Daimler und Renault-Nissan
Gemeinschaftswerk in Mexiko

Bernd Ostmann über das neue Gemeinschafts-Werk von Renault-Nissan und Daimler in Mexiko.

Zetsche, Ghosn, Wirtschaft, Renault, Daimler
Foto: Nissan

Der Ausbau der Kompaktklasse war ein wichtiger Schritt in Dieter Zetsches Wachstumsplanung. 2013 verkaufte Mercedes-Benz 370.000 Kompaktmodelle – etwa ein Viertel des Gesamtabsatzes. Bis 2020, so die Planung des Konzernchefs, sollen es über eine Million kompakte Fahrzeuge pro Jahr sein. Gebaut werden A- und B-Klasse und die Derivate mittlerweile im schwäbischen Rastatt, im ungarischen Kecskemét und im finnischen Valmet. 2015 beginnt die Produktion des GLA auch in China. Und nun folgt der nächste Schritt: Zusammen mit Renault-Nissan wird Mercedes ab 2018 im mexikanischen Aguascalientes produzieren.

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Es ist das bislang größte Projekt der Kooperation, die im April 2010 begann. Damals lag der Fokus auf Europa. Es ging zunächst um kleine Vierzylindermotoren, dann um den Twingo und den viertürigen Smart, der in diesem Jahr in den Markt geht. Entwickelt auf einer gemeinsamen Plattform, wird er im slowenischen Novo Mesto in einer Renault-Fabrik produziert.

Eine Milliarde fürs Mexiko-Werk

Mittlerweile ist die Kooperation längst den europäischen Wurzeln entwachsen. Gerade läuft im amerikanischen Decherd in Tennessee in einer Nissan-Fabrik die Produktion von Vierzylinder-Benzinern an, die künftig in Nissans-Nobelmodell Infiniti Q50 und in der C-Klasse eingebaut werden. "Hätten Sie mich vor vier Jahren gefragt, ich hätte nicht an Projekte in einer solchen Dimension gedacht", verrät Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn.

Nissan hat gerade eine zwei Milliarden Euro teure Fabrik in Aguascalientes in Betrieb genommen. Jetzt investieren Renault-Nissan und Daimler zusammen noch einmal eine Milliarde Euro in eine neue Fabrik, in der einmal 300.000 Autos pro Jahr gebaut werden sollen. Das neue Gemeinschafts-Werk wird von einem Nissan-Mann geführt werden. Finanz- und Qualitätschef kommen von Mercedes. "Wir starten mit jemand, der die Fabrik kennt", erklärt Ghosn. Gefertigt wird auf zwei Linien – eine für Infiniti, eine für Mercedes. Aber natürlich kann man je nach Auftragslage auch beide Modelle auf einer Fertigungsstraße fahren.

2015 bringt Infiniti auf der alten Mercedes-Plattform MFA, die eigentlich noch von Chrysler stammt, den neuen i30 auf den Markt. Bis zum Produktionsstart in Mexiko wird dann gemeinsam eine neue Frontantriebsplattform, die sich JC1 (Joint Compact 1) nennt, entwickelt. "Wir haben höhere Anforderungen an die Autos, die wir entwickeln. Und wir wollen uns nicht durch eine bestehende Plattform limitieren lassen", erklärt Ghosn. Sein Ziel: die Nummer eins in der Klasse zu werden. Und deshalb bekommt JC1 alles, was man künftig an modernen Assistenzsystemen und alternativen Antrieben braucht.

Das erste Mercedes-Modell auf der neuen Plattform dürfte die B-Klasse sein. Ab 2017 wird das neue Werk in Mexiko ans Netz gehen. Zunächst mit einem Infiniti-Modell, ab 2018 folgen die Mercedes-Varianten. Die Kompakt-Flotte soll weiter ausgebaut werden, so Zetsche. Aber nicht zwingend alle Varianten, die jetzt auf der MFA-Plattform entstehen, werden dann weiter Bestand haben. In Mexiko, das scheint aber gesetzt zu sein, wird zunächst wohl die Coupé-Limousine CLA, die speziell in Amerika "ein Volltreffer" (Zetsche) ist, produziert werden.

Vorteile für beide Seiten

Und was sind die Vorteile der Kooperation in Mexiko? Man teilt sich die Kosten für Fabrik, Produktionsanlagen und Entwicklung. Außerdem hat Mercedes in Nissan einen starken Partner. Mit einem Marktanteil von 25 Prozent ist Nissan stärkste Marke im Land – was sich sicher positiv auf die Preise der Zulieferteile auswirken dürfte. Und welche Auswirkungen hat die Produktionsverlagerung für die deutschen Mercedes-Standorte? Zetsche: "Die werden mit davon profitieren, werden Teile nach Mexiko liefern." Wobei Ghosn aber gleich einschränkt, dass zumindest Motor und Getriebe aus Nordamerika kommen werden. "Wir sind sehr zuversichtlich, was den Standort Mexiko betrifft", unterstreicht Ghosn. Er sieht dabei nicht nur den mexikanischen Markt, sondern auch das Exportland Mexiko, wo es im Gegensatz zu Nordamerika keine Ausfuhrbeschränkungen und Zölle gibt.

Natürlich ist die Liaison mit Renault-Nissan für Mercedes auch mit gewissen Risiken verbunden. Die negativen Crashtest-Ergebnisse des Mercedes Citan, der auf dem Renault Kangoo basiert, waren ein erster Warnschuss. Sollte es Qualitätsprobleme geben, dann ist davon sicher Mercedes stärker betroffen als Infiniti. Gegenseitige Konkurrenz schließt Ghosn aus. "Wenn es da eine Gefahr gäbe, dann hätte unser Vertrieb längst Alarm geschlagen", erklärt auch Zetsche. Und was ist von der Kooperation in Zukunft zu erwarten? Sicher kein Zusammenschluss. Ghosn: "Wir haben unterschiedliche Kulturen. Und wir wollen die Identität unserer Firmen erhalten." Deshalb will man sich auch künftig auf einzelne Projekte konzentrieren – auch wenn diese immer größer werden.

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