Torque-Split-System im Audi RS3 (8Y)
So funktioniert die Technik des Topmodells

Der Audi RS3 bekommt eine aktive Momentenverteilung für die Hinterachse – serienmäßig. Drifts funktionieren jetzt auf Knopfdruck. Und aus dem Stand.

Die Torque-Split-Technik des neuen Audi RS 3.
Foto: Audi

Während die anderen Allradvarianten des Audi A3 mit der sechsten Generation des Haldex-Systems (Hinterachsdifferenzial und Lamellenkupplungspaket) ausgerüstet sind, bekommt das Topmodell RS3 als Alleinstellungsmerkmal in der Baureihe jetzt ein Toque-Split-System für die Hinterachse. Das System verteilt, je nach Einstellung und Bedarf, die Antriebsmomente zwischen rechtem und linkem Hinterrad – zwischen null und 100 Prozent.

Mehr Arbeit für das kurvenäußere Hinterrad

Die Torque-Split-Technik erhöht die Fahrstabilität. Bei heftiger Kurvenfahrt gelangt mehr Kraft zum kurvenäußeren Hinterrad, was die Neigung zum Untersteuern stark reduziert. Bei Geradeausfahrt bekommen beide Räder die gleichen Antriebskräfte. Erfolgt ein Lenkimpuls, ist auf Knopfdruck ein Drift möglich – dann wandert die komplette Kraft (1.750 Newtonmeter) an ein Hinterrad. Audi weist darauf hin, dass diese Driftfunktion ausschließlich für abgesperrte Strecken gedacht ist.

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Die Torque-Split-Technik des neuen Audi RS 3.
Audi
Bis zum hinteren Ende der Kardanwelle bleibt der Antriebsstrang des RS3 weitgehend unverändert.

Am Ende der Kardanwelle beginnen die Unterschiede

Dabei hat sich am Antriebsstrang bis zum Ende der Kardanwelle im Vergleich zum Vorgänger nicht viel geändert, wie uns RS3-Fahrwerk-Entwickler Meic Diessner erklärt. Die Momente kommen vom Motor, gelangen über das Getriebe zum Mittendifferenzial und über die Kardanwelle nach hinten – gleichzeitig wandern Antriebsmomente auf die beiden vorderen Antriebswellen. Die Ingenieure haben nur den Winkeltrieb verstärkt, da der Motor jetzt 500 statt 480 Newtonmeter Drehmoment liefert. Die großen technischen Änderungen beginnen erst hinter der Kardanwelle.

Die Torque-Split-Technik des neuen Audi RS 3.
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Der Torque Splitter ist in die Hinterachse integriert.

Keine Haldex-Kupplung mehr

Dort saß beim Vorgänger die Haldex-Kupplung von der die Momente zum Differenzial gingen. Die Haldex-Kupplung und das Hinterachs-Differenzial haben die Ingenieure beim neuen RS3 gegen den mit zwei Lamellenkupplungen arbeitenden Torque Splitter ersetzt. Die Kräfte wandern jetzt über ein Tellerrad nach rechts und links, die jeweilige Lamellenkupplung schaltet die rechte oder linke Antriebswelle bedarfsgerecht zu. Dabei ist die Vorderachse immer mit angetrieben – wenn sie nicht mehr genügend Momente übertragen kann, geht die Antriebskraft nach hinten, maximal liegen 50 Prozent der Antriebskräfte an der Hinterachse an.

Die Torque-Split-Technik des neuen Audi RS 3.
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Die neue Technik sitzt am hinteren Ende der Kardanwelle.

Drei angetriebene Räder fürs Giermoment

Die aktive Verteilung der Momente zwischen rechtem und linkem Hinterrad sorgt für ein besonders agiles Kurvenverhalten – schließlich erzeugen drei angetriebene Räder ein heftiges Giermoment, also eine Eindrehung um die vertikale Achse. Im Fahrmodus Efficiency bleiben allerdings die beiden Lamellen-Kupplungen ab zirka 100 km/h bei Geradeausfahrt offen – weil diese Art des "Segelns" Energie spart. Sobald der Fahrer aber schnell lenkt, mit dem Gaspedal spielt, den Gang per Hand einlegt oder in den S-Schaltmodus wechselt, schaltet sich der Allradantrieb wieder zu, betont Diessner. Schließlich kann es sein, dass der Fahrer jetzt überholen möchte – dafür soll ihm der Allradantrieb natürlich wieder zur Verfügung stehen.

Die Regelungen laufen dabei blitzschnell ab: Die Lamellen-Kupplungen schließen sich innerhalb von 180 Millisekunden soweit, dass sie 90 Prozent der Kraft übertragen.

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Je eine Lamellen-Kupplung schaltet die rechte oder linke Hinterachs-Antriebswelle bedarfsgerecht zu.

Neuer modularer Fahrdynamikregler

Die Verteilung der Momente zwischen rechts und links erfolgt jeweils über eine mit einem eigenen Steuergerät ausgerüstete Lamellenkupplung. Beide Steuergeräte beziehen ihre Daten von den ESP-Raddrehzahl-Sensoren. Außerdem gehen Daten über die Längs- und Querbeschleunigung, den Lenkwinkel, die Gaspedalstellung, den gewählten Gang und den Gierwinkel (Drehbewegung um die Hoch- oder Vertikalachse) in die Berechnung der Antriebsmomentverteilung mit ein. Vernetzt sind die beiden Steuergeräte über den modularen Fahrdynamikregler (mFDR), der in einfacherer Form auch im S3 und den A3-Modellen im Einsatz ist. Da das ESP-Steuergerät das schnellste Steuergerät im RS3 ist, haben die Entwickler den mFDR dort reingesetzt.

