Skoda Fabia S1600 Rallycross im Tracktest
Vollands unerträgliche Leichtigkeit des Seins

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Stell dir vor, du hast eine Kurve, in die zwei Autos mit Tempo 40 reinpassen - und es fahren fünf mit 140 rein. Rallycross ist die Vollkontaktdisziplin des Automobilsports, doch in Deutschland gewinnt immer nur einer. Für den Tracktest ritten wir das Auto des Rekordmeisters: den Volland-Skoda Fabia S1600 Rallyecross.

Volland-Skoda Fabia S 1600 Rallycross
Foto: Roeseler

Als Yvan Muller - genannt Yvan der Schreckliche - die Eisrennserie Trophée Andros im Winter 2006 im elften Jahr zum zehnten Mal gewonnen hatte, bat ihn der Veranstalter höflich aber bestimmt, er möge sich doch bitte einen anderen Spielplatz suchen, um dort kleine Kinder zu verprügeln. Deutschland hingegen hat keine Eisrennserie, aber Deutschland hat die Rallycross-Meisterschaft - und Rolf Volland. Der kommt soeben von der DMSB-Meisterehrung. Es war sein 13. Titel.

Unsere Highlights

Killer auf der Strecke, Opfer in der Box

Es gibt kein Championat in der Bundesrepublik, das eine einzelne Person so dominiert hätte wie Volland die hiesige Rallycross-Szene. Wer den freundlichen Mittvierziger mit dem schütteren Haupthaar und der drahtigen Figur trifft, glaubt nicht gerade, einen Killer vor sich zu haben. Ein Hasardeur ist Volland aber auch nicht: Den letzten Ausfall hatte er vor drei Jahren, wegen eines defekten Sensors. Die Verlustbilanz der Saison 2011 beträgt zwei Heckschürzen - zerstört beim Abladen vom Hänger.

Der gelernte Betonbauer ist in seiner Division seit 17 Rennen ungeschlagen - das liegt nicht an seiner Aggressivität, sondern an der Akribie. Niemand bereitet sich und sein Auto mit einer derartigen Perfektion vor. Wer den Volland-Skoda auf die Radlastwaage stellt, wird feststellen, dass er rechts und links bis auf ein Kilogramm ausbalanciert ist. Nach einigen Jahren mit den 500 PS starken Allradboliden der Supercars ist er in die kleine Division gewechselt. Sein Skoda Fabia hat keinen Turbo und lediglich einen kleinen 1,6-Liter-Saugmotor, nur Front- statt Allradantrieb. Doch in der Division 1A gibt es deutlich mehr Konkurrenz und knapperen Wettbewerb - zumindest hinter Volland. Der hat sich einen 238 PS leistenden Motor von Tuner Hohenester besorgt und eine Serien-Karosse.

Detail-Optimierter Volland-Skoda Fabia S1600 Rallyecross

Ein Super 2000 wäre zu schwer. 80 Kilo Blech ließ Rolf Volland aus dem Fabia schneiden, von den Sitzkonsolen bis zum Halter des Airbag-Steuergeräts. Die Radhäuser für die 17-Zöller formte der Käfigbauer, vom Super-2000-Wagen stammt nur die Fahrwerksgeometrie. Aus Balance-Gründen arbeitet die Servopumpe für die Lenkung elektrisch und sitzt hinten rechts im Kofferraum. Eine leichte Motorrad-Batterie, Motor-Steuergerät, Löschanlage, Waschwasserpumpe und Behälter hocken mitsamt einem zehn Kilogramm schweren Ballastgewicht auf der Beifahrerseite. Natürlich wanderten auch Lüfter und Auspuff nach rechts. Sogar einen Scheibenwischermotor aus England hat er sich besorgt, weil der rechts montiert werden kann.

Der Motor ist um 30 Grad nach hinten geneigt, die Spritzwand musste aufgeschnitten werden, um den Ansaugtrakt unterzubringen. Der Tank duckt sich flach vor der Hinterachse an den Unterboden. Als Volland ihn bestellte, fragte der Zulieferer, ob er ein Alkoholproblem habe. Das Behältnis fasst nur neun Liter. Der Fabia S1600 steht auf russischen Felgen mit Opel-Lochkreis. Die Radnaben hat Rolf Volland selbst gefertigt. Die Räder von VSMPO wiegen nur knappe sieben Kilo, sonst wären es über zehn. An der Hinterachse verzögern Bremsen eines Motorroller-Herstellers. Das Hinterteil ist ohnehin so leicht, dass ein Erwachsener es anheben kann.

Gewichtspoker im Volland-Skoda Fabia S1600

Das Mindestgewicht liegt - inklusive Fahrer - bei 1.000 Kilo, der Volland-Fabia bringt mit seinem Lenker 1.005 Kilo auf die Waage. Und was ist mit den fünf Kilo Übergewicht? „Da musst du nur den Scheibenwaschbehälter leer spritzen“, sagt Renningenieur Wolfgang Schuster trocken. Auf derlei Feinheiten kommt es heute jedoch nicht an. Exakt für einen 75-Kilo-Mann wie Volland ausgelegt, hockt nun ein Tester im Auto, der in der Klitschko-Klasse boxen müsste. Das Auto ist also völlig aus der Balance. Das ist schon mal eine willkommene Ausrede für mäßige Rundenzeiten.

