Zukunft des Motorsports auf der Nordschleife
Ist die NLS-Zukunft nun sicher?

Am Donnerstag (7.9.) verkündete das Landgericht Mainz das Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren: Die NLS bekommt 2024 acht Termine. Die Gegenseite geht in Berufung. Wie geht es nun weiter?

NLS 6 & 7 - Nürburgring-Nordschleife - 10. September 2023
Foto: Stefan Baldauf

Es gibt erste Klarheit im komplizierten Streit um die Zukunft des Langstreckensports auf der Nordschleife. Die wurde durch das Gerichtsurteil des Landgerichts Mainz (7.9.) geschaffen. Das besagt: Die Nürburgring 1927 GmbH muss mindestens sieben Renntermine mit zwei Nutzungstagen (Freitag und Samstag) sowie einen Renntermin mit drei Nutzungstagen (Freitag bis Sonntag) zur Verfügung stellen. Diese müssen gleichmäßig auf die Monate April bis Oktober verteilt sein – mit mindestens einem und maximal zwei Rennterminen pro Monat zu einem angemessenen Entgelt. Doch ist damit nun Ruhe im Streit eingekehrt? Wir klären die offenen Fragen.

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Wie lautet die Begründung für das Urteil?

In der Presseinformation der VLN heißt es zur Erklärung des Urteils: "Die Nürburgring 1927 GmbH hat durch die Verweigerung des Zugangs ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die für die Langstrecke zentrale Nordschleife des Nürburgrings stellt ein natürliches Monopol dar."

Sowohl das Kartellrecht als auch das Nürburgring-Gesetz fanden Anwendung. Das Urteil umfasste fast 40 Seiten. Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Frey, der die VLN Sport in dem einstweiligen Verfügungsverfahren unterstützte, sagte: "Das Urteil des Landgerichts Mainz ist ein Meilenstein und wichtiger Präzedenzfall für alle Veranstalter von Motorsportrennen. Die Sportstätte des Nürburgrings ist ein natürliches Monopol und damit eine so genannte Essential Facility im Sinne des Kartellrechts."

NLS 6 & 7 - Nürburgring-Nordschleife - 10. September 2023
Stefan Baldauf

Das Urteil schafft einen Präzedenzfall am Nürburgring.

Warum kam es überhaupt zu dem Terminstreit?

Die Nürburgring Holding gab am 27.6. eine Pressemeldung raus, in der es hieß: "Die Nürburgring Holding GmbH als Eigentümerin der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG hat die wesentlichen Verträge mit der VLN Sport GmbH & Co. KG zur Durchführung der Rennen der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) auf der Kombination aus Grand-Prix-Strecke (Sprintstrecke) und Nordschleife zum nächstmöglichen Zeitpunkt, teilweise sogar fristlos, gekündigt." Und weiter: "Für die Saison 2024 wird die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG der VLN VV GmbH & Co. KG und der VLN Sport GmbH keine Termine anbieten."

Das war sozusagen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn es war klar: Ohne Termine kämpft die NLS als Rennserie mit stumpfen Waffen. Vorausgegangen waren mehrere gescheiterte Verhandlungsrunden um die Konstellation für die Zukunft der Langstreckenserie. Das Grundproblem, das die VLN Sport als Organisator der Serie gesehen hat: Man hätte in der neuen Gesellschaft, in der auch der AvD mitgemischt hätte, kein Mitspracherecht mehr gehabt.

"Die VLN Sport hätte an das neue Konstrukt alle von ihr gehaltenen und bisher nur verpachteten Rechte zur Veranstaltung und Vermarktung sowie die von ihr selbst unmittelbar genutzten Rechte zur sportlichen Ausrichtung vollumfänglich übertragen sollen", heißt es in der Presseinformation. "Als Minderheitsgesellschafterin ohne Sperrminorität hätte die VLN Sport dann jedoch keinen wesentlichen Einfluss mehr auf ihre Rennserie gehabt. Sie hatte sich daher gegen diese Forderung ausgesprochen, um ihre Mitspracherechte zu wahren und weiterhin die strategische Weiterentwicklung ihrer traditionsreichen Rennserie mitzugestalten.

Ist das nun das Ende des Streits?

Nicht unbedingt. Die Nürburgring 1927 GmbH will sich nicht zum Urteil äußern, hat aber als "weiterführendes, juristisches Mittel Berufung gegen das Urteil beim Oberlandesgericht Koblenz eingelegt". Das beunruhigt die VLN Sport GmbH nicht, denn man interpretiert das Urteil als so eindeutig, dass man der Berufung keine Erfolgschancen einräumt. "Ich hätte an ihrer Stelle auch Berufung eingelegt, einfach um alle Rechtsmittel auszuschöpfen", sagte VLN-Geschäftsführer Mike Jäger. "Wir gehen aber davon aus, dass sich das Urteil nicht ändern wird. Wir sind gut vorbereitet."

