Tracktest Ford GT: GT1, GT3 und VLN von Matech Racing
Worin unterscheiden sich die GT-Rennversionen?

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1969 gewann Jacky Ickx im Ford GT 40 das Herzschlagfinale gegen Hans Hermann im Porsche 908 beim 24-Stunden-Klassiker von Le Mans. 40 Jahre später glänzt die neue Ford GT-Rennversion mit grollendem V8-Roush-Motor nicht nur beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, sondern auch in der FIA GT und der FIA GT3-EM. Tracktest der drei Rennversionen in Hockenheim.

sport auto 01/2010
Foto: sport auto

Nach 4.998 Kilometern Vollgas trennt den hellblau-orangen Ford GT 40 des Gulf-Wyer-Teams und den weißen Werks-Porsche 908 Langheck nur die Länge eines Fußballfeldes. Ganze 120 Meter. Sonntag, 15. Juni 1969, 15 Uhr Ortszeit: Jacky Ickx rauscht beim 24-Stunden- Rennen von Le Mans nach 372 Runden mit nur zwei Sekunden Vorsprung auf Hans Hermann ins Ziel. In der letzten Rennstunde gibt es acht Führungswechsel zwischen den beiden Kontrahenten - Fakten eines unvergessenen Herzschlagfinales.

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Der Ford GT von Raeder Motorsport führt beim 24h-Rennen 2009

Fast auf den Tag genau 40 Jahre später stockt 235.000 Rennfans erneut der Atem. Wieder balgen sich ein Ford GT und ein Porsche Stoßstange an Stoßstange um die Führung. Die Protagonisten heißen nicht mehr Ickx und Hermann, sondern Adorf und Lieb. Sechs Runden lang führt ein orange-weißer Ford GT-Nobody von Raeder Motorsport beim 24-Stunden-Rennen 2009 vor dem Seriensieger Manthey-RSR und den favorisierten Audi R8-Werksteams. Happy-End wie vor 40 Jahren? Leider nein. Der neue V8-Liebling der Ring-Fans verstummt mit defektem Ölpumpenantrieb nach Stunde 13. (Hier gibt es alle Info zum 24h-Rennen auf dem Nürburgring)

Doch heute trommelt der Achtzylinder-Bass wieder so frei auf, als wolle er erneut eine Schneise der Begeisterung durch das größte Zeltlager der Welt fräsen. Der Geruch von gegrillter Ring-Wurst und Dosenbier wabert noch durch das GT-Cockpit, als der erste Gang der sequenziellen Schaltbox laut klackend einrastet. Beim Blick in den Rückspiegel folgen dem 24-Stunden-Meister-der-Herzen diesmal keine gelben RSR-Streugläser oder geschwungenen R8-LED-Tagfahrleuchten, sondern zwei Ford GT-Brüder.
 
Drei Ford GT-Rennversionen im Vergleich auf dem Hockenheimring
 
Statt Hatzenbach, Fuchsröhre und Brünnchen heißt es diesmal Nordkurve, Parabolika und Sachskurve: sport auto hat den Nordschleifen-GT3 sowie den Ford GT aus der FIA GT1 und GT3 von Matech Racing zum Tracktest nach Hockenheim geladen. Ein gelber Serien-GT hält als Pace Car die Meute in Schach. Doch schon schießt der dunkelblaue GT3 mit der Nummer 1 aus dem Windschatten und will die wenigen Zuschauer des mehrstimmigen V8-Konzerts aus den bunten Sitzschalen im Motodrom reißen.
 
„Der GT3 ist unser Basismodell“, hatte Matech-Pilot Thomas Mutsch zuvor kurz erklärt. So, so - Basismodell. Was ein bisschen nach Dacia Logan klingt, fällt bereits unter feinste Rennwagenkunst. Unter der flachen Kohlefaser-Silhouette brüllt ein Fünfliter-V8-Saugmotor von Ford-Spezialist Roush Yates mit 550 PS. Aufgrund der besseren Verfügbarkeit und des deutlich leichteren Gewichts tauschte Matech nach dem ersten Einsatzjahr 2007 das originale 5,4-Liter-Kompressoraggregat gegen den Fünfliter-Sauger.
 
Klack, klack, klack - Sechster, Fünfter, Vierter. Innerhalb von 70 Millisekunden feuert das sequenzielle Sechsganggetriebe die Gänge wie Maschinengewehrsalven rauf oder runter. Dank Zündunterbrechung wird ohne Kupplung geschaltet. Bizeps-Power und energisches Pressen oder Reißen am monumentalen Schaltstock genügen. Unter Volllast schnellen die beiden 46 mm großen Drosselklappen des V8 blitzschnell auf. Ab 6.000/min pflügt er mit einem maximalen Drehmoment von 600 Newtonmeter über die Piste.
 
