Neuer Mercedes S 680 Guard 4-Matic
Mit V12, VR 10 und Allrad gegen Handgranaten

Mercedes ergänzt die S-Klasse um den S 680 Guard 4-Matic, dessen Panzerung der Beschussklasse VR 10 genügt und somit sogar dem Beschuss mit Sturmgewehren trotzt. Den Antrieb des 4,2-Tonnen-Panzers übernimmt der V12-Biturbo aus dem Maybach über alle vier Räder.

Mercedes S 680 Guard 4-Matic
Foto: Stefan Baldauf

Die Redewendung "auf Nummer sicher gehen" kommt eigentlich von "auf Nummer Sicher sitzen". Die "Nummer Sicher" ist ursprünglich die Gefängniszelle eines Verbrechers, in der Bösewichte auf lange Zeit sicher verwahrt werden können. Beim neuen S 680 Guard 4Matic ist es genau umgekehrt: In ihm sitzen keine Verbrecher, sondern Politiker oder VIP, die ein hohes Risiko tragen, von Kriminellen angegriffen zu werden, die nicht einsitzen. Aber was den Schutz gegen Angriffe mit Handgranaten oder Scharfschützengewehren anbelangt, können Käufer des gepanzerten Luxusliners wirklich auf Nummer Sicher gehen – oder besser auf Nummer Sicher fahren.

Unsere Highlights

Die G-Klasse hat ausgedient

Bereits seit 1928 mit gepanzerten Sonderfahrzeugen ab Werk im Geschäft hatte Mercedes lange Zeit auch seine gepanzerte G-Klasse im Angebot. Als Begleitfahrzeug von Personenschutzkolonnen und Schutzmodell für Armeen und Spezialeinsatzkommandos machte sie sich einen Namen. In jüngster Zeit setzt Daimler mehr und mehr auf seine S-Klasse: 2014 erschien etwa der S 600 Guard, welche bereits enorm hohen Schutz für ihre Insassen bot. Nun legt Daimler eine weitere Panzerversion der aktuellen S-Klasse nach: Mit einem Schutzkonzept, das die Voraussetzungen der höchsten ballistischen Prüfstufe für Zivilfahrzeuge VR 10 erfüllt. Und das Erfüllen ist gar nicht so einfach, weil das Beschussamt Ulm, das die Schutzklasse zertifiziert, seine Prüfverfahren teilweise geheim hält.

S 680 Guard 4Matic
Mercedes-Benz
Der längst überfällige Allradantrieb bringt neuerdings die 612 PS des V 12-Turbotriebwerks aus dem Maybach auf die Straße.

S-Klasse mit harter Schale

Das bedeutet, dass zukünftigen Insassen weder ein Kugelhagel aus Sturmgewehren mit Stahlhartkern-Munition noch entsprechende Sprengladungen etwas anhaben werden. Erstmals wurde ein spezifischer Panzerrohbau aus Schutzelementen entwickelt, der den Innenraum zu einer maximal geschützten Zelle werden lässt – also doch ein Gefängnis? Nein, denn es ist den Entwicklern gelungen, der S 680 Guard 4-Matic von außen wie eine ganz normale S-Klasse aussehen zu lassen. Man muss also schon genau hinsehen, um die armdicken Fensterscheiben – zusätzlich ausgestattet mit einem Polycarbonat-Splitterschutz auf der Innenseite und einem hydraulischen Notfensterheber – oder die Reifen mit Pax-Notlaufsystem von Michelin zu erkennen.

Mercedes S 680 Guard 4-Matic
Stefan Baldauf
Gegen Aufpreis gibt es einen Standartenhalter.

Neu: Hilfreiche Tür-Aktuatoren

Eine Neuigkeit im Vergleich zum Vorgänger ist zwar versteckt, aber wichtig: Die schweren Türen arbeiten jetzt mit Servo-Aktuatoren. Wenn die S-Klasse an einem Anstieg steht, lässt sich die gewichtige Tür noch schwerer öffnen als ohnehin schon. So schwer, dass der entsprechende Personenschützer beide Hände braucht, um die Tür zu öffnen – das Sicherheitsprotokoll schreibt meistens vor, dass der im Fahrzeug sitzende Passagier nicht selbst die Tür von innen öffnen darf. Dank der Aktuatoren kann der Bodyguard jetzt auch die Tür an Anstiegen mit nur einer Hand öffnen – und hat die andere für eventuell nötige Verteidigungshandlungen frei. Außerdem sind so die Türlager geschützt, falls das Auto mit schon geöffneter Tür rückartig anhält. Ohne die Aktuatoren besteht die Gefahr, dass die Tür der Trägheit folgt, was wiederum die Türlager beschädigen könnte.

Mercedes S 680 Guard 4-Matic
Stefan Baldauf
Ein Aktuator hilft beim Öffnen und Schließen der Türen und hält sie bei Bedarf in Position. So lassen sich die Türen auch noch mit einer Hand öffnen, wenn das Auto an einer Steigung steht - und der die Tür öffnende Personenschützer hat im Verteidigungsfall noch eine Hand frei.

Mercedes' erste Panzerlimousine mit Allradantrieb

Die zweite Neuigkeit verrät bereits der Name 4Matic: Die neue gepanzerte S-Klasse gibt es ausschließlich mit Allradantrieb. Bisher hat Mercedes seine gepanzerten Limousinen immer mit Hinterradantrieb ausgeliefert. Das waren und sind zwar schwer auf der Straße liegende Fahrzeuge, die aber überraschend agil und gut fahren. Aber gerade in Sachen Agilität auf rutschigen Untergründen sorgt der Allradantrieb noch für ein ordentliches Plus.

