Mit dem KTM X-Bow nach Kroatien
Wie viel GT steckt tatsächlich im KTM X-Bow?

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Natürlich haben wir den KTM X-Bow GT schon knallhart getestet. Aber wie viel GT steckt tatsächlich drin? Eine Reise nach Kroatien verspricht die Antwort darauf. Na gut: Am Ziel wartet auch eine Rennstrecke ...

KTM X-Bow GT, Heckansicht, Autobahn
Foto: KTM

Es geht los in Sviscaki, in Koseze stehen ebenfalls verdächtig viele Hinweisschilder, zählen die noch zu fahrenden Meter sogar bis null herunter – Wechselstuben. Der KTM X-Bow GT nähert sich auf der Staatsstraße 6 dem Ende von Slowenien, röhrt teils ziemlich dramatisch über die gut ausgebaute Fahrbahn, hupft hier und da mal über die Unpässlichkeiten der Asphaltdecke.

In den Ortschaften herrscht größtenteils Unser-Dorf-soll-schöner-werden-Wohlfühlatmosphäre, nur gelegentlich glotzen Schaufenster aus der unglücklichen sozialistischen Geschichte auf die Bürgersteige, zeigen aber meist teure, global bekannte Waren wie Outdoor-Bekleidung oder Mobiltelefone.

Mit dem KTM X-Bow GT nach Rijeka

Und immer wieder Hinweisschilder für Wechselstuben, kroatische Kuna gäbe es hier einzutauschen, teils tatsächlich ohne jede "Provisor", wie geschäftstüchtig verkündet wird. Kroatien schloss sich zwar am 1. Juli 2013 der Europäischen Union an, nicht jedoch dem Euro, was für beide Seiten zunächst mal nichts Schlechtes bedeuten muss.

Wie auch immer, Rijeka lautet das Ziel für den knalligen KTM X-Bow, der Start lag vor ein paar Stunden in seiner Heimatstadt Graz. Der Grund? Nun, der Historiker würde einwenden: Klar, Rijeka stand lange, wenn nicht sogar am längsten in seiner, bis über die Kelten hinausreichenden Geschichte unter der Fuchtel der Habsburger, die nach 1526 von Graz aus regierten.

Der Grund für diese spezielle Reise liegt allerdings in der Befriedigung niederer und zugleich herrlicher Instinkte, nämlich verbranntes Gummi und heißes Öl zu riechen. In Rijeka beendet der X-Bow Battle, also der Markenpokal des österreichischen Hochgeschwindigkeits-Kohlenkastens, seine Saison, tobt über das 4.168 Kilometer lange Automotodrom Grobnik.

Hier wütete zwischen 1978 und 1990 immerhin die Motorrad-WM, jetzt liegt der weit geschwungene, sehr schnelle Kurs nur mäßig frequentiert zwischen schroffen, kargen Felsformationen herum. Und da uns versprochen wurde, sowohl mit dem GT – inklusive neuer Fahrwerksabstimmung und leichter Schmiedefelgen – als auch mit dem 365 PS starken, nochmals rund 40 Kilogramm leichteren RR über den Kurs fegen zu dürfen, waren wir schnell sowohl hin als auch weg.

KTM X-Bow GT bindet den Piloten voll ein

Also ab auf die Autobahn A 9 Richtung Süden, grobe Richtung Maribor, auf dem Beifahrersitz leichtes Gepäck statt Beifahrer, das Zweiliter-Turbo-Triebwerk bollert ein bisschen beleidigt bei Tempo 130 vor sich hin. Die Aussicht ist ebenso fantastisch wie das Wetter, kein massiver Rahmen stört, aber auch nicht tosender Fahrtwind, denn der krault nur ein wenig die Haarspitzen. Daher lieber runter von der Autobahn, ein kleiner Schlenker über die winkligen Landstraßen der südlichen Steiermark, meist zwischen Weinhänge eingebettet, muss sein, lässt den KTM X-Bow GT munter werden.

Vor einem schnupft die kantige Schnauze die Kurven auf, die liegenden Feder-Dämpferelemente arbeiten, hinter einem gurgelt und posaunt der 285 PS starke Vierzylinder, verträgt dank des maximalen Drehmoments von 420 Newtonmetern eigentlich immer den nächsthöheren Gang als zunächst vermutet. Mehr Unterhaltung als das kann kaum ein Auto bieten, Radio, Navi, Bremskraftverstärker, Servolenkung und selbst das ABS – obwohl durchaus eine an sich sehr begrüßenswerte Erfindung – fehlen jetzt gerade gar nicht, überhaupt nicht. Der KTM X-Bow GT lässt den Piloten nicht außen vor, nein, er bindet ihn viel mehr ein, als der es üblicherweise gewöhnt ist.

