Mittelklasse-Neuheiten ab 2015
VW Passat besser als der 3er-BMW?

Im Sommer 2015 rollt der BMW 3er in modifizierter Form an. Neue Motoren, LED-Scheinwerfer und weitere Assistenzsysteme zählen zum Programm. Reicht das, um gegen den neuen VW Passat (ab November 2014) zu bestehen?

BMW Dreier, VW Passat
Foto: Christian Schulte

Bemühen wir zunächst einmal gängige Klischees: Wenn ein Ausländer an Deutschland denkt, dann fallen ihm idealerweise die großen Dichter und Denker ein, gängigerweise aber vielleicht eher Schlagersternchen Helene Fischer und möglicherweise auch noch die viel zitierte deutsche Wertarbeit – und für die steht auf dem Automobilsektor kaum ein anderer wie der BMW 3er. In der Liste der Neuzulassungen muss sich die Premium-Mittelklasselimousine zur Zeit nur vom VW Golf geschlagen geben, was wirklich keine Schande ist. Fast konkurrenzlos ist die gelungene Symbiose aus Fahrspaßmaschine und Alltagstauglichkeit.

Bis heute, ist man versucht zu sagen, denn die Bastion BMW 3er droht zu bröckeln: Die Konkurrenz in der Mittelklasse rüstet gerade massiv auf. Aktuell macht die neue Mercedes C-Klasse der bayerischen Cash Cow das Leben schwer, ab November zählt der runderneuerte Passat dazu, 2015 läuft zudem die Neuauflage des Audi A4 an.

BMW 3er-Facelift im Juli 2015

Also kommt auch der BMW 3er um eine Frischzellenkur nicht herum, die nächstes Jahr voraussichtlich im März oder April präsentiert wird und im Juli in den Verkauf geht. Im Gegensatz zu Hollywood-Stars wie Nicole Kidman verzichtet der 3er darauf, seine Verjüngungskur optisch zur Schau zu stellen – sieht man einmal davon ab, dass im Cockpitbereich die Wertanmutung gegenüber dem Vorgänger verbessert worden ist. Unter der Haube gibt es indes größere Unterschiede, denn dort ziehen nach der Premiere im X3 die neuen Vierzylinder-Diesel ein. Der Zweiliter legt im 18d von 143 auf 150 PS zu und im 20d von 184 auf 190 PS. Beim stärkeren Aggregat steigt zudem das maximale Drehmoment von 380 auf 400 Nm. Überdies erfüllen die Motoren nicht nur Euro 6, sondern sollen auch noch weniger verbrauchen.

Nicht gleich zum Verkaufsstart, aber etwas später wird die Antriebspalette vom neuen Dreizylinder-Benziner ergänzt, der pro Brennraum über einen halben Liter Hubraum verfügt und als neues Basis-Triebwerk des BMW 3er 136 PS entwickelt. Die Markteinführung erfolgt mit Bedacht, denn noch ist BMW sich nicht ganz sicher, wie der Kunde auf die in diesem Segment immer noch ungewöhnlich kleine Zylindernanzahl reagieren wird. Für den Nachfolger (ab 2018) ist der Turbo angesichts immer schärferer CO2-Bestimmungen dagegen eine gesetzte Größe. Schließlich, so haben es die BMW-Techniker beim Wiener Motorensymposium erklärt, zeige sich der Dreizylinder "in wesentlichen Eigenschaften der Vierzylinder-Alternative überlegen. Den prinzipbedingt größeren Schwingungs- und Akustik-Herausforderungen konnte mit sorgfältig optimierter und spezifischer Dreizylinder-Technologie begegnet werden."

Neuer BMW 3er mit vielen Gleichteilen

Die Strategie, bei Benziner und Diesel auf möglichst viele Gleichteile zu setzen, spart durch die hohe Zahl gemeinsamer Fahrzeugschnittstellen und Synergieeffekte in Entwicklung, Einkauf und Produktion viel Geld. Bei den BMW-3er-Benzinern bleibt es zunächst trotzdem bei den bekannten verfeinerten Zweiliter-Vierzylindern, der neue Baukastenmotor aus dem Mini Cooper S (192 PS) kommt noch nicht zum Einsatz.

Reicht das, um die Konkurrenz in Atem zu halten? Der Luftfederung à la Mercedes C-Klasse hat der BMW 3er in der überarbeiteten Variante vordergründig nichts entgegenzusetzen, Feinschliff soll allerdings dazu beitragen, dass er der Handling-Chef seiner Klasse bleibt. Auch dem neuen Passat muss sich der 3er – zumindest auf dem Papier – in mancher Hinsicht geschlagen geben: Ein frei programmierbares Display (VW: 12,3-Zoll-Display mit einer Auflösung von 1.440 x 540 Pixel) wird es mit dem Modellwechsel bei BMW noch nicht geben. Dort konzentriert man sich auf die Verbesserung der Sprachsteuerung, um dem gewöhnungsbedürftigen Bedienwahn im Innenraum ein Ende zu setzen.