Zieht andere Käufe nach

Auch wenn der Preis des S 680 Guard hoch wirkt, dürfte die Gewinnmarge bei diesem speziellen Fahrzeug nicht allzu ausufernd sein. Die S-Klasse Guard sieht zwar aus wie eine S-Klasse, ist aber unter dem Blech ein vollkommen anderes Fahrzeug, was hohe Entwicklungs- und Produktionskosten bedingt. Ein Geschäft wird für Mercedes aus der Signalwirkung des Autos: Wenn ein Staatsoberhaupt so ein Auto fährt, dann weckt das in vielen Ländern Begehrlichkeiten bei wohlhabenden Kunden, ein ähnliches Fahrzeug zu fahren. Und für einen optimalen Schutz kaufen einige Kunden eine gepanzerte S-Klasse und dazu noch zehn ungepanzerte Doubletten – in der Kolonne mit den zum Verwechseln ähnlich aussehenden Fahrzeugen ist das gepanzerte Fahrzeug dann noch schwerer auszumachen.

Mercedes S 680 Guard 4-Matic
Stefan Baldauf
Heckscheibe mit dritter Bremsleuchte und recht und links davon angeordneten Signalleuchten. Viele Kunden bauen sich aber aus Geheimhaltungsgründen Zubehör für zusätzliche Stromanschlüsse oder eben Signal-Flasher selbst ein.

Mit über 500.000 Euro Listenpreis kostet sie so viel wie zwei Maybach.

S 680 Guard 4Matic
Mercedes-Benz
In der als Vier- oder Fünfsitzer bestellbaren Schutzburg sind die Insassen selbst vor einem Kugelhagel aus Sturmgewehren mit Stahlhartkern-Munition oder auch entsprechenden Sprengladungen sicher geborgen.

Weicher Kern mit exklusiven Ausstattungen

Dazu hat sie einige Sonderausstattungen im Repertoire, die sie von einer handelsüblichen S-Klasse deutlich abheben. So verfügen die künftigen Kunden dieser rollenden Schutzburg nicht nur über ein Notfall-Frischluftsystem, das den Innenraum vor Rauch- oder Gasangriffen bewahrt, sondern auch über eine eigene Feuerlöschanlage. Da zu diesen Kunden vermutlich einige Staatsoberhäupter gehören werden, sind bei dem 4,2 Tonnen schweren Vier- oder Fünfsitzer zusätzlich auch Blaulicht und Funk mit an Bord. Mit Rücksicht auf die schusssicheren Reifen werden den 612 PS des 830 Nm starken V12 allerdings bei 190 km/h Einhalt geboten.

S 680 Guard 4Matic
Mercedes-Benz
Mit den Pax-Notlaufreifen kann der Luxusliner auch nach einem Beschuss noch 30 Kilometer lang aus der Gefahrenzone herausfahren.

Steigt Frau Merkel jetzt auf Mercedes um?

Mercedes legt damit einen weiteren Scheit ins Feuer des Kampfes um die sicherste Panzerlimousine, den sich verschiedene Premiumhersteller seit Jahrzehnten liefern. So haben in Deutschland BMW und Audi ebenfalls Panzerversionen ihrer Luxusliner im Angebot wie etwa den ab Werk gepanzerten A8 von Bundeskanzlerin Merkel. Bentley, Volvo oder Jaguar Landrover bieten etwa aktuell mit dem Bentayga, dem Jaguar XJ oder dem Range Rover Sentinel auch gepanzerte Fahrzeuge an, aber sie werden meist von einer Spezialfirma mit der Panzerung nachgerüstet. Und was die ballistische Prüfstufe betrifft, ist der S 680 Guard 4-Matic mit der Schutzklasse VR 10 ihren Kollegen überlegen.

S 680 Guard 4Matic
Mercedes-Benz

Für jeden zu haben mit einem Haken

Der Besitz der aktuell sichersten Serienlimousine der Welt ist jedoch nicht nur VIP vorbehalten. Unter einer Bedingung kann jeder die extra lange und extra sichere S-Klasse kaufen: Für den Fahrer oder die Fahrerin ist aufgrund des hohen Gewichts ein Lkw-Führerschein oder eine vor 1999 erworbene Fahrerlaubnis für Pkw (Klasse III) vonnöten. Und die Produktionszeit beträgt 51 Tage für diese mobile Sicherheitszelle. Aber es bleibt bei einer Zelle für Menschen, die auf Nummer Sicher gehen oder fahren wollen – aber nicht sitzen.

S 680 Guard 4Matic
Mercedes-Benz
James Bond lässt grüßen: Blaulicht und Funk sowie Gegensprechanlage, eine eigene Feuerlöschanlage, zusätzliche Scheinwerfer und ein Notfall-Frischluftsystem zum Schutz vor Gasangriffen gehören zur Bord-Ausstattung.

Fazit

Der S 680 Guard 4-Matic soll selbst gegen Handgranaten immun sein. Das hat seinen Preis, nicht nur in Euro: Für die 4,2 Tonnen muss schon der V12 her, der bei BMW beispielsweise bereits aufs Abstellgleis gerollt ist. Damit sich der schwere Panzer auch abseits asphaltierter Straßen nicht gleich festfährt, hat er zudem Allradantrieb. Gut, dass Mercedes den in der neuen S-Klasse erstmals mit dem V12 kombiniert. Die neuen Tür-Aktuatoren sorgen zudem für einen enormen Sicherheitsgewinn, da sich die schweren Türen jetzt grundsätzlich mit einer Hand öffnen lassen und somit Personenschützer immer ihre zweite Hand für eventuelle Verteidigungshandlungen frei haben.