Toyota TS050 für Le Mans 2017 im Technik-Check
Der klare Favorit

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Nach der bitteren Niederlage im Vorjahr hat Toyota sein Entwicklungstempo 2017 nochmal angezogen: Der Motor ist eine komplette Neukonstruktion, dazu wurde das Hybridsystem optimiert und das Aero-Konzept neu aufgesetzt. Der Technik-Check!

Toyota TS050 - Silverstone - 2017
Foto: Toyota

Zwei radikale Neuaufstellungen in nur zwei Jahren – Toyota hat nach den Niederlagen in Le Mans 2015 und 2016 gleich zwei Mal hintereinander drastische Konsequenzen gezogen und de facto keinen Stein auf dem anderen gelassen, um das ewige Dauerziel der Japaner zu erreichen – nämlich den Gesamtsieg in Le Mans. Nach zwei WM-Rennen und dem Vortest vor dem 24h-Rennen in Le Mans ist klar: Toyota geht als deutlicher Favorit in das härteste Langstreckenrennen der Welt. Wir erklären die technischen Hintergründe:

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Antrieb:

Nach zwei Motorschäden beim WM-Lauf in Spa 2016 war klar, dass für 2017 eine größere Operation auf der Motorenseite erfolgen musste, denn der Motorblock hatte sich in der Kompression von Eau Rouge zu stark verwunden. Dazu gab es noch Spielraum bei der Effizienz – sprich Benzinverbrauch versus Leistung. Ursprünglich hatte man sogar eine Hubraumreduzierung von 2,4 auf 2,1 Liter erwogen, aber nach Prüfstandsversuchen wieder verworfen.

Der Motor für die Saison 2017 ist trotzdem eine komplette Neukonstruktion, auch wenn Hubraum (2,4 Liter) sowie Zylinderzahl, Zylinderanordnung und Aufladung (also V6-Motor mit Biturboaufladung) identisch mit dem Vorjahr sind. Da sich auch die Baulänge des Motorblocks veränderte, entwickelte das Powertrain-Department in Japan auch gleich noch ein neues Sechsganggetriebe.

Auch die Hybrid-Architektur wurde deutlich verbessert. Die neuen Batteriezellen können mit einer höheren Betriebstemperatur arbeiten und benötigen daher weniger Kühlung, was bei der Aerodynamik hilft. Die MGU-Systeme an Vorder- und Hinterachse – Toyota rekuperiert Energie nur über die vorderen und hinteren Bremsen – büßten erheblich an Gewicht ein, gleichzeitig wurde ihr Wirkungsgrad deutlich verbessert.

Die Optimierungen bei Energie- und Leistungsdichte sorgen dafür, dass Toyota jetzt mehr Energie schneller rekuperieren kann, die Energie aber auch länger speichern und jetzt dort boosten kann, wo es für die Rundenzeitenoptimierung am besten ist.

Zieht man den direkten Vergleich zum LMP1-Gegner Porsche, so fällt auf, dass Toyota beim Motor eine Biturboaufladung verwendet, was erstens unter Gewichtsaspekten – Stichwort zwei Turbolader und zwei Ladeluftkühler – ein Nachteil ist und zweitens verhindert, dass man (wie Porsche) eine Abgasenergierückgewinnung (AER) zum Einsatz bringen kann. Porsche kann mit der AER auch beim Beschleunigen Energie rekuperieren, während Toyota Energie nur bei den Bremsvorgängen einsammeln kann.

Aerodynamik:

Das technische Reglement wurde für 2017 signifikant verändert, mit dem Ziel, den Speed der LMP1-Fahrzeuge zu reduzieren: Der Frontdiffusor wurde angehoben, der Heckdiffusor in der Breite und beim Anstiegswinkel begrenzt. Toyota hat simuliert, dass der Abtriebsverlust aus diesen Regeländerungen bezogen auf die Strecke in Le Mans ungefähr 4 Sekunden pro Runde kostet.