Spielend bremst er sich in der Sachskurve am GT3 vorbei
 
Doch was ist das? Im linken Kohlefaser-Außenspiegel schießt plötzlich der mattschwarze GT1 heran und bremst sich spielend in der Sachskurve am GT3 vorbei. Der größte Unterschied versteckt sich unter dem 15 Zentimeter breiteren Karosseriekleid. „Die Kohlefaserbremse bringt deutliche Vorteile“, lüftet Mutsch das GT1-Geheimnis später. Voraussetzung für die optimale Verzögerung ist allerdings die richtige Arbeitstemperatur zwischen 500 und 600 Grad Celsius. Anders als im „Basismodell“ verzögert der GT1 reglementbedingt ohne ABS - wer also zu kräftig ins Bremspedal hackt, entlockt den Slicks schnell weiß qualmende Gedächtniswölkchen mit Michelin-Aroma.
 
Doch nicht nur die giftig zupackende Carbonbremse macht den Klassenunterschied aus. Der stark modifizierte Ansaugtrakt mit achtEinzeldrosselklappen erhöht die Leistung des GT3-Motors für den GT1-Einsatz um 50 auf 600 PS. Dank mehreren Windkanalbesuchen im Kölner Fordwerk, mit Simulationstests bis zu 200 km/h, steigerten die Matech-Ingenieure außerdem den Abtrieb gegenüber dem GT3-Modell deutlich. Zusammen mit dem Unterboden, dem schaufelartigen Front-Splitter, einem modifizierten Heckdiffusor und dem Heckflügel mit Doppelflügelprofil erreicht der Ford GT1 einen maximalen Gesamtabtrieb von knapp 800 Kilogramm bei 250 km/h. Allein der Doppelflügel, bestehend aus unterem Hauptflügel und oberen Flap, bietet 35 verschiedene Einstellungsmöglichkeiten.
 
Der 1.200 Kilogramm schwere GT1-Renner verzeiht kaum Fahrfehler
 
Je nach Flügelstellung erreicht die schwarze Flunder zusammen mit dem spürbar strafferen Fahrwerkssetup Querbeschleunigungswerte von bis zu 2 g (GT3: 1,8 g). Durch die kompromisslose Abstimmung verzeiht der 1.200 Kilogramm schwere GT1-Renner kaum Fahrfehler. Deutlich gutmütiger bewegt sich der Raeder-Ford GT, der nicht nur beim 24-Stunden-Rennen für Furore sorgte. Insgesamt stand die ebenfalls bei Matech entwickelte Nordschleifen-Variante auf GT3-Basis dreimal in der abgelaufenen VLN-Saison auf der Pole Position und sicherte sich ebenso oft die schnellste Rennrunde.
 
„Mit 8.09,748 Minuten halten wir derzeit den Rekord auf der VLN-Distanz“, sagt Teamchef Niki Raeder stolz. In Hockenheim tendiert das VLN-Auto vor allem in engen Kurven mit der weichen Nordschleifenabstimmung des KW-Fahrwerks leicht zum Untersteuern. Neben den Dunlop-Slicks (GT1 und GT3: Michelin) tritt der Ford GT auf dem Ring mit einer veränderten Getriebeübersetzung an. Außerdem wurde für den Einsatz auf der welligen Eifelpiste der Kohlefaser-Unterboden im hinteren Fahrzeugbereich gegen eine verstärkte Bodenplatte aus Aluminium gewechselt. „Für künftige Nordschleifen-Kunden bieten wir 2010 zudem neben dem GT3-ABS ein zehnstufiges ASR an“, erklärt Entwicklungsfahrer Mutsch. Dumpf bollernd setzt sich das gelbe Serienfahrzeug mit 90-Grad-Kompressor-V8 vor die Rennarmada aus dem Hause Matech und spielt seine Pace-Car-Rolle perfekt.
 
Auf einer Ehrenrunde senken die GT-Flundern und Tester langsam wieder den Rennpuls, bevor es in die Boxengasse von Hockenheim zurückgeht. Nur die GT3-Version kehrt in ähnlicher Form in der Saison 2010 erneut auf die Rennstrecke zurück. Der GT1 von 2009 wandert in die Ahnengalerie, während das VLN-Auto auf seinen nächsten Einsatz auf der Nordschleife wartet. „Wir werden 2010 allerdings ein neues Projekt ohne den GT starten“, verrät Niki Raeder. Und auch am Matech-Entwicklungsstandort Mayen entwickeln die Ingenieure derzeit im Akkord.
 
Fortsetzung der Rennsportgeschichte der Ford GT-Rennversion
 
Für die GT1-WM 2010 überholt das Schweizer Rennteam beinahe das komplette GT-Fahrzeug. Neben einschneidenden Änderungen an Motor- und Getriebe sowie der Fahrwerkskinematik bekommt der neue GT1-Ford ein deutlich veränderteres Bodywork als sein GT1-Vorgänger von 2009. Und wo wird der neue WM-Wagen zu sehen sein? „Die GT1-WM ist fix, alle weiteren Engagements sind noch offen“, sagt Matech-Pilot Mutsch. Liebes Matech-Team, auch wenn 2010 kein rundes Jubiläum in der Ford GT-Rennsportgeschichte mehr ansteht - ein Start beim legendären 24-Stunden-Rennen in Le Mans wäre nach dem faszinierenden Nordschleifeneinsatz 2009 die konsequente Fortsetzung der Rennsportgeschichte der neuen Ford GT-Rennversion.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten