Prototypen-Vergleich in der WEC
Alle Trümpfe in Toyotas Hand

Erstmals seit 2017 messen sich bei den diesjährigen 24h von Le Mans mehrere namhafte Hersteller, die um den Gesamtsieg kämpfen wollen. Doch allzu große Hoffnungen sollten sich alle außerhalb des Toyota-Lagers nicht machen. Das zeigte der WEC-Auftakt in Sebring, als die Japaner die Muskeln spielen ließen.

Toyota GR010 Hybrid - WEC-Überblick
Foto: Motorsport Images

Noch zwei Monate, noch zwei Rennen. Dann feiert Le Mans das 100-jährige Bestehen des 24-Stunden-Rennens. In Portimão am kommenden Wochenende und zwei Wochen darauf in Spa (27.–29.4.) haben die Teams die letzte Chance, ihre Autos im Rennen auf den Klassiker vorzubereiten. Fünf Hersteller bringen dieses Jahr ihre Renner voller Hoffnungen an die Sarthe.

Die Fans träumen von einem offenen Kampf um den Gesamtsieg. Der dürfte bei normalem Rennverlauf jedoch weniger spektakulär ausfallen als gewünscht. Primus Toyota hält die Zügel fest in der Hand. Das zeigten die Japaner Mitte März beim WEC-Saisonauftakt in Sebring. Erstmals kreuzten dort die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte LMH und LMDh die Schwerter. Toyota, Ferrari und Peugeot mit Hypercars, während Cadillac und Porsche ihre LMDh-Renner nach Florida schickten.

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Ferrari mit Debüt-Pole

Auf der Buckelpiste zeigte vor allem Ferrari, dass den Italienern mit dem 499P ein guter Wurf gelungen ist. Antonio Fuoco stellte den LMH-Renner auf die Pole-Position – vor den beiden Toyota. Wer aber mit einem offenen Kampf um den Sieg rechnete, wurde zügig eines Besseren belehrt. Zum einen riss sich Ferrari mit Boxenstopps in einer Safety-Car-Phase zu Rennbeginn selbst aus der Spitzengruppe, zum anderen war über die zwölfstündige Renndistanz kein Kraut gegen Toyota gewachsen.

Ferrari 499P - WEC-Überblick
Ferrari
Antonio Fuoco stellte den Ferrari 499P beim Debüt direkt auf die Pole-Position.

Gerade hinsichtlich des Reifenmanagements war der GR010 Hybrid dem 499P überlegen. Das wusste Technikchef Ferdinando Cannizzo bereits vor Rennstart: "Uns war klar, dass die Toyota im Rennen bei der Reifennutzung einen Vorteil haben werden." So kam es auch. Am Ende landete der schnellere der beiden Ferrari hinter den Toyota auf Rang 3. Das Auto hat Potenzial, doch hinsichtlich Strategie, Boxenstopps, Reifennutzung und Reichweite können die Italiener (noch) nicht mithalten. Die Abläufe müssen sich erst einspielen. In Summe resultierte das in zwei Runden Rückstand.

Das ist wenig verwunderlich, schließlich fährt Toyota bereits in der dritten Saison mit dem GR010 Hybrid. Das Team hat viel Erfahrung mit dem Rennwagen, und die kann man bekanntlich nicht kaufen. Dazu kommen in den vergangenen Wintern zwei Evolutionen am Auto, die den Toyota gegen die Werkskonkurrenz zur Messlatte im Feld machen. In allen Belangen waren die Japaner der Konkurrenz in Sebring überlegen. Das auf die Balance of Performance (BOP) zu schieben, wäre zu einfach gedacht. Toyota hat den besten Job gemacht.

Für die Truppe zählt in Le Mans nur der Sieg. Es wäre der sechste Gesamterfolg en suite. Um die Konkurrenz kümmert sich Toyota dabei weniger, wie Teamchef Rob Leupen selbstbewusst sagt: "Wir wollen in Le Mans jedes Jahr siegen, immer. Da spielt es eine untergeordnete Rolle, wer die Gegner sind, denn zuerst musst du mal dein Rennen fahren und alles dafür tun, dass du gewinnen kannst. Da schaut man weniger auf die Konkurrenz als primär auf sich selber."

Peugeot-Debakel

Vor dem Letzten aus dem Hypercar-Trio muss sich Toyota aktuell nicht fürchten. Peugeot war in Sebring das schwächste aller Werksteams. Unzuverlässig und langsam – die schlimmste aller Kombinationen im Motorsport. Die Zeit für die Franzosen drängt. Der erste 9X8 humpelte bereits in der Formationsrunde zurück an die Box: Schaltprobleme. Das Schwesterauto erlitt dasselbe Schicksal. Getriebe und die Schaltbetätigung harmonieren auch nach tausenden Testkilometern und vier Renneinsätzen nicht. Technikchef Olivier Jansonnie bestätigte zwar, dass Peugeot eine neue Schaltbetätigung in Florida einsetzen wollte, das aber kurzfristig abblies.