Bevor es zum Berufungsverfahren kommt, muss die Berufung auch erst vom Oberlandesgericht Koblenz zugelassen werden. Die Terminvergabe bleibt davon erstmal unberührt. "Wir haben per Gerichtsbeschluss die Zusage der Termine. Die Termine kamen immer relativ spät. Daher ist das keine außergewöhnliche Situation. Wir rechnen mit konkreten Terminen bis Mitte Oktober. Wir befinden uns derzeit in der Abstimmung", sagt Jäger.

Gibt es also bald zwei Langstreckenserien auf der Nordschleife?

Sollte es bei den acht Terminen für die NLS bleiben, fragen sich viele, was denn dann mit der geplanten neuen Nürburgring Endurance Serie passiert, in der nun eben der AvD und der Ex-VLN-Boss Ralph-Gerald Schlüter mitmischen. Die Holding ist hier zwar nicht offiziell involviert, aber die Zusammensetzung entspricht zumindest der ursprünglichen Idee mit dem AvD.

Von den Organisatoren der neuen Nürburgring Endurance Serie hört man: "Unsere Pläne zur Ausrichtung der NES bleiben vom vorläufigen Urteil in diesem einstweiligen Verfügungsverfahren unberührt. Wir arbeiten unverändert mit Hochdruck an Planung und Vorbereitung für eine künftige NES." Ein für den 15. September geplantes Teamchef-Meeting der NES wurde nach der Urteilsverkündung allerdings ausgesetzt.

"Wenn es zwei Serien gibt, dann entscheidet der Wettbewerb", sagt Jäger. "Es wäre denkbar schlecht für das Ansehen des Motorsports. Wenn es nicht ohnehin schon gelitten hat. Aber ich bin mir sicher, dass ganz viele Teams ein klares Bekenntnis zur NLS haben. Auch die ILN arbeitet mit unseren Technikern ganz eng zusammen. Wir haben die Mehrheit hinter uns. Aber das hat auch mit der Arbeit, die wir in diesem Jahr geleistet haben, zu tun. Auf der anderen Seite hat man nichts und hält an Köpfen fest, die Persona non grata sind."

NLS 6 & 7 - Nürburgring-Nordschleife - 10. September 2023
Stefan Baldauf

Die Starterzahlen in der NLS gingen in der Vergangenheit immer weiter zurück.

Wie steht es allgemein um die Zukunft der NLS?

Auch ohne den Streit kämpfte die Serie mit schwindenden Teilnehmerzahlen. Reformen blieben allerdings weitestgehend auf der Strecke, weil der Rechtsstreit von allen Beteiligten sämtliche Zeit in Anspruch nahm – inklusive Nachtschichten. "Wir haben Dinge vorbereitet, waren aber nicht in der Lage zu planen. Es gab viele Dinge, die in der Schublade lagen und nun angegangen werden", sagt Jäger.

Von Starterzahlen um die 150 Autos wie einst, will er aber nicht träumen. "Damit haben wir uns fast abgefunden", sagt er. "Zumal wir uns ganz klar dazu bekennen, Breiten- und Kundensport zu bleiben. Es wird immer dieses Gemisch geben. Dass die ganz kleinen Garagenteams aussterben, hat nichts mit 'nicht wollen' zu tun, sondern es wird immer schwieriger mit den hochtechnisierten Autos. Du holst dir nicht mal mehr eben einen BMW, reißt ihn auseinander und baust dir daraus einen Rennwagen."

Was ist also die Lösung? Sozusagen der Realität ins Auge zu sehen. "Wir müssen schauen, wie wir uns kostenstrukturell so aufstellen, dass wir auch mit 80 oder 90 Fahrzeugen fahren können", meint Jäger. "Wenn es dann mal 100 oder 120 bei Highlights werden, freuen wir uns. Eine RCN ist beispielsweise gut gefüllt, aber die haben auch die ganze Boxenanlage zur Miete nicht. Das ist ein ganz anderes Kostenniveau. Wir müssen vielleicht das Veranstaltungswochenende umstellen – etwa mit der RCN an einem Wochenende fahren, andere Serien dazu holen oder Double Header planen."

Ebenfalls ganz oben auf der Agenda: die Nordschleifen-Permit. "Wir sind mit dem DMSB dran, die Permit zu vereinfachen. Da war Valentino Rossi das beste Beispiel, der sagt, er schafft das bei so vielen Terminen gar nicht. Es geht auch darum zu unterscheiden, ob jemand Erfahrung hat oder nicht – auch wenn die Nordschleife ihre Besonderheiten hat."

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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