Ähnlich wie Porsche hat Toyota natürlich versucht, diese Verluste zu kompensieren. Erstens wurde der Abtrieb, der durch die Durchströmung durch das Fahrzeug generiert wird, drastisch erhöht. Der effizienteste Abtrieb ist zwar jener, der vom Unterboden kommt, doch hier hatte das Reglement einen Riegel vorgeschoben.

Mehr Abtrieb durch Überströmung (also simpel gesagt mehr Flügel auf dem Fahrzeug) hat extrem negative Effekte beim Luftwiderstand. Basierend auf dem in Le Mans zum Einsatz kommenden Low-Downforce-Kit hat Toyota einen exzellenten Job gemacht, denn der TS050 ist schnell in den kurvenreichen Sektionen, führt aber gleichzeitig die LMP1-Top-Speedwertung in Le Mans an.

Ein Aspekt ist jedoch strittig: Porsche vermutet, dass Toyota bei der Durchströmung der Heckpartie links und rechts vom Motor mit einem System arbeitet, dass vom Effekt her einem Doppeldiffusor stark ähnelt: Eine interne zweite Referenzebene wird von seitlicher Luft so gefüttert, dass sie Abtrieb erzeugt – mehr Details sind nicht bekannt.

Porsche behauptet, dass diese Lösung nicht dem Reglement und auch nicht den Absprachen entspricht. Toyota verweist wie die FIA als Regelgeber darauf, dass der TS050 homologiert sei – und damit legal ist. Welchen Performance-Anteil diese Lösung genau hat, ist ebenfalls unbekannt.

Zuverlässigkeit:

Obwohl sich der neue Motor erst seit März 2017 in der praktischen Fahrzeugerprobung befindet, schien es bisher keine offensichtlichen Probleme gegeben zu haben. Auch die Ausdauertests mit Laufzeiten von über 30 Stunden verliefen nach Aussagen der Ingenieure zufriedenstellend. „Es gibt aktuell keinen Bereich im Auto, wo wir vor Le Mans berechtigte Sorgen haben müssten“, erklärt Toyota-Technikdirektor Pascal Vasselon.

Beim Hybridsystem soll es dagegen technische Defekte gegeben haben, allerdings in der Frühphase der Erprobung. Noch beim WM-Saisonstart in Silverstone Mitte April hatte TMG-Boss Rob Leupen zugegeben, dass es im Hybridbereich noch Fragezeichen gäbe. Kurz vor Le Mans gab es jedoch keine Anzeichen mehr dafür, dass akute Probleme bei der Zuverlässigkeit bestehen.

Speed:

Nach den bisherigen Renn- und Testergebnissen muss Toyota bezogen auf den Speed als der klare Favorit für das 24h-Rennen in Le Mans gelten: Toyota hat die ersten beiden WM-Läufe in Silverstone und Spa mit dem High-Downforce-Paket gewonnen, und den Testtag in Le Mans zwei Wochen vor dem Rennen dominiert, diesmal mit dem Low Downforce-Paket.

Porsche verlor bei der Bestzeit über 3 Sekunden auf Toyota, allerdings fuhren die Japaner eine Qualifying-Simulation – also wenig Sprit und frische Reifen –, während Porsche darauf verzichtete. Doch auch Porsche kam nicht umhin, die Toyota-Rundenzeiten beim Vortest als „beeindruckend“ einzustufen, wie es Teamchef Andreas Seidl formulierte.

Was das für die Renn-Pace bedeutet, ist noch nicht klar: Porsche hofft natürlich, dass man im Rennen näher an Toyota dran sein wird. Ein Rundenzeitendelta von einer Sekunde wäre noch okay, wenngleich dann trotzdem klar ist, dass man Toyota nicht über den Speed wird schlagen können – das erwartet mittlerweile auch niemand mehr im Porsche-Camp.

Bei Toyota hofft man natürlich, dass der Vorsprung eher bei 2 Sekunden pro Runde liegt. Das wäre dann ein ziemliches bequemes Polster und könnte dazu führen, dass Toyota bei einem grünen Rennen nach circa 100 Runden die Porsche-LMP1 bereits um eine volle Runde abgehängt hätte.