Längst zurück auf der Autobahn, kurz vor Maribor, wabern Schwaden heißen Fettgeruchs durch das karge Cockpit. Die besten und größten Krapfen gäbe es hier in Trojan, erklärt ein Wissender, praktisch gleich neben der Autobahn. Ein passabler Kaffee noch dazu, und wer will, furchtbaren Gartenzwerge-Kitsch.

KTM X-Bow bietet ordentlich Platz

Die Krapfen sind tatsächlich groß und auch artig, das Leistungsgewicht ist eh schon dahin, zudem hilft ja Masse dem Federungskomfort, etwas über 200 Kilometer müssen schließlich noch abgerissen werden. Nicht allein auf der Autobahn, natürlich, die wir nach Ljubljana irgendwo bei Postojna verlassen.

Schon hier mutet die Neusortierung von Vokalen und Konsonanten seltsam an, und wenn Deutsch-Muttersprachler das aussprechen, klingt es so, als poltere ein Kleinkind durch einen Haufen Holzklötzchen. Bei den Einheimischen bekommt die Sprache eine eigenwillige Melodie mit ruppiger Harmonie, ein bisschen wie ordentlicher Grunge-Rock.

Den Straßen geht derweil die Qualität aus, sie erfordern Aufmerksamkeit beim Detektieren jener Unebenheiten, die nicht mehr mit der Bodenfreiheit des KTM kompatibel sind, mäandern jedoch herrlich durch die hügelige Landschaft, nur wenig Verkehr stört das Fahrerlebnis – ebenso wenig wie der X-Bow selbst, der selbst größer und breiter gewachsene Fahrer nicht angewidert ausspuckt, sondern ihnen dank verstellbarer Pedalerie sowie Lenkrad einen ordentlichen Arbeitsplatz bietet.

Ach ja, Tanken muss man ja auch, zuletzt vor paarundfünfzig Kilometern. Dabei schaute der Fahrer eines höhergelegten Nissan Patrol belustigt von oben zu, um die 10.2 l/100 km spritzte sich das Triebwerk direkt ein, trotz des kurz übersetzten Sechsganggetriebes.

Los auf die Rennstrecke!

Auch die Wechselstuben hat der Zweisitzer längst passiert, ebenso den imposanten Grenzübergang nach Kroatien, der zugleich die mäßige Landstraße in eine neue vierspurige Autobahn auffächert, rechts darunter glitzert die Adria in den letzten Sonnenstrahlen. Vorbei an Opatja und Rijeka, noch ein kurzer Abstecher zur Strecke, die Michelin Pilot Sport 3 ein bisschen auf Temperatur bringen.

Bereits in der Anbremszone nach Start-Ziel schlägt der griffige Asphalt Wellen, der X-Bow wird unruhig – genau das kann ein ABS-loser Mittelmotorsportler überhaupt nicht gebrauchen. Doch die Räder behalten Bodenkontakt, der vierte Gang reicht locker für die erste Rechts, später sogar der fünfte, das Drehmoment macht's möglich. Auch in der folgenden Links-Doppelrechts-Links-Kombination braucht es keinen Gangwechsel, obwohl sich der Schalthebel durch seine Position geradezu aufdrängt. Die sechs Gänge liegen übrigens so eng beieinander wie Reihenhäuser.

Alles von gestern?

Die nächste Links versteckt ihren Scheitelpunkt weit hinten, nach Links-Rechts-Links geht es schnell bergab, alles noch im fünften Gang, Rechts-Links-Links bergauf, voll, lange Gerade, rauf in den sechsten, um 200 km/h, anbremsen. Mit dem KTM wird's hier irre schnell. Die Strecke macht Laune, wenngleich das Drumherum wirkt, als hätte sich die Welt in den Achtzigern aufgehört zu drehen, als ob sich gerade noch Zastava um Pokale balgten – vielleicht ist es ja auch so, wer weiß es schon.

Der GT stürzt sich wieder die lange Gerade herunter, schießt über die Bodenwellen, erarbeitet sich mit höchster Präzision Runde um Runde, das niedrige Gewicht hält die Reifen lange am Leben. Irgendwann droht der Feierabend, was nicht so schlimm ist, droht er doch mit Opatjas Uferpromenade, einer ordentlichen Halben, Grillfleisch, alternativ istrische Nudeln (nein, nicht Pasta). Und dass wir an den Wechselstuben nicht angehalten haben, macht keine Probleme: Das Servicepersonal legt keinen gesteigerten Wert auf kroatische Kuna – man akzeptiert gerne auch Euro.