Peugeot 9X8 - WEC-Überblick
xpb
Der Peugeot 9X8 überzeugte in Sebring weder beim Speed noch bei der Zuverlässigkeit.

Doch selbst wenn die Franzosen ihre Zuverlässigkeit in den Griff bekommen sollten, hapert es auch am Speed des Hypercars. In Sebring begründete Peugeot das mit dem ungewöhnlichen Fahrzeugkonzept. Der 9X8 fährt ohne Heckflügel, das Setup-Fenster ist klein und schwer zu treffen, die Buckelpiste verkomplizierte das zusätzlich. Außerdem hatte Peugeot noch nie in Sebring getestet. Werksfahrer Nico Müller stieß ins selbe Horn: "Wir waren zum ersten Mal auf dieser extrem buckligen Piste, ohne jeden Test – da war es schwer, eine gute Abstimmung zu finden." Das mögen alles plausible Erklärungen für die bescheidene Performance sein, doch letztendlich enttäuschten die Franzosen. Die selektive Strecke in Florida zeigte Peugeots Probleme mit dem 9X8 schonungslos auf.

Eine schnelle Änderung des Aerodynamik-Konzepts bis Le Mans wird es nicht geben. Peugeot müsste ein neues Auto bauen. Ob man die Getriebeprobleme samt Schaltbetätigung vor dem Klassiker löst, muss infrage gestellt werden. Zumindest sollte Peugeot in den nächsten Rennen in Portimão und Spa einen deutlichen Schritt nach vorne machen. Sowohl beim Speed als auch bei der Zuverlässigkeit. Sonst dürfte das Heimspiel in zwei Monaten zur Enttäuschung werden.

Cadillac flotter als Porsche

Konkurrent Cadillac dürfte im Gegensatz zu Peugeot eine breite Brust haben. Die US-Amerikaner haben mit dem V-Series.R einen sowohl schnellen als auch standfesten Renner auf die Räder gestellt. Cadillac schickte nur einen Rennwagen nach Sebring. Der beste Doppelstint Cadillacs lag fast auf Toyota-Niveau. Den anderen Autos schenkte der GR010 Hybrid bei den flottesten Doppelstints eine Sekunde pro Runde ein. Am Ende sprang hinter den Toyota und dem ersten Ferrari der vierte Platz heraus. Das Kräftemessen mit dem LMDh-Widersacher Porsche entschied Cadillac klar für sich. Die Stuttgarter hatten keine Chance gegen die US-Boys. Beiden 963 fehlten im Ziel zwei Runden auf den einzigen V-Series.R, auf die beiden Toyota waren es gar vier Umläufe.

Porsche 963 - WEC-Überblick
Porsche
Porsche hinkt LMDh-Konkurrent Cadillac aktuell hinterher.

Die Probleme sind vielschichtig. Roger Penskes WEC-Truppe fand sich erst wenige Wochen vor dem Saisonauftakt zusammen. Zu erwarten, alles würde bereits reibungslos ablaufen, wäre vermessen. Der Porsche 963 stellte das Team zusätzlich vor einige Probleme. Die heikle Abstimmung in Sebring bereitete Kopfzerbrechen. Sowohl beim WEC-Rennen als auch dem IMSA-Lauf einen Tag später war der 963 ein diffizil zu fahrendes Auto. Das Brake-by-Wire-System verstellte sich offenbar bei der Bremsrekuperation. Zu viel Kraft ging auf die Vorderachse, das Heck wurde leicht und das Pedalgefühl indifferent. Das Selbstvertrauen der Fahrer ging flöten und damit auch gute Rundenzeiten – ein Teufelskreis.

Die Doppelstints waren im Rennen nicht auf dem Niveau des LMDh-Gegners Cadillac. Immerhin zuverlässig liefen die Porsche 963 in den zwölf Stunden. Lediglich ein Problem mit der Servolenkung kostete einen Wagen Zeit. Im Ziel lagen die rot-weißen Autos auf den Rängen 5 und 6.

Safety Car verschleiert

Das IMSA-Rennen am gleichen Ort unter ähnlichen Bedingungen sah zwar einen Porsche im Kampf um den Sieg, doch die Wahrheit verschleierte den Rennverlauf. Die Safety-Car-Phasen spielten Porsche in die Karten. Die bereits herausgefahrenen Vorsprünge der Konkurrenz machte das Safety Car jedes Mal konsequent zunichte. Porsche durfte immer wieder zu Cadillac und den lediglich in der IMSA startenden Acura und BMW aufschließen. Die WEC löst solche Gelbphasen lieber mit Full-Course-Yellow. Das friert die Abstände ein und ist transparenter – aber auch weniger spektakulär.

In Portimão und Spa haben Ferrari, Porsche, Cadillac und Peugeot noch zwei Chancen, Toyota zu verunsichern. Dennoch: Alles andere als ein Toyota-Sieg in Le Mans wäre eine Überraschung. Doch die gab es oft genug – gerade bei Toyota.