gut gemachte Gulaschsuppe schätzt, weiß: Sie gehört zwar nicht zur Fünf-Sterne-Küche, ist aber mitunter leckerer, sättigender und würziger als jedes Chichi-Gericht. Und so ein paar Parallelen ergeben sich da auch zum Team von Jung Motorsport. Man betreibt keinen GT3-Sport oder ein Vermiet-Business mit zehn Autos, sondern ist eine kleine, feine Mannschaft, die in einer Meisterschaft wie der Nürburgring Langstrecken-Serie für Erfrischung sorgt.

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Warum? Weil man von der Norm abweicht. Die Bezeichnung Garagenteam mag Tobias Jung nicht so gerne, denn tatsächlich ist man mit vier eingesetzten Opel-Fahrzeugen definitiv über das Hobby-Level hinaus. Aber man gehört zur alten Garde, die mit dem selbst ausgebauten Lkw zu den Rennen reist, tatsächlich den von vielen verschmähten Hänger-Parkplatz nutzt und aus einer Kerntruppe von rund zehn Freiwilligen besteht, die hier für eine warme Suppe schuftet. So mancher im Fahrerlager hätte diese Spezies wohl schon für ausgestorben erklärt. Aber es gibt sie noch. Ein Glück.

Porträt Jung Motorsport - Opel - NLS 2 - Nürburgring-Nordschleife - 01. April 2023
Stefan Baldauf
Mama Petra kocht Gulaschsuppe.

Schon jahrelang Opel treu

Auch wenn sich im Team in den letzten 13 Jahren ein bisschen was verändert hat. "Früher bin ich mit meinem umgebauten ersten Straßenauto – natürlich ein Opel – am Samstag RCN gefahren und am Montag wieder zur Arbeit", erinnert sich Jung. Auch heute dreht der 34-Jährige noch selbst am Lenkrad im Opel Astra in der VT2-FWD-Klasse. Doch er kümmert sich nicht mehr in einer One-Man-Show um alles alleine. Schließlich gehören zum Team mittlerweile ein Opel Astra TCR und drei Opel Astra, die allesamt in der VT2-FWD unterwegs sind. Drei Autos stehen bei verschiedenen Car-Chiefs in den Nachbarortschaften, eines hat Jung selbst zu Hause in Bornheim nahe Bonn stehen.

Der Grund: ein Platzproblem. "Wir arbeiten daran, eine Garage zu bauen, sagt er. "Aber das ist in der Nähe von Bonn nicht ganz einfach. So stehen die Autos eben in verschiedenen Werkstätten bei den Verantwortlichen." Es mangelt nicht nur am Platz. Meistens auch ein bisschen an der Zeit. Denn der Teamchef hat einen ganz normalen 40-Stunden-Job als Chemikant. Geschraubt wird meist dann, wenn eben gerade keine Schichtarbeit ansteht. Sagen wir mal so: Das muss man wirklich wollen.

Den Lkw, in dem zwischen Training und Rennen alle auf der Bierbank schnacken und Kaffee aus den Tassen mit den gelben Henkeln trinken, hat Jung natürlich selbst ausgebaut. Dabei wäre fast ein Interior-Designer an ihm verloren gegangen. Denn mit den gelben Beschriftungs-Tapes auf den unzähligen Kisten im Regal und der gelben Küche ist definitiv ein Farbkonzept zu erkennen. Darauf angesprochen, muss Jung lachen. "Die Küche haben wir zufällig von der Mutter des Teammanagers bekommen, weil sie sich eine neue angeschafft hat", sagt er. "Es war natürlich passend, dass sie gelb ist."

Porträt Jung Motorsport - Opel - NLS 2 - Nürburgring-Nordschleife - 01. April 2023
Stefan Baldauf
Den Transporter hat Tobias Jung selbst ausgebaut.

Dabei schätzen seine Kunden, die sich auf einem seiner Autos einmieten, dass es eben noch um die Sache und nicht die Show geht. "Hier ist jeder freiwillig dabei, und das merkt man auch", sagt Michael Eichhorn, der mit Jung auf einem Astra antritt. "Was die beiden Jungs im Reifenzelt leisten, ist zum Beispiel auch so wahnsinnig wichtig. Hier steht jeder für jeden ein."

Prominente Kutscher

Diesen Enthusiasmus spüren auch prominente Namen, wie etwa der Chef des Automobilkonzerns Stellantis, und lassen sich davon anstecken. Carlos Tavares ist seit Jahren bei Jung auf einem Opel am Start. Auch Konzernkollege François Wales, Direktor bei Peugeot Sport, war schon gemeinsam mit ihm beim 24h-Rennen Nürburgring gemeldet. Statt Kaviar und Sonderbehandlung bevorzugen sie die familiäre Atmosphäre und Leidenschaft im Team.

Von Luft und Liebe lässt sich bekanntlich aber nicht überleben. Es ist kein Geheimnis, dass vor allem kleinere Teams in der Nürburgring Langstrecken-Serie das Budget auf den Cent genau durchkalkulieren müssen. "Als reines Hobbyteam, das alles aus eigener Tasche zahlt, wäre es schon sehr teuer", sagt er. "Wenn man es aber bedacht aufzieht, kann man das definitiv stemmen", sagt Jung.

Und was kostet eine Saison? Jung muss ein paar Augenblicke überlegen. "Insgesamt bewegen wir uns mit allem schon im sechsstelligen Bereich", schätzt er. Den Einsatz eines einzelnen Autos in der VT2-Klasse kalkuliert er mit rund 50 00 Euro, wenn man ohne größere Ambitionen antritt.

Porträt Jung Motorsport - Opel - NLS 2 - Nürburgring-Nordschleife - 01. April 2023
Stefan Baldauf
Derzeit setzt Jung vier Opel Astra in der NLS ein.

Bisher war der Einsatz der Opel-Fahrzeuge ein Markenzeichen des Teams. Doch auch mit Engagement und Nostalgie lässt sich die Zeit nicht anhalten. Gerne hätten Jung und seine Mannschaft mit den Rüsselsheimern weitergemacht. Weil es aber immer schwieriger in Sachen Autos und Teileversorgung wird, hat man sich für die Zukunft überlegt, auf eine andere Marke zu setzen. Damit weht ein bisschen weniger Opel-Geist durchs Fahrerlager. Denn bis auf den Kult-Klassiker Manta und sporadische Auftritte anderer Teams ist die Marke in der NLS verschwunden.

Was aber hoffentlich in naher Zukunft nicht verschwinden wird, sind Menschen wie Tobias Jung und seine Jungs und Mädels. Denn die brennen für das, was sie tun, und machen die Serie so zu etwas Besonderem.