USC-Chef Ed Bennett im Gespräch
"Wir sind weder ALMS 2 noch GrandAm 2"

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Ende Januar startet die neue United SportsCar Championship beim 24h-Rennen in Daytona in ihre Debütsaison. IMSA-CEO Ed Bennett erklärt im Gespräch mit sport auto den Stand der Dinge.

Ed Bennett

Ed Bennett überlegt nur kurz: "Wir haben mehr Arbeit hinter uns als vor uns.“ Der smarte Amerikaner redet von der Herkulesaufgabe, den US-Langstreckensport in eine neue, gemeinsame Zukunft zu führen.

Zusammenschluss zur USC ist keine kalte Übernahme

Der Zusammenschluss zwischen den bisherigen Feinden Grandam und ALMS zur United SportsCar Championship (USC) ist nämlich keine kalte Übernahme nach dem Motto: "Wir haben gewonnen – und machen jetzt alles so, wie wir es für richtig halten.“

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Das Leitmotiv des Merger ist vielmehr, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. So führt der Ex-Nascar-Mann Bennett die Geschäfte der neuen USC-Serie auch nicht alleine, sondern zusammen mit dem Ex-ALMS-Boss Scott Atherton. Aber jenseits der politischen Symbolik stellen sich konkrete Machtfragen: Hinter Grandam steht der Nascar-Apparat, und viele hatten vermutet, dass die ihr Ding durchziehen werden – komme, was da wolle, und unabhängig von schönen Sonntagsreden.

Bennett als Bedenkenzerstreuer der USC

Ed Bennett ist der Mann in der Mitte, der das alles ausbaden muss. Immer wieder prasseln die gleichen Fragen auf ihn ein: Wer hat die Hosen an? Und wer gibt die Richtung vor? Bennett ist der Bedenkenzerstreuer und der Zeremonienmeister einer Ehe, die so eigentlich niemand haben wollte.

Was viele unterschätzen: Bennett hat zusammen mit Jim France, der als Sprössling der großen Nascar-Gründerfamilie im Hintergrund die Marschrichtung vorgibt, eine klare Vision – und die läuft eben nicht auf eine kalte Übernahme hinaus. Denn mittlerweile ist klar geworden, dass Grandam nicht einfach ihr altes Technikkonzept über die neue Serie stülpen will. Stattdessen soll der US-Langstreckensport über einen Zeitraum von drei Jahren komplett auf neue Füße gestellt werden.

"Die Vision besteht darin, eine auch international relevante Bühne für den Langstreckensport zu bauen“, sagt Bennett. "Wir arbeiten sehr eng und konstruktiv mit dem Le Mans-Veranstalter ACO zusammen, um beim Prototypensport eine tragfähige und gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Und das Gleiche gilt für den GT-Bereich, wo wir bereits auf die Zielgerade eingebogen sind. Der Fluchtpunkt unserer Arbeit ist die Saison 2017 – wenn alle Puzzlesteine zusammengesetzt sind.“

Dann werden die unvorstellbar hässlichen Daytona-Prototypen der alten Grandam ebenso Geschichte sein wie die Grandam-GT-Klasse. Die USC setzt für 2017 auf eine Zweiklassenstruktur, die sich am Le Mans-Reglement orientiert. "Wir brauchen den Anschluss an internationale Regeln, und da liegt es nahe, eng mit dem Le Mans-Veranstalter ACO zu kooperieren. Wir streben nicht in die amerikanische Isolation, sondern wir wollen und müssen das internationale Element stärken, denn nur so bleibt die globale Relevanz des US-Langstreckensports erhalten.“

Bemerkenswerte Töne, zieht man in Betracht, dass Bennett viele Jahre für Nascar gearbeitet hat, die ja nun eher wenig von internationalem Anschluss halten. "Die globale Perspektive beim Reglement ist absolut ehrlich gemeint und soll mit maximaler Kraft umgesetzt werden“, unterstreicht Bennett. "Wir wollen unsere Highlight-Events in Daytona, Sebring, Watkins Glen und Road Atlanta zu internationaler Größe führen – und das können wir nur zusammen mit dem ACO und der FIA schaffen.“

2014 dient als Übergangssaison

Das erste Übergangsjahr 2014 mit seinem kruden Vier-Klassen-Mix aus ehemaligen Grandam- und ALMS-Fahrzeugen ist also eben kein Kompass für die zukünftige Marschrichtung der USC. "In der vor uns liegenden Übergangsphase gilt es, das Investment der Teams in ihre Fahrzeuge und Technik zu respektieren und zu schützen“, sagt Bennett. "Jedes Team kalkuliert mit einer Amortisation von drei Jahren. So war es naheliegend, dass die Daytona-Prototypen noch bis einschließlich 2016 startberechtigt sind.“

Während der Kurs für die mittelfristige Zukunft auf LMP2 und GTE zusteuert, muss man für die Übergangsphase Kompromisse eingehen, wie die praktisch nicht zu bewerkstelligende Ausbalancierung der beiden neuen Topklassen, LMP2 (Ex-ALMS) und DP (Ex-Grandam). "Das ist der Preis, den man bezahlen muss, um die Bühne stabil zu halten.“

Höhere Kosten führen zu Unmut bei kleinen Teams

Ed Bennett redet die praktischen Probleme auch nicht klein: "Die DP-Teams mussten noch mal investieren, nur so bekommen wir eine saubere Balance hin. Trotzdem bleibt es ein Kompromiss, denn DP und LMP2 sind sehr unterschiedliche Klassen, es gibt keine perfekte Lösung, und damit müssen wir in der Übergangsphase leben. Wir mussten die DP schneller machen, denn im Gefüge des Le Mans-Sports sollte zwischen den Prototypen-Topklassen und den GT-Klassen ein Performance-Unterschied bei der Rundenzeit von circa sechs Prozent vorliegen."

Was viele übersehen: Laut Bennett steigen zwar die Kosten für die DP-Teams im Vergleich zur Saison 2013 um 25 Prozent, aber die LMP2-Teams, die ihre Autos kaum verändern müssen, rechnen sogar mit Kostensteigerungen um fast 50 Prozent – weil die Renndistanzen wegen der neuen Events wie des 24h-Rennens in Daytona deutlich zunehmen. "Damit sind nicht alle glücklich, aber wir haben eben einen Kalender, der tolle Langstreckenrennen bietet– und dann muss man auch mit diesen Konsequenzen leben."

Immerhin sind all diese Entscheidungen in enger Absprache mit Teams und Fahrern der ehemaligen Serien Grandam und ALMS getroffen worden. "Es ist unmöglich, dass alle Beteiligten im ersten Jahr eines gigantischen Mergers restlos glücklich und zufrieden sind“, weiß auch Bennett. "Wir mussten zwei Rennserien mit sehr unterschiedlichen Mentalitäten zusammenbringen. Das neue Haus steht, es hat auch schon ein festes Dach – und die Fenster werden auch bald geliefert."

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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