Passat holt stark auf

Bemerkenswert ist, wie stark der Passat mit dem Modellwechsel aufholt. Geht es nach Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer, schließt das Modell sogar an die Oberklasse an. Bei nahezu unveränderten Außenabmessungen legt das Kofferraumvolumen des Variant um knapp 50 auf 650 Liter zu, die Beifahrerlehne kann umgeklappt werden. Der BMW 3er Touring bringt es nur auf ein Volumen von 480 Liter – daran wird sich mit dem Facelift wenig ändern. Neu für den Passat ist das Head-up-Display, das beim 3er in komplexerer Form schon lange verfügbar ist. Hier bleibt der BMW in Führung. Fest steht: Deutsche Tugenden kommen nicht nur aus Bayern – auch wenn das manchen Urlaubsgast aus Übersee wundern dürfte.

Und das macht die Konkurrenz

2015 rockt die komplette Mittelklasse. Ob Jaguar, Audi, Ford oder Citroën – fast alle Marken stehen in diesem Segment vor Neuanläufen. Der wahre Unruhestifter in der Mittelklasse dürfte im nächsten Jahr der Jaguar XE sein. Warum? Weil ihn bis zur IAA 2013 keiner der Konkurrenten so richtig auf dem Schirm hatte. Dabei handelt es sich um den ersten Jaguar mit der neuen Aluminium-Architektur, die künftig Basis vieler Baureihen bis hin zu Crossover-Modellen sein soll. Den Antrieb übernehmen Vierzylinder-Diesel und -Benziner, die ein Leistungspektrum bis zu 300 PS abdecken sollen. Dabei hat sich Jaguar vorgenommen, mit dem XE ab Sommer 2015 erstmals ein Mittelklasse-Modell in einer Sparversion mit einem CO2-Ausstoß von 99 g/km anzubieten – wobei abzuwarten bleibt, ob Audi A4, Ford Mondeo und Citroën C5 nicht mindestens gleichziehen oder sogar noch verbrauchsoptimiertere Varianten anbieten werden.

Auf Konkurrenz-Niveau

Auf Augenhöhe zur Konkurrenz bewegt sich die englische Marke, was die Ausstattung mit Fahrerassistenzsystemen bis hin zu Spurhaltesystem und Head-up-Display angeht. Geplant ist ein komplett neues Infotainment-System, das die Einbindung sowohl von iPhones wie auch Android-Geräten erlaubt. Eine vergleichbare Ausstattung gibt es natürlich auch beim Audi A4 (ab 2015), der ein frei programmierbares Cockpit bekommt und im Laufe des Modellzyklus mit einem Dreizylinder-Benziner als Basismotorisierung angeboten werden soll, wie Entwicklungschef Ulrich Hackenberg im auto motor und sport-Gespräch durchblicken ließ. Dank Mischbauweise wird er rund 100 Kilo leichter und bekommt wie BMW 3er, C-Klasse und XE ein Head-up-Display – 2015 ist die Mittelklasse bereit für große Klasse.

Technik-Check BMW 3er und Passat im Vergleich

Die beiden Autohersteller eint, dass es für den BMW 3er und VW Passat nun LED-Scheinwerfer sowie Stauassistenten gibt, die im unteren Geschwindigkeitsbereich autonom arbeiten können. Bei VW ist das Radarsystem in Kombination mit der Frontkamera nun auch in der Lage, Kinder zu erkennen, die aus Parklücken überraschend vor das Auto springen. Auch in diesem Fall bremst das System automatisch ab. Die Marke punktet auch mit der MirrorLink-Technologie, die eine einfache Integration der Smartphone-Bedienoberfläche in den Bordmonitor erlaubt, der damit zum Display von Android-Geräten und – etwas später – auch iPhones werden soll. Ein weiterer Vorteil: Der VW-Parkassistent kann nicht nur längs zur Fahrbahn einparken, sondern auch halbautomatisch in Querlücken. BMW dürfte dafür bei der Einführung sparsamer Dreizylinder schneller sein, während VW früher mit dem Plug-in-Hybrid debütiert.

Schwere Zeiten für BMW 3er

Für den BMW 3er wird es ab Mitte 2015 eng. Das Facelift beinhaltet nicht so viele Features, wie man es erwartet hätte. Automatisches Einparken à la i3? Nicht vor dem Modellwechsel 2018. Ein Plug-in-Hybrid in der aktuellen Generation? Zu aufwendig. Die Marke will sich auf ihre Stammtugenden besinnen und das Fahrwerk noch dynamischer schärfen – eine Luftfederung wie bei der Mercedes C-Klasse ist schließlich auch nicht im Angebot. Der geräumige Passat kommt mit Mirror-Link-Technologie, umfangreichen Fahrerassistenzsystemen und einem Plug-in-Hybrid, der rund 50 km rein elektrisch fahren kann. Der Strom wird BMW deshalb nicht ausgehen, aber das Licht des 3ers könnte bis zur nächsten Generation 2018 vielleicht doch etwas bescheidener leuchten.