Die Formel 1-Rückkehr von Michael Schumacher
Schumacher-Comeback: Nicht so schnell

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Das Comeback von Michael Schumacher bewegt die Motorsportwelt. Das erste Rennen nach drei Jahren Pause brachte dem siebenfachen Weltmeister zwei Erkenntnisse: Das Tempo machen derzeit Red Bull und Ferrari. Und Teamkollege Nico Rosberg ist im Augenblick noch schneller.

Michael Schumacher
Foto: Daniel Reinhard, Wolfgang Wilhelm

Platz sechs ist für einen Fahrer mit sieben WM-Titeln kein Grund um in Jubel auszubrechen. Auch dann nicht, wenn der letzte Renneinsatz 1.239 Tage zurückliegt und es genügend gute Gründe dafür gäbe, mit acht WM-Punkten zum Auftakt zufrieden zu sein. Michael Schumacher hakte die Platzierung, die er in seiner ersten Karriere als Niederlage empfunden hätte, als Etappenziel ab. Als Bestätigung dafür, dass er trotz 41 Jahren im Konzert der Großen immer noch mithalten kann. "Mit dem sechsten Platz kann ich sehr gut leben. Er ist für mich und das Team eine Basis, auf der wir aufbauen können" gab der Heimkehrer nach seinem 250. GP-Einsatz zu Protokoll. Zunächst begann alles wie vor 19 Jahren in Spa. Mit einem siebten Startplatz. Dass er nicht nach einem Kilometer mit einem Kupplungsdefekt strandete und stattdessen die Zielflagge sah, ist aus statistischer Sicht eine hundertprozentige Steigerung für einen, der über den Beginn seiner zweiten Karriere sagte: "Es fühlte sich so an wie damals in Spa." Es hätte auch schlimmer kommen können. In der Qualifikation lag Schumacher 1,4 Sekunden hinter dem Trainingsschnellsten Sebastian Vettel. In der schnellsten Rennrunde fehlten dem PS-Gott aus Kerpen 1,9 Sekunden auf Sieger Fernando Alonso. Doch Vettel und Alonso sind für Schumacher derzeit kein Maßstab. Sein Silberpfeil fährt noch nicht in der Liga von Red Bull und Ferrari. Auch McLaren ist schneller. "Uns fehlt noch der Speed", bedauert Teamchef Ross Brawn. Und es könnte bis zum GP Spanien am 9. Mai dauern, bis sich das ändert. Bahrain war der erste Schritt der Aufholjagd. Das Aerodynamikpaket mit neuem Frontflügel, Nase und Unterboden erfüllte seinen Zweck, aber es reichte nicht.

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"Das Jahr ist ja noch lang"

Bis Barcelona wird die Gewichtsverteilung geändert. "Im Augenblick sind wir mit dem Ballast am Limit. Wir müssen abspecken, und das dauert", sagt Brawn. Das Auto geht immer noch zu hart mit den Reifen um. Der schmalere Vorderreifen und die neue Karkasse hinten machen die Erfahrungen aus den letzten Jahren wertlos. MercedesGP hat mit der Umstellung größere Schwierigkeiten als die Konkurrenz. Im Vorjahr wollten die Vorderreifen nicht auf Temperatur kommen. Jetzt kämpfen die Ingenieure aus Brackley mit dem umgekehrten Phänomen. Vorne überhitzt der Gummi. Das sorgt für Gripverlust und Balanceverschiebungen. "Hinten verbessert sich der Grip, wenn wir den Abtrieb erhöhen. Vorne nicht", rätselt Brawn. Um das eingebaute Untersteuern zu korrigieren, ließen sich die Ingenieure für Bahrain Notlösungen mit dem Reifendruck und dem Differenzial einfallen. Mit dem Resultat, dass plötzlich die Hinterreifen das schwache Glied in der Kette waren. Die starken Ausschläge in der Fahrzeugbalance deuten darauf hin, dass Aerodynamik und Gewichtsverteilung weiterhin nicht zusammenpassen. Je nach Bedingungen schwächelt mal das eine, mal das andere Ende des Autos. Beide Mercedes-Fahrer klagten in den entscheidenden Runden für die Startaufstellung über zu hohe Temperaturen an den Hinterreifen. "Es war schwer vorherzusagen, wann und wo in der Runde das passieren würde", erzählte Rosberg. Gleiches Spiel im Rennen. "Immer wenn Nico und Michael im Rennen eine Runde lang attackierten, wurden die Hinterreifen zu heiß, und sie mussten wieder ein paar Runden warten, bis die Temperatur wieder im Lot war", berichtete Ross Brawn. Schumacher hatte schon vor Saisonbeginn gewarnt, dass man mit dem Unternehmen Comeback Geduld haben müsse. Team und Fahrer müssen noch zusammenwachsen, und ein technisches Manko dieser Größenordnung löst sich nicht über Nacht. "Deshalb müssen wir in dieser Phase der Saison konstant Punkte holen, damit die vorne nicht zu weit weglaufen. Das Jahr ist ja noch lang", hält Schumacher den Ball flach.

