Sicherheit im VLN-Sport
Alarmstufe Rot

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Hinter den Kulissen der Langstreckenmeisterschaft brodelt es: Vor dem Showdown beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring geht es auf der Strecke härter zu den je, die Diskussion um die Sicherheit der VLN ist voll entbrannt.

Porsche 911 (991) Carrera - Black Falcon - VLN - Nürburgring Nordschleife - 29. März 2014
Foto: Stefan Baldauf / Robert Kah

Motorsport ist gefährlich. Diese drei Worte prangen auf der Rückseite jedes Formel 1-Tickets, und nicht selten lächeln wir darüber. Warum? Weil wir diese Tatsache gerne verdrängen. In der VLN-Langstreckenmeisterschaft 2014 scheint so mancher dazu zu neigen, das Risiko auszublenden. Sonst hätte es beim vierten Lauf nicht zum zweiten Mal in Folge bei der Fahrerbesprechung eine Standpauke der Verantwortlichen gegeben.

Zwei VLN-Rennen 2014 auf dem Nürburgring abgebrochen

Für viele Teilnehmer der VLN zu Recht, sie hatten ihrem Ärger über die Fahrweise mancher Kutscher schon auf Facebook Luft gemacht. Bei anderen schaute man hingegen eher in verständnislose Gesichter. "Da draußen herrscht Krieg." Ein Satz, der in diesen Tagen im Fahrerlager immer wieder fällt. Die VLN-Meute scheint außer Rand und Band. Der Beleg? Das zweite VLN-Rennen auf dem Nürburgring musste nach mehreren schweren Unfällen abgebrochen werden, beim vierten Lauf sowohl das Qualifying als auch das Rennen.

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Die rote Flagge ist allerdings nur die letzte Instanz. Zuvor gab es schon teils heftige Unfälle, die unzählige Doppel-Gelb-Phasen auslösten. Für manche ist das kein Grund, es nicht mehr eilig zu haben. Es hat Fälle gegeben, bei denen der Vordermann in einer Doppel-Gelb-Zone mithilfe der Lichthupe von der Ideallinie gescheucht worden ist. Andreas Simonsen, der den vierten Lauf mit dem Black Falcon Mercedes SLS GT3 gewonnen hat, sagt: "Es ging darum, sich den schnellsten Weg durch den Verkehr zu bahnen. Du fährst Slalom."

Das Resultat des Chaos: Viele Fahrer beklagen sich, dass sie in der VLN kaum mehr zum Fahren kommen. Sucht man nach Gründen, warum einige Herren zum Rambo mutieren, gibt es nur wenige rationale Erklärungen. "Vor dem 24h-Rennen haben manche nur diese eine Veranstaltung im Fokus, die VLN selber interessiert da viele nicht", sagt VLN-Geschäftsführer Karl Mauer. "Diejenigen, die die gesamte Saison fahren, kennen die Autos und ihre Piloten und können die Situation oft besser einschätzen. Youtube, Facebook und Co. machen die Vorfälle transparenter, insgesamt ist die Fahrweise aggressiver geworden."

Mit den Videos, die auf sozialen Netzwerken für jedermann abrufbar sind, ändert sich jedoch nichts. Nachdem bei beiden Fahrerbesprechungen Videobeispiele gezeigt wurden, wie man es nicht macht, fragte man sich, warum keine Bestrafung auf dem Fuß folgt. Doch das ist komplizierter als es scheint. Die Sportkommissare haben während eines VLN-Rennens als Drohkeule nur den Wertungsausschluss als Höchststrafe in der Hand - und der gilt für das gesamte Auto, nicht nur für einen einzelnen Rüpel. Höhere Strafen wie zum Beispiel ein Lizenzentzug müssen vom Sportgericht ausgesprochen werden.

Punktekonto als Lösung?

Zudem wackelt die Videoaufnahme als Beweisstück, denn in diesem Fall müsste gleiches Recht für alle gelten. Und damit müssten alle Videos, die im Laufe eines VLN-Rennens entstehen, dahin gehend begutachtet werden. Stattdessen wäre zum Beispiel ein Strafpunktekonto, wie es in der Formel 1 neuerdings üblich ist, denkbar. Bei einer bestimmten Anzahl an Verstößen hagelt es eine Verwarnung, später eine saftige Strafe. "Wir müssen auf jeden Fall eine Lösung finden", sagt auch Karl Mauer.

Die Androhung eines Rennabbruchs, wie sie schon mehrfach in der Fahrerbesprechung ausgesprochen wurde, verhallt jedoch in den meisten Ohren der Teilnehmer wie Schall und Rauch. Zudem hat das GPS-System, das Gelb-Sünder an die Rennleitung petzen sollte, an Glaubwürdigkeit verloren. Beim dritten Lauf war fälschlicherweise die Streckenvariante vom 24h-Qualirennen programmiert - damit konnten die Daten nicht als Beweismittel genutzt werden.

