Gebrauchtwagen-Tipp VW Golf Sportsvan
Wie fit ist Omas Golf als Gebrauchter?

Die Fahrer von Golf Plus und Sportsvan kennen es: Ständig müssen geriatrische Vorurteile mit einem "ja aber" gekontert werden. Genau diese Argumente machen ihn zum echten Gebrauchtwagen-Geheimtipp. Gibt’s auch Probleme?

VW Golf Sportsvan 1.5 TSI Act, VW Tiguan 1.4 TSI Act, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Schnittige Sportwagen, stattliche SUVs oder sparsame Stadtautos: Fast alle Auto-Geschmacksrichtungen lassen sich leicht erklären und, wenn nötig, rechtfertigen. Ausgerechnet automobile Alleskönner haben es da spürbar schwerer. Wer aus rein praktischen Gründen einen gebrauchten Golf Sportsvan sein Eigen nennt, muss nicht selten erläutern, weshalb ihm dessen Stigma als Rentnerkutsche völlig egal ist. Hier sind sieben Argumente.

1. Der Seniorenfaktor

Beginnen wir gleich mit dem Elefanten im Raum. Ja, flauschige Hochdachkombis wie ein Golf Sportsvan werden häufig von älteren Menschen bewegt. Der bequeme Einstieg, die höhere Sitzposition – Sie wissen schon ... Dass so ein Sportsvan auf diese Weise nicht zum begehrenswerten Mode-Objekt wird, ist klar. Allzu oft werden dabei jedoch seine positiven Eigenschaften ausgeblendet. Ein Sportsvan ist mindestens so gut, wie ein normaler Golf. Und wer ihn als Gebrauchtwagen aus einem reiferen Vorbesitz ersteht, darf sich nicht selten über eine minutiöse Dokumentation, eine lückenlose Servicehistorie beim Vertragshändler sowie über eine schonende Fahrweise der Erstbesitzer freuen. Die Heizerquote dürfte beim Golf Sportsvan verschwindend gering sein – beste Voraussetzungen für einen guten Kauf.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial
VW Golf Sportsvan, Cockpit
VW

Gemütliche Sessel, ein passend dazu gesetztes Beige und eine astreine Rundumsicht, selbst wenn der Nacken zwackt. Doch ohne zu spotten, fällt die erstklassige Verarbeitung und die mustergültige Bedienung auf. Der Sportsvan ist schlicht ein richtig gutes Auto.

2. Der Formatvorteil

Was Opa und Oma genießen, nützt auch Papa und Mama. Durch riesige Fondportale lässt sich der Nachwuchs leichter in den Kindersitz bugsieren als in den meisten anderen Fahrzeugklassen. Auf der Rückbank angenommen gibt es selbst für Erwachsene jede Menge Platz für Kopf, lange Beine und breite Schultern. Klapptischchen und Ablagefächer schlucken haufenweise Kleinkram und auch der Kofferraum bietet mit 590 bis 1.520 Liter Volumen fürstliche Platzverhältnisse. Dank einer in Längsrichtung und Neigung verstellbaren und dreifach klappbaren Rückbank, stehen dazwischen noch unzählige weitere Raumangaben. Nicht ohne Grund wurden zum Debüt des gleichsam geformten Vorgängers Golf Plus (damals auf Basis des Golf 5) unzählige Vergleiche zur Mercedes S-Klasse gezogen. Mit überkreuzten Beinen Zeitung lesen ist kein Problem. Anders als im Parade-Benz oder bei vergleichbar geräumigen SUV dient bescheidene Golf-Technik als sparsamer Antrieb.

VW Golf Sportsvan 1.5 TSI Act, Interieur
Hans-Dieter Seufert

Hier gibt's richtig Platz. Enorme Beinfreiheit und eine verstellbare Rückbank gibt's in der Form ansonsten oft nur in Oberklasselimousinen. Bequem: Der Sportsvan realisiert sie ohne eine übertrieben aufrechte Sitzposition.

3. Die Golf-Technik

Der Sportsvan ist in erster Linie Golf. Und weil es sich zudem noch um die siebte Generation des Kompakt-Klassikers handelt, besitzt er auch als Gebrauchtwagen eine überdurchschnittlich hohe Qualität. In der großen Gebrauchtwagenkaufberatung zum Golf 7 lesen Sie, dass bis auf verstreute Einzelheiten nur wenige chronische Schwächen auftreten. Viele ziehen die siebte Generation sogar der Achten vor.

Neben der offensichtlich unterschiedlichen Karosserieform werden Unterschiede zwischen Normal-Golf und Sportsvan erst nach einer direkten Vergleichsfahrt deutlich. Der Hohe fährt kaum weniger souverän als der Flache: Selbst wenn ersterer durch das spürbar luftigere Cockpit sofort einen gewissen Van-Eindruck verströmt, fährt er typisch golfig. Im Kraftstoffverbrauch sind die Unterschiede ebenfalls verschwindend gering.

4. Ausstattungen und Motorisierungen

Ein Golf Sportsvan ist nur selten wirklich karg ausgestattet. Das liegt zum einen an der seinerzeit serienmäßig etwas umfangreicheren Ausstattung und zum anderen am wesentlich höheren Privatkäuferanteil. Kurz gesagt: Viele herkömmliche Golf fuhren in erster Instanz als Dienstwagen oder Flottenfahrzeug, sodass nicht immer allzu viel Spielraum für Sonderwünsche vorhanden war. Der Golf Sportsvan wiederum wurde wesentlich häufiger direkt auf Wunsch von Händlern oder Privatkäufern konfiguriert. So entstehen nicht selten echte Vorteile für Gebrauchtkäufer. Ähnlich ist die Lage bei den Motorisierungen. Zwar sind die sportlichen Versionen GTI, GTD und R dem Flach-Golf vorbehalten, doch dafür bieten erfreulich viele eine Motorisierung ab 115 PS – weil sich die Erstbesitzer nicht lumpen lassen wollten.