"Seine Erfahrung wird sich am Ende durchsetzen."

In 16 Jahren Formel 1 lernt man zu warten. Seine Messlatte ist im Augenblick der Teamkollege. Und der fährt schneller als es viele Leute erwartet haben. Vermutlich auch Schumacher selbst. Nico Rosberg gewann jedes der sechs Trainingsduelle. Im Schnitt trennten drei Zehntel die Stallrivalen. Mittlerweile sickert durch, dass sich dieses Bild schon in den Testfahrten angedeutet hat. Besonders wenn es darum geht, eine schnelle Runde aus dem Handgelenk zu schütteln. Schumacher schiebt sein Defizit auf den Rost, der sich in drei Jahren Pause angesetzt hat. "Ich suche noch meinen Rhythmus." Ihm ist ein wenig die Fähigkeit abhanden gekommen, das Auto auf den Punkt so abzustimmen, dass er das Maximum herausholen kann. Das wird sich mit ein bisschen Übung wieder auf dem alten Stand einpendeln, glaubt Schumacher. Davon ist auch Niki Lauda überzeugt: "Spätestens in Malaysia hat Michael das im Griff. Er wird mit seiner brutalen Konsequenz alle Ressourcen im Team für sich nutzen. Michael saugt jetzt alle Daten auf, die er kriegen kann." Gerhard Berher bestätigt: "Der beißt jetzt noch mehr. Als siebenfacher Weltmeister kann er ganz locker an die Aufgabe herangehen. Der muss niemanden mehr etwas beweisen." Vielleicht doch: Wer so ehrgeizig ist wie Schumacher, stellt an sich selbst die höchsten Ansprüche. Und die dulden keine Ausflüchte. Nur Erfolgsmeldungen werden akzeptiert. Mario Andretti sieht wie Lauda und Berger den Nimbus Schumacher nicht in Gefahr: "Seine Erfahrung wird sich am Ende durchsetzen." Und wenn nicht? "Dann wird er bereuen, dass er zurückgekommen ist." Für Jackie Stewart befindet sich das deutsch-deutsche Duell erst in seiner ersten Phase: "Nico ist voll aufgeladen. Er hat die Chance seines Lebens und zur Zeit greift er sie mit beiden Händen. Aber Michael macht das ganze ja nicht zum ersten Mal. Er kennt auf jedes Problem eine Antwort. Was ich nicht verstehe, ist der Seitenwechsel in der Mercedes-Garage. Ich weiß nicht, was Michael damit bezwecken wollte, dass die Autos umgeräumt werden mussten. Wenn es ein Psychotrick gewesen sein soll, dann ist der Schuss nach hinten losgegangen. Das schafft nur Unruhe im Team."

