VLN-Ford Focus RS beim 24h-Rennen 2011
Neues Team, neues Auto, neues Glück?

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Das Team FH Köln Motorsport powered by Ford tritt auch dieses Jahr wieder beim ADAC Zurich 24h-Rennen am Nürburgring an. Allerdings haben die Fahrzeugtechnikstudenten den 360-PS starken Ford Focus RS komplett neu aufgebaut und auf einem noch höheres Leistungsniveau gestellt.

FH Köln Motorsport Ford Focus RS VLN
Foto: SB-Medien

Die erste VLN-Saison 2010 mit dem Ford Focus RS des Teams FH Köln Motorsport endete viel versprechend: Fünf Klassensiege in zehn Rennen machten Lust auf mehr. Ob das Motto "neues Team, neues Auto, neues Glück" in 2011 aufgeht, wird sich zeigen. Mit vier Klassensiegen aus den vergangenen fünf VLN Meisterschaftsrennen 2011 schaut die Mannschaft der FH Köln mit absolutem Selbstvertrauen dem weltweit bekannten Motorsport-Event entgegen. Das klar definierte Ziel lautet: Ankommen ist alles.

Unsere Highlights

Teams gibt es zuhauf in der Langstreckenmeisterschaft am Nürburgring: Mit Ausnahme des Auftaktrennens am 2. April 2011 waren in den ersten vier Rennen der VLN regelmäßig mehr als 200 Autos am Start. Ein derart gut gefülltes Starterfeld gibt es auf der Welt kein zweites Mal. Eine solche Klassenvielfalt auch nicht. Vom Mini über die Renault Clio, Seat Leon und Porsche 911 Cup-Modelle bis hin zu den nach GT3-Reglement aufgebauten Mercedes SLS AMG, Audi R8 LMS und BMW Z4 ist alles dabei, was vier Räder und einen Motor hat.

Die Tage der in kleinen Hinterhof-Garagen mit begrenzten Mitteln vor sich hinwerkelnden Privatteams scheinen angesichts dieser schlagkräftige Phalanx gezählt. Das Gros der anno 2011 startenden Autos ist professionell aufgebaut, ebenso betreut und - nicht selten - werksunterstützt.

Ein Ruf, der auch dem im vergangenen Jahr seitens sport auto und Frank Herrmann, seines Zeichens Professor der Fahrzeugtechnik an der FH Köln, ins Leben gerufenen Focus RS-Rennprojektes beharrlich anhaftet. Denn wer einen Ford-Renntruck mit übergroßem Werkstattzelt im Fahrerlager stehen hat - so die durchaus legitime Annahme - und beim legendären 24h-Rennen mit einem Rallye-Werkspilot (namentlich Jari-Matti Latvala) antritt, tut dies gewiss nicht ohne Hilfe des Herstellers.

Stimmt - zumindest partiell. Ford hat das Projekt in der Tat gefördert. Die praxisnahe Ausbildung zukünftiger Ingenieure muss einem weltweit tätigen Automobilbauer am Herzen liegen. Wenn das europäische Headquarter dann noch im westlichen Deutschland liegt und direkt um die Ecke ein Professor nach dem Rückzug des lange Zeit im Motorsport aktiven japanischen Herstellers Honda nicht weiß, wohin mit seinen Motorsport-affinen und -erfahrenen Studenten, scheint die Gründung einer "Rheinischen Allianz" mit Epi-zentrum Köln naheliegend - in der Theorie zumindest.

Distanz zwischen Theorie und Praxis

In der Wirklichkeit klafft zwischen Theorie und Praxis dann aber meist doch eine erhebliche Lücke. Ein Auto gibt es - jedenfalls für die Straße. Es ist zu haben, aber wann, wie und wo? Und wer bezahlt‘s? Und wenn es da ist? Dann muss es umgebaut werden. Das kostet. Erste Hochrechnungen erweisen sich schnell als ungenügend. Geld gibt es, dank treuer Sponsoren, aber beileibe nicht genug. Eine unlösbare Formel, ein mathematisches Problem. Rennsport ist so - das Budget wird stets gesprengt.

So lange ein Hersteller sich klar zum Motorsport bekennt und eine entsprechende Abteilung sein Eigen nennt, ist das zwar unangenehm, aber nicht fatal. Was aber tun, wenn das Unternehmen sich offiziell aus dem Rundstreckensport zurückgezogen und alle diesem Zweck dienenden Strukturen aufgelöst hat, um sich einzig und allein auf die Rallye-WM zu konzentrieren?
Dann wird es schwer. Dann will man, kann aber nur selten und muss ein ums andere Mal Abstriche machen. Also: kein Leichtbau, wenig Karbon, kein sequenzielles Renngetriebe. Dafür aber Manpower im Übermaß und mindestens ebenso viel Motivation und Technikbegeisterung.

