RML Short Wheelbase
Retro-Sportler mit gutem alten V12-Sauger

Die RML Group stellt mit dem Short Wheelbase einen Retro-Sportwagen vor, der sich klar an einer italienischen Ikone orientiert: dem Ferrari 250 GT SWB. Ab sofort kann zu Preisen ab rund 1,62 Millionen Euro plus Steuern bestellt werden.

06/2021, RML Short Wheelbase
Foto: RML Group

Wie wir seit dem gleichnamigen Kultfilm wissen, sind Dé­jà-vus nichts anderes als Fehler in der Matrix. Doch es scheint, als greife diese Erklärung an dieser Stelle zu kurz. Denn hier sind tatsächlich fast parallel zwei Firmen auf dieselbe Idee gekommen, noch dazu zwei britische: Die Neuauflage einer Ferrari-Ikone mit klassischer Formgebung und V12-Motor, aber moderner Technik. Ein Retro-Sportwagen, der puristischen Fahrspaß genauso verkörpert wie höchste Exklusivität.

Unsere Highlights

Das eine Modell hört auf den Namen Squalo und stammt aus dem Hause GTO Engineering. Den Retro-Sportwagen, um den es in diesem Artikel geht, stellt jedoch der Ingenieur-Dienstleister RML Group vor. Und die Briten nennen ihr Modell nicht umsonst "Short Wheelbase" (kurzer Radstand). Es handelt sich um eine Neuauflage des Ferrari 250 GT SWB von 1959, der im Vergleich zum "LWB"-Modell über einen um 20 Zentimeter verkürzten Radstand verfügte und durch die verbesserte Handlichkeit nochmals erfolgreicher auf der Rennstrecke unterwegs war. Heute gehört der nur 167 mal produzierte SWB zu den begehrtesten und teuersten Ferrari-Modellen überhaupt.

Formale Nähe an Front und Heck

Das Kalkül der RML Group: Finanziell gut situierte Sammler, die beim Original womöglich nicht zum Zuge kommen, kaufen sich die Replika. Oder sie stellen dem Vorbild einfach den Nachahmer an die Seite. Dieser greift klar ersichtlich das historisch vorgegebene, wohlgerundete Design des 250ers auf. Unter anderem mit Details wie der Formgebung des Kühlergrills, der Anordnung des beidseitigen Leuchten-Trios, den fehlenden Stoßstangen oder der in der Motorhaube untergebrachten Lufthutze.

Gleiches gilt für die Heckpartie. Hier fallen der außenliegende Tankdeckel, die hochkant angeordneten Rückleuchten und die beiden polierten Doppel-Endrohre auf. Wie das Original präsentiert der RML Short Wheelbase diagonale Luftauslässe hinter allen Radhäusern, in denen sich filigrane Mehrspeichen-Räder drehen. Diese müssen leider auf die markanten zentralen Flügelmuttern des Originals verzichten. Und die komplett aus Karbon gefertigte und nur 40 Kilogramm schwere Karosserie der Neuauflage zeigt er sich an manchen Stellen etwas unglücklich proportioniert. Was womöglich daran liegt, dass der Short Wheelbase das Chassis des immerhin 4,55 Meter langen Ferrari 550 Maranello nutzt.

Motor und Getriebe von Ferrari

Der Brite im aus Karbon gefertigten Italo-Gewand ist nur 4,26 Meter lang, 1,95 Meter breit und bringt trocken 1.470 Kilogramm auf die Waage. Damit dürfte der ebenfalls von der Ferrari-Basis entliehene und vor allem in puncto Ansaugsystem und Kühlung angepasste 5,5-Liter-V12-Saugmotor mit 65 Grad Bankwinkel leichtes Spiel haben. Im Short Wheelbase leistet das Triebwerk, dessen Abgase über einen maßgeschneiderten Auspuff in die Freiheit entweichen, 485 PS bei 7.000 Umdrehungen und liefert ein maximales Drehmoment von 568 Newtonmetern bei 5.000/min. Ein manuelles Sechsgang-Getriebe, das ebenfalls von den Italienern stammt und natürlich über eine offene Schaltkulisse verfügt, überträgt die Power auf die Hinterräder. Von Null auf Hundert soll es in 4,1 Sekunden gehen, die Höchstgeschwindigkeit gibt RML mit über 298 km/h an.