Im Ziel fehlten ihm 3,95 Sekunden

Für Rosberg gibt es nur die Flucht nach vorne. Jeder Sieg über Schumacher steigert seinen Marktwert. Dass die Medien einem dritten Trainingsrang des Superstars mehr Aufmerksamkeit schenken als einer Bestzeit von ihm, damit muss er sich abfinden. So ist das Leben: Wer sieben Mal Weltmeister war, steht eben mehr im Mittelpunkt als einer, der noch auf seinen ersten GP-Sieg wartet. Im Renntrim kann Rosberg schon Schumachers Atem spüren. Zieht man von den 49 Rennrunden die vier vor und nach den Boxenstopps ab, dann gingen vom Rest 25 Runden an Rosberg und 20 an seinen um 16 Jahre älteren Kollegen. Die schnellere Rennrunde verbuchte Schumacher. Auch den schnelleren Boxenstopp, was aber daran lag, dass der Mann mit dem Lollipop die Abfahrt von Rosberg 1,3 Sekunden verzögern musste, weil Jenson Button die Boxengasse daherkam. Bei An- und Abfahrt zur Box war wieder der Jüngere vorne. Was Schumachers Theorie unterstützt, dass sich gewisse Abläufe erst wieder einspielen müssen. Böswillige werden allerdings die Frage stellen, warum Chefstratege Ross Brawn zuerst Schumacher und dann erst den besser platzierten Rosberg zum Reifenwechsel an die Box lotste. Dadurch verlor Rosberg seinen vierten Platz an Lewis Hamilton und Schumacher kam direkt in den Windschatten des anderen Mercedes. Im Ziel fehlten ihm 3,95 Sekunden. Eine Antwort blieb man ebenso schuldig wie bei der Frage, in welchen Kurven Schumacher noch Zeit auf seinen Gegner im eigenen Haus einbüßt. Das Thema ist im Team tabu. Bloß keine Kontroversen schüren. Also muss man Sektorzeiten und Geschwindigkeitsmessungen auswerten. Die verraten, dass Schumacher hauptsächlich in den langsamen Ecken Boden auf Rosberg verliert. Seltsam ist, dass der Mann mit dem roten Helm die meiste Zeit im ersten Sektor liegen lässt. Und der besteht lediglich aus fünf simplen Kurven.

Möglicherweise stört ihn dort die Fahrzeugcharakteristik am meisten. Doch mit Untersteuern, dass er so hasst, konnte sich Schumacher diesmal nicht entschuldigen. In Bahrain trat eher das Gegenteil auf. Schumacher will sich in seinen Wünschen an die Fahrzeugingenieure nicht festlegen. "Untersteuern gab es auch in der Vergangenheit. Es liegt an uns das zu ändern. Ich mag ein übersteuerndes bis neutrales Auto."

Michael Schumacher hält die deutschen Medien auf Trab

Ross Brawn ist felsenfest davon überzeugt, dass sein alter Kumpel noch in Fahrt kommen wird. "Michael würde es nicht tun, wenn er sich nicht sicher wäre, dass es klappen kann." Heikki Kovalainen ist der gleichen Ansicht: "Michael weiß etwas, was wir nicht wissen. Ross hat ihm bestimmt alle Fakten auf den Tisch gelegt. Und daran hat er gesehen, dass er wieder Weltmeister werden kann." Michael Schumacher hält die deutschen Medien auf Trab. Die Bild-Zeitung stationiert einen ihrer Reporter immer in dem Hotel, in dem der Superstar absteigt. Bei RTL kümmert sich ein Mann exclusiv um den Ex-Champion. Der Bezahlsender Sky hat einen eigenen Schumi-Kanal eingerichtet. Wer die Formel 1 auf die deutsche Lichtgestalt reduziert, kann von Freitag bis Sonntag im Cockpit von Schumacher mitfahren. Auf Interviewanfragen des Senders an Vettel blödelte der Deutsche: "Erst, wenn ihr mir einen eigenen Kanal gebt." Nicht nur in Deutschland füllt Schumacher die Schlagzeilen. "Er ist auch in England das Thema Nummer eins", wundert sich Martin Brundle. "Da wird selbst das Duell Hamilton gegen Button zur Randnotiz."