Die Torque-Split-Technik des neuen Audi RS 3.
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Die beiden Stellmotoren sind jeweils mit einem eigenen Steuergerät ausgerüstet. Die Arbeit der Steuergeräte koordiniert der neue modulare Fahrdynamikregler (mFDR), der wiederum im ESP-Steuergerät sitzt.

Bei Bedarf Kraft fürs kurveninnere Rad

Das bedarfsgerechte Beschleunigen des kurvenäußeren Hinterrades unterdrückt nicht nur Untersteuern, sondern es ermöglicht auch ein präziseres und kontrollierbareres Fahren in der Kurve sowie ein schnelleres Beschleunigen am Kurvenausgang. Übersteuern fängt das Torque-Split-System ebenfalls ab – indem es das kurveninnere Rad beschleunigt.

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Das Öffnen und Schließen der Kupplungen ist ein kontinuierlicher Regelungs-Prozess.

Sieben Fahrmodi

Torque Split agiert je nach dem vorgewählten Fahrmodus verschieden – und es gibt mit Efficiency, Comfort, Auto, Dynamic, RS Individual, RS Performance und RS Torque Rear sieben Modi. Torque Rear ist der bereits oben erwähnte Driftmodus für abgesperrte Strecken – in diesem Modus kann der Fahrer den Wagen aus dem Stand im Kreis drehen, unterstreicht Diessner die Potenz des Torque Splitters.

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Auch bei der RS3 Limousine bietet Audi den Torque Splitter serienmäßig an.

Komplette dynamische Kurve mit Torque Split

Der Ablauf der Torque-Splitter-Regelung bei einer dynamischen Kurvenfahrt beginnt mit dem Einbremsen in die Kurve. Beim Bremsen und Einlenken sind die beiden Lamellen-Kupplungen offen – der Wagen soll möglichst lastfrei in die Kurve gelangen. Stellt das System fest, dass der Wagen ausbrechen könnte, beschleunigt es das kurveninnere Rad. Wenn die Bremsung beendet ist, schließt sich die entsprechende Lamellen-Kupplung, um das kurvenäußere Rad zu beschleunigen. Beim Vorgänger bremste noch das Torque-Vectoring-System, also die radselektive Momentensteuerung, das kurveninnere Rad ab. "Wir benutzen jetzt nicht mehr die Bremse: Wenn der Kunde das Gaspedal tritt, beschleunigen wir auch!" freut sich Diessner über das durch den Torque Splitter ermöglichte neue Dynamik-Level. Allerdings gibt es die radselektive Momentensteuerung weiterhin. Auch ihre Steuerung übernimmt der modulare Fahrwerksregler. Beim neuen RS3 sorgt Torque Vectoring zum einen für Feinsteuerungen und zum anderen hilft es, Kräfte durch das Abbremsen eines Vorderrades Richtung Hinterachse zu schieben.

Den Torque Splitter hat Audi selbst entwickelt und mit einer eigenen Software versehen, die Herstellung übernimmt Zulieferer Magna.

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Der Antriebsstrang des Audi RS3: Vorn der 2,5-Liter-Fünfzylindermotor mit 400 PS, hinten der Torque Splitter.

Fahrer soll verschiedene Modi deutlich spüren

Die per Drive Select ausgewählten Fahrmodi Efficiency, Comfort, Auto, Dynamic, RS Individual, RS Performance und RS Torque Rear beeinflussen nicht nur den Torque Splitter, sondern zusätzlich das Motor- und Getriebekennfeld, die Lenkunterstützung, die adaptiven Dämpfer und die Regelung der Abgasklappen. Die genannten Fahrmodi so zu gestalten, dass jeder Fahrer jeden Modus auch herausfährt, also die Unterschiede der Modi deutlich spürt – und das nicht nur im Grenzbereich, sondern auch beim normalen "Rumrollen", war den Ingenieuren am wichtigsten, betont Fahrwerk-Entwickler Meic Diessner.

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Ja, eine deutlich verbesserte Agilität gegenüber den anderen A3-Modellen finde ich genau richtig.Nein, das Troque Vectoring hätte weiterhin vollkommen ausgereicht.

Fazit

Seinen neuen RS 3 hebt Audi so deutlich von der restlichen A3-Modellpalette ab wie nie zuvor. Und zwar nicht über die schiere Motorleistung, sondern über ein in der A3-Baureihe einzigartiges Fahrwerk – der Allradantrieb des Topmodells ist dank Torque Splitter in der Lage, die Antriebskräfte aktiv zwischen rechtem und linkem Hinterrad zu verteilen. Das Beschleunigen des kurvenäußeren Hinterrades sorgt für ein deutlich agileres Kurvenverhalten. Ein eventuelles Ausbrechen verhindert hingegen das bedarfsgerechte Beschleunigen des kurveninneren Hinterrades. Die Berechnung der dafür notwendigen Regelungen übernimmt der neue modulare Fahrdynamikregler, der im schnellen ESP-Steuergerät sitzt.

Der neue RS 3 bietet dem Fahrer sieben Fahrmodi – alle beeinflussen das Verhalten des Torque Splitters. Laut Audi soll jeder Fahrer auch schon bei normaler Fahrt die Unterschiede der verschiedenen Modi deutlich spüren.