08/2021, RML Short Wheelbase V12 Saugmotor
RML Group
Der 5,5-Liter-V12 stammt, genau wie das Chassis, ursprünglich vom Ferrari 550 Maranello.

Dennoch wurde der Short Wheelbase nicht entwickelt, "um mit der Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit eines typischen Supersportwagens zu konkurrieren", sagt Michael Mallock, Geschäftsführer von RML. Die Briten wollen das Modell als Gran Turismo positionieren, bei dem es um ein möglichst analoges Fahrgefühl geht. Und das die Persönlichkeit des jeweiligen Besitzers oder der Besitzerin widerspiegelt, indem es exakt auf seine oder ihre Spezifikationen angepasst wird.

Plastikfreies Interieur

Im Innenraum gilt das Mantra: kein Plastik! "Alles, was Sie in der Kabine sehen und anfassen können, ist entweder aus gefrästem Aluminium, Glas oder Leder gefertigt", sagt Chefdesigner Jonathan Bowen. Das Interieur ist zwar klassisch gestaltet, aber dennoch modern eingerichtet. Die elektrisch verstellbaren Sitzen sind zwar auf 1,70 bis 1,80 Meter große Fahrerinnen und Fahrer optimiert; hier sollen aber auch zwei Meter große Personen bequem Platz finden. Die Sitzgelegenheiten tragen Überzüge aus Leder oder Alcantara. Auch die Lenksäule soll sich mannigfaltig verstellen lassen.

06/2021, RML Short Wheelbase
RML Group
In das klassisch gestaltete Cockpit ist die moderne Technik subtil eingebettet.

Dreingaben wie die Klimaanlage, Getränkehalter und Smartphone-Konnektivität per Apple Carplay und Android Auto hat RML diskret ins Cockpit eingebettet und mit Retro-Elementen wie zahlreichen analogen Rundinstrumenten kombiniert. Besonders subtil zeigt sich der Sieben-Zoll-Touchscreen mit Navigationssystem und DAB-Radio integriert, denn er lässt sich in der Mittelkonsole versenken. Fensterheber und Außenspiegel arbeiten selbstverständlich elektrisch.

Kleine Auflage, großer Preis

Nach gut drei Jahren Entwicklungszeit enthüllt die RML Group den Short Wheelbase offiziell im Herbst 2021 als erstes Auto unter eigenem Label. Die Produktion startet im ersten Quartal 2022 und ist weltweit auf 30 Exemplare limitiert. Bestellt werden kann ab sofort. Als Grundpreis nennt RML umgerechnet rund 1,62 Millionen Euro plus landesüblicher Steuern. RML geht davon aus, dass ein Großteil der Bestellungen aus den USA erfolgen werden.

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Forge Design Competizione Ventidue Ferrari 250 SWB Recreation
Der Competizione Ventidue von Forge Design.
RML Short Wheelbase
Der Short Wheelbase von der RML Group.
GTO Engineering Squalo
Der Squalo von GTO Engineering.

Fazit

Ist die Zielgruppe der solventen Retro-Sportwagen-Enthusiasten bereit für nicht nur eine, sondern zwei Neuauflagen des Ferrari 250? Zumal dann, wenn sie jeweils auf der britischen Insel erdacht und umgesetzt werden? Ob die Wahl auf den GTO Squalo oder den RML Short Wheelbase fällt, dürfte jedenfalls weniger von den Finanzen als vom persönlichen Geschmack der potenziellen Kundschaft abhängen.

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