Motorsport ist eine willkommene Abwechslung

„Das Studium ist ziemlich theoretisch, da ist der Motorsport eine willkommene Abwechslung, bringt der alte und neue Baugruppenleiter Elektrik und Systeme des studentischen Teams, Sebastian Henn, seine Beweggründe für die Vielzahl an Nachtschichten in der FH-eigenen Werkstatt und den wiederholten Verzicht auf jedwede Wochenend-Freizeit auf den Punkt.

Der gebürtige Pole Bartholomäus Pasionek, von seinen Mitstreitern kurz Barti genannt, hat seinen von Kindheit an bestehenden Berufswunsch Fahrzeug-Ingenieur gar explizit aus diesem Grund unbedingt an der FH Köln verwirklichen wollen: „Ich habe schon vor der Einschreibung vom Team FH Köln Motorsport gehört und mich über das Projekt informiert. Für mich stand fest, ich muss an die FH und dem Team beitreten, da ich hier die Chance sah, aktiv Motorsport zu betreiben.“

Das Focus-Projekt hat der ehemalige VWL-Student von Anfang an begleitet. Seit diesem Jahr firmiert der blonde Fels in der Brandung als Leiter Karosserie. Eine Aufgabe, die ihn vor wenigen Wochen gemeinsam mit seinem das Gesamtfahrzeug verantwortenden Landsmann Adam Radkowski, dem alten und neuen Leiter Antrieb Gernot Ludwigs, dem neuen Team-Manager François van Endert, dem seit 2011 für das Fahrwerk und die Performance des Renn-RS zuständigen gelernten Kfz-Mechatroniker Benjamin Schäfer und Vereinsgründer Professor Frank Herrmann in den Windkanal des Ford Entwicklungszentrums Köln-Merkenich trieb.

Es galt die wiederholt aufgetretene Frage nach dem Für und Wider eines geschlossenen Unterbodens nebst Diffusor zu beantworten. Materiell und ideell unterstützt die Deutschland-Dependance des amerikanischen Herstellers das Studenten-Team nämlich nach wie vor. Nur finanziell galt es die Ressourcen anno 2011 auf das neue Focus Straßenmodell zu konzentrieren.

Ford Focus RS im Windkanal

Nach rund acht Stunden Arbeit und zahlreichen Messungen mit und ohne Unterboden, verschiedenen Flügel- und Splitterkonfigurationen ist folgendes klar: Der obere Kühlergrill mit der integrierten Ford-Pflaume kann geschlossen werden, da er kaum durchströmt wird. Das kommt dem cW-Wert und dem Abtrieb vorn zugute. Ein Guerney auf dem Heckflügel verschlechtert die Balance, ein geschlossener Unterboden kostet Abtrieb an der Vorderachse, ohne den Luftwiderstand des Autos nennenswert zu verbessern.

Das Team lernt - und das ist letztendlich die primäre Aufgabe des Studentenprojekts:  Vieles, was professionell aussieht und daher im höchsten Maße erstrebenswert scheint, zeigt unterm Strich keine wirklich positive Wirkung. Das Mehrgewicht von rund 30 Kilogramm würde die Vorteile der cW-Wert-Verbesserung auffressen - Kosten und Thermikprobleme noch gar nicht mitgezählt.

Solche und ähnliche Erfahrungswerte sind es, die die Absolventen der FH Köln zum begehrten Nachwuchs der vom Fachkräftemangel gebeutelten Automobil-Industrie machen. So hat beispielsweise der im letzten Jahr für Fahrwerk und Performance des Renn-Focus verantwortlich zeichnende Ulf Stiegen inzwischen im Bereich Vehicle Integration bei Ford angedockt.

Ex-Team-Manager und Noch-Student Jan Derenbach ist beim 24h-Rennen 2011 in der Box von Schnitzer BMW zu finden, wo er seit Beginn des Jahres dem Team um Charly Lamm zur Hand geht. Und über die Kompetenz von FH Köln-Absolvent Nicki Räder muss streng genommen kein Wort mehr verloren werden. Er hat Ende vergangenen Jahres im Auftrag der Audi quattro GmbH jenen TT RS an den Start gebracht, der seitdem in der Klasse SP4T die unumstrittene Referenz darstellt und zeigt, was mit rückhaltloser Werksunterstützung und konsequentem Leichtbau mit Frontantrieb und 380 Pferdestärken alles möglich ist.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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