Wie sich Nissan in Le Mans blamieren will
"Wir zählen keine Tweets, sondern Runden"

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Marcus Schurig über den bisherigen Nichtauftritt von Nissan in der Sportwagen-WM und den zu erwartenden sportlichen Nichtauftritt beim 24h-Rennen in Le Mans.

Nissan GT-R LM Nismo - Le Mans-Vortest 2015
Foto: xpb

Bei Nissan weiß man immer sofort, woran man ist. Trägt zum Beispiel ein Nissan-Rennwagen die Startnummer 23 (japanisch: Ni(ju)San), so ist dieses Fahrzeug immer das Topauto, auserkoren für den Sieg oder den Meisterschaftstitel oder die besten Ersatzteile. Klare Fronten also, da muss man nicht lange raten.

Nissan bringt Hybridsystem nicht ins Laufen

Beim 24h-Rennen in Le Mans 2015 soll auch das Rätselraten um den Nissan-LMP1 beendet sein: Die skurrilen Batmobile mit Frontmotor und Frontantrieb werden in der Startaufstellung stehen, verspricht der ACO, aber das hatte man mir auch im Januar gesagt, als es um die Frage ging, ob die Nissan beim WM-Saisonauftakt in Silverstone starten werden.

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Das Rätselraten um die Hybridklasse, in der die drei Nissan GT-R LM Nismo starten, ist ebenfalls gelüftet: nicht 8, auch nicht 6 oder 4 MJ, sondern 2 – aber eigentlich 0. Wie das? Ein Hersteller muss laut Reglement mit Hybridpower antreten, das ist sozusagen die qualitative Mindestanforderung für einen LMP1-Werkseinsatz. Blöd nur, dass das Hybridsystem nach wie vor nicht läuft. Noch blöder, dass das ursprünglich für 8 MJ entwickelte System seinen Boost von mehreren 100 PS an die Hinterachse abgeben sollte, aber auch das funktioniert nicht, weil das entsprechende Differenzial nicht funktioniert.

Das ganze Konzept – die Leistung des Verbrennungsmotors wandert an die Vorderachse, der Hybridboost an die Hinterachse, womit ja auch die anzunehmende Untersteuerneigung des Fronttrieblers am Kurvenausgang kuriert werden sollte – ist also zum Luftschloss geworden, in dem niemand mehr wohnt.

Nissan will was beweisen?

Weil 8 MJ nicht funktionierte, überhitzten die Bremsen massiv, da das Hybridsystem sozusagen mitbremst. Ergo mussten die Vorderräder vergrößert werden, um mehr Platz für größere Bremsscheiben zu schaffen. Der nun flachere Reifen verträgt aber schon kaum den Energieeintrag vom Verbrennungsmotor (und vom Bremsen und vom Lenken). Käme jetzt noch der Boost vom Hybridsystem drauf, dann hielte der Vorderreifen wohl nur vier Kurven.

Projektbeteiligte erzählen, dass man daher in Le Mans offiziell in der 2-MJ-Klasse fährt, denn es ist ja ein Werkseinsatz, in Wahrheit wird man aber ohne Hybridpower an den Start gehen. Sollte das so sein, müsste man mal die Frage stellen, ob die erste jemals gefahrene Le-Mans-Rennrunde mit rein elektrischem Antrieb (Nissan ZEOD 2013) eventuell gar nicht rein elektrisch war?

Zweitens käme Nissan 2015 mit drei LMP1-Werkswagen nach Le Mans, um was zu beweisen? Dass sie Hybrid nicht können? Dafür hat man kolportiert 40 Millionen Euro Budget verbraten. Und da hilft es auch nichts, wenn man mit dem kuriosen Fahrzeugdesign eher motorsportfremde Menschen auf Online-Plattformen ansprechen will. LMP1 ist ein Kriegsplatz für Technologie, daher zählen wir keine Tweets – sondern Runden.

Tapfer sind sie, die Nissan

Es ist wirklich fast bewundernswert, dass Nissan überhaupt nach Le Mans kommt, wenn sie denn kommen. Mit einem Auto, das noch nie ein Rennen bestritten hat. Mit einem Team, das noch nie ein Rennen bestritten hat. Mit 3.000 Testkilometern auf dem Buckel, wo andere Hersteller 40.000 abgebolzt haben. Auf eine Strecke, wo laut Nissan-Simulation dieses Jahr Topspeeds von über 360 km/h anliegen könnten. Das ist schon sehr mutig und tapfer. Hoffentlich geht es nicht schief.