Die Teststrecke in Schlüchtern ist eine eng in den Wald geklebte Asphalt-Achterbahn mit unübersichtlichen Kuppen und Senken. Gegenüber der einzigen Geraden wirft sich eine lange Links über eine steile Kuppe bergab und wechselt schlagartig hinter einer derben Asphaltkante in eine radikal schnelle Rechts. Volland hält sein Auto gewöhnlich gut in Schwung, braucht daher auch nur fünf statt der üblichen sechs Gänge und liebt lange Übersetzungen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 155 km/h. „Das fahre ich hier alles voll“, sagt Linksbremser Volland bei der Ortsbegehung der tückischen Passage, um lässig anzufügen, dass man bei einer zu weiten Linie in der Links gern auf den schmutzigen Fahrbahnrand kommt und dann rechts mit Rolle seitwärts über die Leitplanke in die Bäume schlägt.

Frontgetriebener Kraftzwerg überzeugt im Tracktest

Der eingeschüchterte Gastfahrer kommt beim Sadev-Getriebe mit drei Fahrstufen aus. Der Fabia dreht bis maximal 9.800 Umdrehungen, doch auf dem winterkalten Asphalt und hinter den Kuppen bietet sich frühes Schalten an, sonst drehen nur die Vorderräder durch. Denn an Kraft mangelt es dem Vierzylinder trotz seines mickrigen Hubraums nicht. Das geringe Gewicht macht erstaunliche Bremspunkte möglich. Die leichte Hinterachse überbremst trotz der mickrigen Scheiben leicht und lenkt prima mit, wodurch sich kaum lästiges Untersteuern einstellt. Das Nachlenken des Hecks ist leicht beherrschbar, die Agilität des Leichtgewichts macht Spaß.

Zu Gunsten eines niedrigen Schwerpunktes liegt das Chassis möglichst tief, die Dämpfung ist trotz des rauen Geländes eher hart. Und so ähnelt denn die Fahrt einem Rodeoritt, bei dem der Ungeübte nach einem Dutzend Runden trotz der Kälte in Hitzewallungen kommt. Es ist eh ein Päuschen fällig, der Tank ist fast leer. Beim zweiten Durchgang hat sich der Hilfsdrifter unter dem wohlwollenden Blick des Meisters gerade ganz brauchbar eingeschossen, da steigen die Drehzahlen, aber der Vortrieb sinkt. Die leichte Karbon-Kupplung ist mit Abrieb verunreinigt. Sie wird im Normalfall nach jedem Rennen gereinigt und nachjustiert. Sie ist eines der Schlüsselelemente im Auto.

Rallycross ist gnadenlos

Vor jedem Lauf sitzt Volland zudem über seinen Datenaufzeichnungen, schätzt den Grip, misst die Asphalttemperatur und überlegt, welches Startprogramm er wählen soll. 24 verschiedene Varianten für Drehzahl und Gaseinsatz hat er im Chip gespeichert. Bei den Sprintrennen im Rallycross ist der Start entscheidend. Rallycross ist kein Sport für Zimperliche. Wer die erste Kurve zuerst passiert, hat die halbe Miete. Weil die anderen das wissen, wird auf den Vier-Runden-Rennen gedrängelt und geschubst, zuweilen fährt man sich auch voll in die Kiste. In diesem Sport bleibt keine Zeit, sich den Gegner zurechtzulegen.

Es finden sich vielleicht zwei oder drei Ecken, an denen es eine kleine Chance gibt, vorbeizukommen. „Da musst du reinhalten“, sagt Volland. „Es ist wichtig, dass die anderen wissen, dass du gnadenlos bist.“ Einmal kam vor dem Rennen ein Schweizer zu ihm und prophezeite: „Einer von uns schafft es nicht durch die erste Kurve.“ Volland fuhr ihm 200 Meter nach dem Start die Hinterachse weg. Es ist nicht das erste Mal, dass Rolf Volland eine ganze Meisterschaft in Geiselhaft nimmt. Nach fünf Jahren Kart-Ausbildung räumte er zur Mitte der neunziger Jahre drei nationale Titel in der Autocross- Szene ab. Beim Europameisterschafts-Debüt stand er schon auf dem Treppchen, am Jahresende hatte er auch diesen Titel. Im vergangenen Jahrzehnt verlor er in der DRX einen einzigen Titel.

Weil sein Auto bei einem Start bergauf einmal leicht rückwärts rollte, befand ein Rennkommissar auf Fehlstart. Und weil sein Sohn zur Kommunion ging, ließ er ein Rennen aus. 2009 startete er beim EM-Lauf am Estering. Er hatte kurz nach dem Start hinten einen Reifenschaden und musste mit dem Platten fünf Runden überstehen. Volland gewann als erster Deutscher seit 20 Jahren einen EM-Lauf. Für eine dauerhafte Karriere in der Europameisterschaft fehlt das Geld. Wer da ganz vorne mitmischen will, braucht mindestens eine Million Euro. Da ist sein Skoda Fabia für die DRX mit 150.000 Euro fast ein Schnäppchen.

Sieg ist gesetzt, Rekord im Visier

In der Rallycross-DM hat sich Volland zuletzt nur noch dadurch motiviert, dass er auf jeder Strecke den Rundenrekord anpeilte. Wenn der Tross im Fahrerlager eintrifft, diskutiert man allenfalls über Rang zwei. Volland will nicht warten, bis man ihm eines Tages erklärt, dass er unerwünscht sei. Er denkt über einen Wechsel nach. Er weiß nur noch nicht wohin. Sollte er nach 16 Jahren der Rallycross-DM den Rücken kehren, werden die einen den Verlust einer Lichtgestalt bedauern. Die meisten Teilnehmer jedoch werden aufatmen.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten