Mercedes-AMG SL 55 und 63
Power-PHEV mit 1.430 Nm

Die Heimatmarke des SL heißt in der neuen Generation nicht länger Mercedes, sondern AMG. Das soll den sportlichen Anspruch des 2+2-Sitzers unterstreichen. Ab sofort ist auch der SL 55 in Deutschland zu haben. Hier gibt es alle Informationen zum Auto und zu den Preisen.

Mercedes-AMG SL 63 E-Performance
Foto: Mercedes / Patrick Lang

Der Mercedes SL ist eines der wenigen Autos, das in einem Vergleichstest bei auto motor und sport selbst Szene-Größen wie den Porsche 911 gelegentlich auf Platz 2 verweist. Beim letzten Duell sicherten Variabilität und erhöhter Komfort den Titelgewinn – wenn auch nur knapp. Sportlichkeit und Komfort stehen auch bei der neuen 7. Generation des Stuttgarter Originals im Fokus. Sozusagen die Mutter aller automobilen Spagate. Allerdings gibt die neue Heimat der Baureihe einen Hinweis darauf, in welche Richtung sich die Charakteristik verschiebt, denn der SL entsteht künftig unter dem Dach von AMG.

Unsere Highlights

Die Plattform

Die Affalterbacher legen großen Wert darauf, dass der neue SL nicht nur mit seinem Vorgänger, sondern auch mit dem AMG GT Roadster keine Bauteile gemein hat. AMG kombiniert einen Aluminium-Spaceframe und eine selbsttragende Struktur zu einer neuen Roadster-Architektur, die aus einem weiteren Materialmix von Stahl, Magnesium und Faserverbundwerkstoffen besteht. In puncto Torsionssteifigkeit soll der neue SL seinen Vorgänger damit um 18 Prozent übertreffen. Im Vergleich zum AMG GT Roadster fällt die Quersteifigkeit um 50 Prozent und die Längssteifigkeit um 40 Prozent höher aus.

Der um sieben Zentimeter auf eine Gesamtlänge von 4,70 Meter gewachsene AMG-SL fährt als 2+2-Sitzer vor, wobei die hinteren Plätze eher einer Sporttasche als eines erwachsenen Menschen würdig sind. Ein Sprecher verrät uns: "In der Tat ist im Fond bei Personen über 1,50 Meter das Komfort-Ende erreicht." Immerhin lässt sich mit der zweiten Reihe das Ladevolumen des Kofferraums aufstocken, denn trotz des neuen Stoffdachs kommen dort nach wie vor maximal 240 Liter unter. Dafür spart die Konstruktion verglichen mit dem bisherigen Variodach etwas mehr als 20 Kilo und ermöglicht durch den reduzierten Bauraum eben die hinteren beiden Sitze. Fahrfertig kommt der SL je nach Ausführung auf 1.950, beziehungsweise 1.970 Kilo Gewicht. Also über 150 Kilo mehr als bisher.

Mercedes SL Rohbau-Chassis
Daimler
Das aktuelle Alu-Rohbauchassis im Vergleich zum Gitterrohrrahmen des Ur-SL. Bezogen auf den direkten Vorgänger, ist der SL rund 150 Kilo schwerer geworden.

Der Antrieb

Das Mehrgewicht ist unter anderem auf den neuen Antriebsstrang zurückzuführen, denn der SL fährt erstmals mit dem Allradantrieb 4Matic+ vor. Die Momentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse erfolgt vollvariabel, permanent angetrieben ist jedoch nur die Hinterachse. Eine elektromechanische Kupplung verpflichtet die Vorderachse bei Bedarf zur Mitarbeit– entweder auf Grund der vom Fahrzeug ermittelten Untergrundbeschaffenheit und Schlupf-Verhältnisse oder auf Wunsch des Fahrers.

Der bekannte Vierliter-V8 (M177) mit zwei Twin-Scroll-Turboladern liefert die adäquate Power. In der Topversion SL 63 4Matic+ sind das 585 PS und 800 Newtonmeter maximales Drehmoment (476 PS und 700 Nm im SL 55 4Matic+). Die gesteigerte Leistung sind einem höheren Ladedruck, einem größeren Luftdurchsatz und einer modifizierten Motorsteuerung zu verdanken. Drei Kühlkreisläufe temperieren Motor, Lader, Getriebe, Luft, Öl, Heizung und Steuergerät; gebaut werden die Motoren bei AMG in Affalterbach nach dem Prinzip "One Man, One Engine" von einer Person pro Aggregat. Als weitere Variante gibt es den SL bald in Gestalt eines 63 S E Performance – also mit dem elektrifizierten Antriebsstrang aus dem AMG GT 4-Türer. Der stillt den Leistungshunger der Kundschaft mit einem 612 PS starken V8, und einem E-Motor an der Hinterachse als Beilage. Die Systemleistung klettert damit auf mehr als 800 PS, das Systemdrehmoment liegt bei massigen 1.430 Newtonmetern. Offizielle technische Daten gibt es aber erst zur Weltpremiere des potenten PHEV.

Die Kraft der Maschine sortiert das AMG Speedshift MCT 9G Getriebe, in dem eine nasse Anfahrkupplung den Drehmomentwandler ersetzt. Dadurch will AMG das Ansprechverhalten bei Spurt und Lastwechseln verbessert wissen. Für den perfekten Schub aus dem Stand sorgt die "Race Start" getaufte Launch Control. Nach 3,6 Sekunden huscht die Ziffer 100 über den digitalen Tacho, erst bei rund 315 km/h ist Schluss (3,9 Sekunden und 295 km/h Vmax im SL 55 4Matic+). Eingebremst wird die wilde Fahrt von einer neuen AMG-Verbundbremsanlage aus Stahlguss und Aluminium (Serie) oder der AMG-Keramikbremse (optional).

SPERRFRIST 28.11.21 16 Uhr Mercedes-AMG SL 63 4Matic Neuvorstellung
Dino Eisele
Der große SL 63 (hinten im Bild) rennt bis zu 310 km/h schnell. Der kleine Bruder SL 55 (vorne im Bild) bringt es auf 300 km/h Vmax.

Der SL 63 verfügt serienmäßig über sechs unterschiedliche Fahrprogramme, um die eingangs beschriebene Spreizung zwischen Komfort und Dynamik in spürbar differenzierte Häppchen zu unterteilen. Der Pilot kann zwischen Glätte, Comfort, Sport, Sport +, Individual und Race wählen.

Das Fahrwerk

Der große SL 63 erhält ab Werk das AMG Active Ride Control Fahrwerk inklusive Wankstabilisierung. Hier ersetzen semiaktive Hydraulikelemente die mechanischen Drehstab-Querstabilisatoren, um etwaiges Schaukeln in den Kurven zu unterbinden. Zusätzlich erhalten die adaptiven Dämpfer je zwei hydraulische Anschlüsse – einen auf Zug- und einen auf Druckseite. Mit diesem Aufbau will AMG eben jenes große Versprechen einlösen, Komfort und Sportlichkeit in einem Auto zu verbinden. Die Idee: Die hydraulische Verschaltung der Federbeine erlaubt zusammen mit einer Druckregulierung von Pumpe und Stellventilen eine breite Wankfederrate bei gleichzeitig reduzierten Wankbewegungen. Wer Bedarf hat, kann dieses Fahrwerk zudem um die optionale Liftfunktion der Vorderachse ergänzen.

SPERRFRIST 28.11.21 16 Uhr Mercedes-AMG SL 63 4Matic Neuvorstellung
Dino Eisele
Als erstes Serienfahrzeug von AMG trägt der SL eine Raumlenker-Vorderachse mit fünf Lenkern unter dem Bug.

Der kleinere SL 55 erhält das AMG Ride Control Stahlfahrwerk mit adaptiver Verstelldämpfung und auf Wunsch als Option ein elektronisch gesteuertes Hinterachs-Sperrdifferenzial, das der große Bruder sich bereits ab Werk gönnt. Dafür erhalten beide aufpreisfrei eine aktive Hinterachslenkung, die mit maximal 2,5 Grad je nach Tempo gegen- oder gleichsinnig die Hinterräder einschlägt. Damit sinkt beispielsweise der Wendekreis von 13,2 auf 12,1 Meter. Als erstes Serienfahrzeug von AMG trägt der SL 55 eine Raumlenker-Vorderachse mit fünf Lenkern unter dem Bug. Die Konstruktion soll Antriebseinflüsse auf die Lenkung reduzieren – besonders bei hohen Querbeschleunigungen. Dazu kommen neue Leichtbauschraubenfedern, deren Gewicht durch eine spezielle Wärmebehandlung sinkt.

Die Aerodynamik

Auch in puncto Aerodynamik dreht AMG noch eine Runde auf dem Karussell der Effizienzsteigerung. Dabei im Fokus: Das Verhältnis zwischen geringem Luftwiderstand und hohem Abtrieb, beziehungsweise geringem Auftrieb. Deshalb erhält der Unterboden eine großflächige Verkleidung und der aktive Heckspoiler gleich sechs unterschiedliche Einstellungen. Über die großen Einlässe in der Frontschürze gelangt der Luftstrom zudem präziser an Kühler und Bremsen.

Wem das nicht reicht, der darf ein Kreuzchen bei den Sonderausstattungen machen. Ein optionales Aero-Paket bringt größere Flics an den Stoßfängern vorne und hinten, ein aktives Aeorprofil an der Vorderseite des Unterbodens und einen größeren Heckdiffusor mit.

SPERRFRIST 28.11.21 16 Uhr Mercedes-AMG SL 63 4Matic Neuvorstellung
Dino Eisele
Den großen Touchscreen inklusive der neusten MBUX-Version kennen wir schon aus der S-Klasse. Im SL wird die Software um einige AMG-spezifische Anzeigen erweitert.

Das Interieur

Fahrer und Beifahrer nehmen serienmäßig auf elektrisch verstellbaren Sportsitzen Platz, können auf Wunsch aber auch auf AMG Performance Gestühl upgraden. Das ist dann zwar spürbar straffer, aber immer noch ausreichend bequem und selbst Menschen mit einem Body Mass Index nördlich der 26 müssen keine Quetschungen fürchten und können beherzt ins Lenkrad greifen. In ein AMG Performance Lenkrad, um es genau zu sagen. Warum AMG in der Pressemitteilung zum SL von einem "Hyperanalogen Cockpit" spricht, lässt sich beim direkten Fahrzeugkontakt nicht abschließend klären. Die Instrumente sind volldigitalisiert, in der Mitte sitzt der große Touchscreen samt aktueller MBUX-Version, wie wir das bereits aus der neuen S-Klasse kennen. Ziemlich digital, wenn Sie uns fragen.

Gestalterisch können Sie sich im gewohnten AMG-Ausmaß verwirklichen. Leder, Alcantara, Karbon oder Holz – der Innenraum lässt sich betont sportlich oder betont luxuriös auskleiden. Ob Sie am Steuer des AMG-SL so jederzeit einen kühlen Kopf bewahren, wissen wir auch nicht. Bei Bedarf behalten Sie aber jederzeit einen warmen Kopf, denn die Kopfraumheizung Airscarf gehört zur Standard-Ausrüstung beider SL-Varianten.

SPERRFRIST 28.11.21 16 Uhr Mercedes-AMG SL 63 4Matic Neuvorstellung
Dino Eisele
Ein 2+2-Sitzer? Theoretisch ja, allerdings ist ab einer Körpergröße von 1,50 Metern Schluss mit Komfort.

Die Assistenten

Von der S-Klasse leiht sich der SL noch mehr als das Infotainment. Auch das Digital Light, das in der Lage ist, etwa Warnhinweise auf die Fahrbahn zu projizieren, können Sie einbuchen. Die komplette Telematik und Sensorik stammt ebenfalls aus dem Mercedes-Flaggschiff, lediglich das Head-Up-Display entspricht jenem aus der neuen C-Klasse.

Mit dem Abstandstempomaten, Lenk- und Spurchwechselassistenten sowie dem Notbremsassistenten bewegt sich AMG mit dem SL auf dem aktuellsten Technik-Niveau von Mercedes. Lediglich die automatisierten Fahrfunktionen der S-Klasse spart man sich in dem offenen Sportwagen.

Die Preise

Bestellbar ist der Mercedes‑AMG SL seit März 2022. Für das Top-Modell SL 63 4Matic+ werden aktuell wenigstens 194.535 Euro verlangt. Der SL 55 war bislang nur im europäischen Ausland zu haben. Ab April 2023 findet sich der kleinere V8 aber auch auf der deutschen Preisliste. Zu haben ist der SL 55 4Matic+ zu Preisen ab 166.618 Euro. Günstiger ist der SL nur in der Vierzylinder-Variante Mercedes-AMG SL 43, die ab 127.027 Euro konfiguriert werden kann.

Ein Ausblick

Dass der SL zunächst mit zwei V8-Varianten und einem Vierzylinder auf den Markt kommt, bedeutet nicht, dass AMG nicht noch mehr Motorisierungen im Köcher hat. So bestätigt AMG-Chef Philipp Schiemer, auch kleinere Sechszylinder-Versionen und den hybridisierten V8 (zuletzt im AMG GT 4-Türer mit 840 PS vorgestellt) nachzulegen. Ein reiner Elektro-SL ist dagegen nicht zu erwarten, der V12 wird allerdings auch keine Renaissance feiern.

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Fazit

Daimler fokussiert sich. Und zwar in allen Bereichen. Beim Thema Sportwagen und Roadster gibt es eine klare Stallorder: Die Entwicklungshoheit liegt bei AMG in Affalterbach. Deshalb wird die nächste SL-Generation technisch eben kein klassischer Mercedes mehr, sondern ein echtes AMG-Kind. Der Roadster-Ikone kann der Neustart nur gut tun. Klassische Roadster sind aktuell echte Ladenhüter. Warum dann nicht gleich eine Wiedergeburt als E-Auto versuchen? Zur innovationsschwangeren SL-Historie würde es passen – trotzdem bleibt es aller Voraussicht nach bei der Elektrifizierung des Achtzylinders.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten