Tourenwagen-WM 2013
Das Debüt von Neueinsteiger Honda

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Mit Rekordtempo entwickelte Honda das Civic-Modell für Einsätze in der Tourenwagen-WM. Die Testrennen sind nur Vorgeplänkel, denn für 2013 werden Auto und Motor noch einmal komplett überarbeitet. Die Gegner sollten sich warm anziehen.

Honda Civic, Startaufstellung
Foto: Hersteller

Ich bin ganz furchtbar nervös.“ Alessandro Mariani ist ein abgebrühter Hase im Tourenwagensport, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Doch beim Debüt des Honda Civic in der TW-WM im japanischen Suzuka war alles ganz anders.

Der Druck am dritten Oktoberwochenende war enorm. Erst im Dezember des Vorjahres hatte der Honda-Vorstand in Japan grünes Licht für das erste globale Motorsport-Programm von Honda seit dem Formel 1-Ausstieg Ende 2008 gegeben. Die konkrete Arbeit durfte jedoch erst am 1. Februar beginnen. 261 Tage später tauchte das italienische JAS-Team von Mariani als Werksmannschaft im Fahrerlager von Suzuka auf – beäugt von vielen hochrangigen Honda-Abgesandten aus Tokyo und Europa.

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Honda unter Erfolgsdruck

Öffentliches Scheitern war keine Option, schließlich vertrat Mariani einen japanischen Hersteller auf einer Rennstrecke, die Honda-Gründer Soichiro Honda vor 50 Jahren bauen ließ, mit einem Fahrzeug, das 2012 seinen 40. Geburtstag feierte.
Die bedeutungsschwangeren Jubiläen sorgten für zusätzlichen Druck. „Außerdem ist das unser erster Werkseinsatz seit elf Jahren“, stöhnte Mariani. Das Honda-JAS-Team rechtfertigte das Vertrauen der japanische Bosse: Top-10-Platzierung im Qualifying, nur fünf Zehntel hinter den Benchmark-Wagen von Chevrolet, dazu zwei Top-Ten-Platzierungen in den WM-Läufen.

Und es hätte noch weit besser laufen können, wenn Pilot Tiago Monteiro, der 2013 zusammen mit Gabriele Tarquini die Honda-Farben in der WM vertreten wird, im ersten Quali-Segment nicht drei frische Reifensätze benötigt hätte, um ins Top-12-Qualifying vorzustoßen. Dieser Nachteil wurde erst am Renntag offenbar: Auf der Kurzanbindung in Suzuka ist Überholen fast unmöglich, Monteiro war am Ende des Spitzenrudels gefangen, obwohl Speed und Reifenverschleiß eindeutig auf Top-5-Niveau lagen. Unter dem stürmischen Jubel der japanischen Fans holte Monteiro die Plätze neun und zehn.

Vorbereitung für den Rennwagen

Danach waren die Gesichtszüge von Mariani entspannter. Honda bestreitet in diesem Jahr die drei Probe-Rennen am Ende der Saison nur deshalb, um für 2013 – der ersten vollen Saison – noch besser aufgestellt zu sein: Die Erkenntnisse aus Suzuka, Shanghai und Macau werden direkt in das neue Chassis für 2013 einfließen, das seit September im italienischen Arluno aufgebaut wird. Der aktuelle Wagen fährt nämlich noch mit nationaler japanischer Homologation. Der endgültige Technikstand des Civic wird von Honda erst zum 1. März 2013 bei der FIA homologiert.

Das gilt auch für den Motor mit der Kennziffer HR412E, der für 2013 ebenfalls komplett überarbeitet wird. „Mit der Global Race Engine beschäftigen wir uns erst seit Sommer 2011“, so Chef-Ingenieur Daisuke Horiuchi, der bereits an den LMP1- und Indy-Car-Motoren für die nordamerikanische Honda-Sportabteilung arbeitete. „Als der Vorstand das WM-Programm absegnete, hatten wir aber erst einen Prototyp für die Prüfstandsläufe fertig.“
Das wahre Gesicht des Joint-Ventures zwischen JAS, die für die Chassis-Entwicklung verantwortlich zeichnen, und Honda, die Motor, Elektronik und Sensorik beisteuern, sehen wir also erst beim WM-Auftakt im März 2013. „Bis dahin werden wir die maximale Performance aus dem Paket schöpfen“, sagt Mariani.