Erschreckend: Es gab schon Versuche, das GPS-System einfach auszustöpseln und damit eine Signalunterbrechung vorzutäuschen. Die Idee hinkt gewaltig, denn bei einer echten Signalunterbrechung werden weiterhin Daten gesammelt, die übertragen werden, sobald wieder eine Verbindung besteht.

Appell an die Vernunft der Fahrer in der VLN

So bleibt nur noch, an die Vernunft der Teilnehmer zu appellieren. Um den Worten der Verantwortlichen etwas mehr Nachdruck zu verleihen, engagierte man eigens zwei Herren, die für mehr Verständnis werben sollten. Olaf Manthey trug seine Gedanken ziemlich emotional in der deutschen Fahrerbesprechung vor, Meyrick Cox erzählte von seinen Erfahrungen in der englischsprachigen Fahrerbesprechung. Cox überschlug sich im zweiten VLN-Rennen mehrfach mit einem Opel Astra OPC nach einer Berührung mit einem Aston Martin. "Wir spielen hier nicht Playstation", sagte er. "Es ist eine Schande für die ganze Serie, wenn wir nicht kooperieren." Pikante Randnotiz: Cox ist Co-Investor von HIG, die den Nürburgring kaufen wollten - und zudem Aufsichtsratsmitglied von Aston Martin.

Zu Unfällen kommt es nicht nur am Samstag. Die Test- und Einstellfahrten am Freitag waren ebenfalls ein Thema, das die Teamchefs bei einem außerordentlichen Treffen diskutierten. Nach außen hin entsteht der Eindruck, diese Trainingsmöglichkeit sei Teil der VLN-Veranstaltung, weil ein Großteil der Teilnehmer die Gelegenheit nutzt, sich auf das Rennen vorzubereiten.

Tatsächlich organisiert den Test am Freitag aber ein privater Anbieter. Der Mix bei dieser zweistündigen Sitzung - weniger Streckenposten, Top-Autos, die auf der letzten Rille unterwegs sind, und kleine Teams, die sich mit Taxifahrten refinanzieren - birgt jede Menge Gefahrenpotenzial. Es gibt Stimmen, die sich dafür aussprechen, den Test in zwei Teile für Top-Autos und Taxifahrten zu splitten.

Nürburgring-Nordschleife schneller den je

Doch was passiert, wenn in der ersten Stunde die Leitplanken zerstört werden, sodass die andere Gruppe nicht mehr fahren kann? Ein weiterer Vorschlag: die Testfahrten am Freitag einfach abschaffen. Allerdings ist auch diese Lösung nicht ganz ausgereift, schließlich gibt es jede Menge neue Fahrer, die für jeden Kilometer auf der Nordschleife froh sind. "Die Strecke ist durch die neu geteerten Abschnitte schneller denn je", sagt Dirk Müller, der durch die vielen Unterbrechungen selbst kaum zum Fahren kam.

Das Thema Sicherheit zieht noch weitere Kreise. Beim dritten VLN-Lauf brannten kurz hintereinander ein Audi R8 und ein Ferrari 458 in der Boxengasse beim Tankstopp. Dabei wurden Mechaniker verletzt. "Es kann nicht sein, dass wir einen Haufen Geld für Reifen rauswerfen und dann an feuerfesten Anzügen für die Mechaniker sparen", sagt Technikausschuss-Mitglied Norbert Kreyer.

Der Technikausschuss reagierte auf die Brände, indem man zum vierten Rennen die Mindeststandzeiten für den Boxenstopp verlängerte, um den Teams mehr Zeit zu geben und so Fehler in der Hektik zu vermeiden. Etwas ungeschickt, dass ausgerechnet bei diesem vierten Rennen durch einen Fehler im System zu lange Standzeiten auf dem Bildschirm angezeigt wurden. Beim Nachtanken steht außerdem auch die Verwendung von Tankkannen in der Kritik.

Fannähe versus Sicherheit

Bei Feuer in der Boxengasse ploppt das nächste Thema hoch: Was ist mit den Zuschauern, die rund um die Autos stehen? Sollten sie aus der Box verbannt werden? Hier scheiden sich die Geister. Das Pro-Argument: "Verletzt sich jemand, können wir den Laden zusperren." Das Kontra-Argument: "Das entspricht nicht der Philosophie der Serie und wird die Fans verärgern." So oder so: Es muss schnell etwas passieren, sonst werden die eingefleischten Ring-Fans bald mit den Füßen abstimmen. Denn wer will schon Rennen sehen, die meist nur über die halbe Distanz gehen?

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