VW Golf VII Facelift 2017 Fahrbericht
VW

Motoren-Klassiker, wie der 2.0 TDI (hier im Normal-Golf abgebildet) machen die Antriebspalette des Sportsvan aus. Hier gibt es glücklicherweise keine Fehltritte. Beim Vorgänger Golf Plus mit 1,4er-Steuerketten-TSI war das noch anders.

5. Preisvorteile

Wer in den gängigen Gebrauchtwagenportalen auf die Jagd nach einem Golf im entsprechenden Bauzeitraum geht, alle gewünschten Parameter eingibt und die Suche dann nach dem günstigsten Preis sortiert, sieht schnell, dass die eher günstigen Angebote zu einem beträchtlichen Teil aus Sportsvan-Modellen bestehen. Klarer Fall: Sein etwas angegrautes Image sorgt dafür, dass der Sportsvan schlicht weniger beliebt ist, als die herkömmlichen Golf-Versionen. Auch Exemplare mit niedrigen Kilometerständen unterhalb der 60.000er-Marke finden sich mühelos ab rund 16.000 Euro – damit liegt der Sportsvan weit unter dem Durchschnittspreis für die Kompaktklasse, der aktuell knapp 23.000 Euro beträgt.

6. Der Touran

Nicht zu Unrecht dürfte sich mancher die Frage stellen, warum man nicht gleich zum Touran greifen solle. Der bietet beinahe unendliche Van-Weiten und nutzt dieselbe gute Technik wie Golf und Golf Sportsvan. Der Ruf als ideales Familienauto eilt dem Touran voraus, wodurch er nochmals begehrter ist als der Sportsvan. Auch die konstruktive Nähe zu T-Roc und Tiguan (letzterer ist ähnlich geräumig wie der Sportsvan) erschwert den Werterhalt des Sportsvan. All dies geschieht wieder zugunsten des Gebrauchtkäufers. Unter allen Golf-Baukasten-Geschwistern bietet der Sportsvan das beste Preis-Nutzwert-Verhältnis.

VW Touran 2.0 TDI SCR, Seitenansicht
Hans-Dieter Seufert

Ähnlich und doch anders: der teurere Touran ist in jeder Hinsicht größer als der Sportsvan und die Nummer Eins vor Kindergarten und Baumarkt. Nur: So viel weniger geräumig ist der Sportsvan gar nicht.

7. Vielleicht ist er gar kein Kompromiss

Wer sagt eigentlich, dass der rentnerige Anstrich, die hohe Sitzposition oder die komfortorientierte Abstimmung ein notwendiges Übel darstellen? Auch hart gesottene Sportfahrer dürfen neidlos anerkennen, dass ein Alltagsauto für den reinen Nutzeinsatz von großen Türen und einem einfachen Ein- und Ausstieg profitieren. Der Golf verbindet einen enormen Praxisnutzen mit haltbarer Technik, feiner Verarbeitung und richtig hohem (Geräusch-)Komfort. Für die tägliche Fahrt zu Arbeit, Supermarkt oder auch Gartencenter ist er einfach ein wirklich gutes Werkzeug.

VW Golf Sportsvan 1.5 TSI Act, VW Tiguan 1.4 TSI Act, Exterieur
Hans-Dieter Seufert

Der Sportsvan hat's schwer. Ein normaler Golf oder Tiguan ist viel beliebter und ein Touran geräumiger. Dabei wirkt er im Direktvergleich doch gar nicht so altbacken. Außerdem fährt er prima, ist günstig und haltbar.

Und was spricht dagegen?

Nun, wer sich partout nicht auf Format und Optik des Sportsvan einlassen kann, der wird sich vermutlich nie mit dem Hochbau-Golf anfreunden – zumal immer mehr (deutlich teurere) SUV einen vergleichbaren Raumvorteil bieten. Ansonsten sprechen aber nur Kleinigkeiten gegen den Gebrauchtkauf. Da wäre zunächst das oft und zu Recht kritisierte Top-Navi der Modelle ab 2017. Hier wird gänzlich auf den Einsatz physischer Tasten und Drehregler verzichtet. Gleichzeitig ist das Gerät nicht allzu flink und lässt sich nicht allzu intuitiv bedienen. Glücklicherweise erschien speziell dieses Navi vielen Käufern offenbar zu neumodisch, sodass meistens die simpleren, im Alltag praktischeren Geräte zu finden sind. Ferner ist das DSG als Automatikoption beim Golf 7 noch nicht vollends souverän abgestimmt. Stellen Sie sich gerade bei Verwendung der Start-Stopp-Automatik auf ruckeliges Anfahren ein. Zumindest gilt es als relativ problemlos, sofern nicht ständig schwere Anhänger gezogen wurden.

Fazit

Der Golf Sportsvan stellt dank seines Formates und dem damit verbundenen Ruf heutzutage etwas dar, was sich mit Fug und Recht als Seltenheit bezeichnen lässt: Er ist ein waschechter Gebrauchtwagen-Geheimtipp. In Sachen Preis-Leistung, gerade mit Blick auf seine modernen Features, ist er kaum zu schlagen – zumindest nicht von Mainstream-Modellen.