So soll die Aerodynamik ihren finalen Schliff bei weiteren Tests im Pininfarina-Windkanal mit rollendem Boden erhalten. Schwerpunkt und Gewichtsverteilung des Chassis können ebenfalls noch weiter optimiert werden: Beispielsweise befindet sich der Tank momentan noch unter dem Fahrer, dort, wo er auch in der Serie sitzt. Keine optimale Lösung.
Beim Motor fehlt es nicht an Potenzial, doch man tastet sich besonders beim Drehmomentverlauf erst in kleinen Schritten nach vorn. „Bei der Beschleunigung müssen wir im Vergleich zu Chevy noch zulegen“, weiß auch Pilot Tiago Monteiro.
Weil das zu einem großen Teil über Japan finanzierte Budget auf gesunden Fü.en steht, sind also noch deutliche Schritte bei der Entwicklung zu erwarten. „Ich erkannte schon nach drei Runden das große Potenzial des Autos“, so Tarquini, der momentan noch für Seat am Lenkrad kurbelt. „Nach weiteren drei Runden war klar, dass kein Fehler im Konzept ist. Und die extrem aufwendige Sensorik hilft uns sehr, die Richtung für weitere Verbesserungen schnell zu bestimmen.“

Das italienisch-japanische Team – seit Juni sind zwölf Mitarbeiter der Honda-Motorsportabteilung am Stammsitz von JAS in Arluno nahe Mailand integriert – wird also über den Winter erneut alle Hände voll zu tun haben, um die hohen Erwartungen für 2013 zu erfüllen.

Und eine große Pause ist nicht in Sicht, wie die rege Betriebsamkeit auf der politischen Bühne am Rande des Suzuka-Rennens offenbarte: Dort hatte Honda sein Okay gegeben, die Einführung des neuen Technik-Reglements von 2015 auf 2014 vorzuziehen (siehe Seite 104). Zu deutsch: Der übern.chste Winter wird abermals kein Ruhekissen für das Team von Alessandro Mariani.

Interview mit Tatsuya Ezawa, Manager Honda Motorsport Division:

Wie lauten die mittelfristigen Ziele für das TW-WM-Engagement von Honda?

Ezawa: Natürlich wollen wir Weltmeister werden! Die Frage ist, wie schnell wir dieses Ziel erreichen können. Bei unserem WM-Debüt in Suzuka fuhren wir erstmals mit den Gegnern auf der gleichen Strecke, und wir waren mit der Performance schon recht zufrieden. Klar ist aber auch, dass noch Entwicklungsarbeit vor uns liegt. Wir werden alles daran setzen, im nächsten Jahr voll wettbewerbsfähig zu sein und um Siege kämpfen.

Wie steht es um den Einsatz von Kundenfahrzeugen?

Ezawa: Wenn möglich wollen wir die Anzahl der Honda Civic im WM-Starterfeld erhöhen. Zuerst müssen wir unser WM-Auto aber so optimieren, dass es voll wettbewerbsfähig ist, sonst hätten die potenziellen Kundenteams ja keine große Freude an einem Einsatz.

Wie lange plant Honda, in der TWWM an den Start zu gehen?

Ezawa: Das kann ich nicht direkt beantworten. Wir beabsichtigen, für eine gewisse Zeit in der WM zu bleiben, um Siege und Meisterschaften zu holen und Kundenteams auszustatten. Wir haben keine zeitliche Festlegung.

Es gibt Gerüchte, Honda prüfe auch Programme in der Formel 1 oder in Le Mans. Können Sie dazu etwas sagen?

Ezawa: Motorsport hat bei Honda immer eine wichtige Rolle gespielt, und deshalb schauen wir uns fortwährend an, was in der Welt des Motorsports passiert und wo mögliche Einsatzgebiete liegen könnten. Im Le-Mans-Sport sind wir bereits involviert, nicht als Werksteam, sondern im Kundensport über die nordamerikanische Sportabteilung HPD. Wir haben bei Honda keine Entscheidung, dass wir mit einem Werksteam nach Le Mans gehen. Auch für die Formel 1 gibt es im Moment keine Pläne für eine Rückkehr, das kann sich aber in Zukunft ändern. Die Formel 1 ist sicher die wichtigste Topklasse im Motorsport. Wenn man als Hersteller im Motorsport Imagewerbung betreiben will, dann ist die Formel 1 fraglos die beste Bühne.

Wie bewerten Sie die jüngst angekündigte technische Kooperation zwischen der DTM und der Japanischen Super GT Serie, in der Honda ja ebenfalls präsent ist?

Ezawa: Die Basisidee dieser Kooperation ist sicher eine gute Sache, auch um die Kosten zu senken. Daher werden wir auch weiter in der Super GT antreten. Allerdings beabsichtigen wir, unseren neuen Sportwagen NSX einzusetzen, der über einen Mittelmotor verfügt. Wir wollen aber nicht, dass sich das Rennauto komplett vom Straßenauto unterscheidet. Deshalb müssen wir ein modifiziertes Chassis verwenden. Wenn wir es also nur aus unserer Sicht betrachten, dann ist die Verwendung der DTM-Chassis kein weiser Entschluss. Außerdem werden sich ab 2014 die Motoren-Reglements der beiden Serien sehr deutlich unterscheiden, weil wir in Japan auf Vierzylinder-Turbomotoren wechseln. Die Unterschiede könnten also nur mit viel Aufwand ausgeglichen werden. Aber wir respektieren den Standpunkt unserer japanischen Konkurrenten, wonach wir für die Super GT nur dann mehr Aufmerksamkeit finden, wenn wir internationale Kooperationen eingehen.

Glauben Sie, dass diese Kooperation zu einem Einstieg beispielsweise von Honda in die DTM führen wird?

Ezawa: Wir haben keine Pläne, in die DTM einzutreten.

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