Porsche-Chef Matthias Müller im Interview
"Größer muss der 911 nicht mehr werden"

Porsche-Chef Matthias Müller über den GT3-Rückruf, den neuen Macan, die E-Auto-Strategie und das Motorsportengagement der Marke.

Matthias Müller, Portrait
Foto: Dino Eisele
Sie haben den aktuellen GT3 zurück in die Werkstätten beordert, nachdem es bei zwei Autos zu Bränden gekommen war. Was ist die Ursache für die Brände, und wie wird das Problem behoben?

Müller: Uns war zunächst einmal wichtig, jedes Risiko für unsere Kunden auszuschließen, sobald wir von den beiden Einzelfällen erfahren haben. Ich weiß, wie frustrierend es sein kann, wenn man so ein tolles Auto in der Garage hat und es nicht fahren soll. Und ich verstehe nur zu gut, dass viele Kunden deshalb verärgert sind. Aber Sicherheit duldet keine Kompromisse. Das Problem war im weitesten Sinne ein Motorenproblem. Bei den beiden Fahrzeugen hat sich im Bereich der Pleuel eine Schraube gelöst. Wir wissen mittlerweile, warum das passiert ist, und erarbeiten nun Maßnahmen, die so etwas in Zukunft verhindern. Diese werden wir dann an allen neuen GT3 umsetzen. Außerdem wollen wir unseren Kunden einen Ausgleich für ihren unfreiwilligen Verzicht anbieten. Es gibt übrigens durchaus Käufer, die unser Vorgehen genau richtig finden und uns das auch mitteilen.

Unsere Highlights
Hat das Auswirkungen auf die Einführung des GT3 RS, die im Sommer anstehen sollte?

Müller: Das kann man im Moment noch nicht absehen, aber wir wollen erst sicher sein, dass es mit dem anderen Motor kein Problem mehr gibt.

Bei allen anderen Porsche-Modellen gibt es ja derzeit nur Erfolgsgeschichten. Wird der neue Macan auch eine? Wie sieht es mit dem Auftragseingang aus?

Müller: Eine ganz präzise Antwort kann ich zwar noch nicht geben, weil der Marktstart in einigen Regionen erst zeitversetzt stattfindet, aber wir sind mit dem Auftragseingang sehr zufrieden.

Sind Sie denn gerüstet, wenn es zu einem Ansturm der Kunden kommt?

Müller: Sollten die Kapazitäten nicht reichen, sind wir über Arbeitszeitmaßnahmen in der Lage, darauf zu reagieren.

Um wie viele Einheiten könnten Sie die Kapazität erhöhen?

Müller: Wir können relativ problemlos um einige Tausend Einheiten pro Jahr erhöhen.

Machen Sie es davon auch abhängig, ob Sie später günstigere Basismotoren bringen?

Müller: Das ist genau das, was wir uns jetzt in der Anlaufphase erst einmal anschauen werden. Wenn das Auto im Markt heute schon perfekt angenommen wird, werden wir sicher keine anderen Basismotoren für den Weltmarkt anbieten, weil wir mit den aktuellen Derivaten zunächst mehr Ergebnisbeitrag erwirtschaften. Damit schaffen wir zudem eine ideale Ergänzung zum aktuellen Angebot des Volkswagen-Konzerns.

Stellt sich nicht generell die Frage, wie weit Sie Stückzahlen der exklusiven Marke Porsche nach oben schrauben können?

Müller: Das ist in der Tat eine gute Frage. Im Moment haben wir weltweit einen Marktanteil von etwa 0,2 bis 0,3 Prozent. Das heißt, von 1.000 Autos sind zwei bis drei von Porsche. Und selbst wenn wir nochmals wachsen würden, während sich der Weltmarkt in Richtung 85 Millionen Autos entwickelt, bleibt der Marktanteil immer noch in der gleichen Größenordnung. Ja, wir werden mit dem Macan wachsen und haben sicher auch noch Potenzial für eine siebte Baureihe, aber eines sage ich hier ganz klar: Porsche wird keine Volumenmarke werden.

Vielen 911-Fans ist die aktuelle Baureihe fast schon etwas zu groß geworden. Wird die nächste Generation wieder etwas kompakter?

Müller: Wir sind mit der Größe des 991 ganz zufrieden, aber ich gebe Ihnen recht, größer muss der Elfer nicht mehr werden. Und das wird bei der nächsten Generation die Herausforderung: neue Technologien wie den Plug-in-Hybrid unterzubringen, ohne dass das Auto weiter wächst.

Wie sieht denn die Elektroautostrategie von Porsche aus? Sie haben immerhin mal eine E-Version des Boxster als Studie gezeigt. Wird es denn neben einem Plug-in-Hybriden auch ein reines E-Auto geben?

Müller: Ja, natürlich denken wir darüber nach. Wir haben dieses Auto übrigens immer weiterentwickelt. Und sicherlich halten wir uns die Option offen, bei der nächsten Generation auch eine reine E-Version zu bringen.

Spielt es Ihnen dabei in die Karten, dass sich die Batterietechnologie nun doch schneller zu entwickeln scheint? Sprich: Batterien werden kleiner, leichter und leistungsfähiger.

Müller: Sicher, das gilt für die gesamte Branche. Doch gehen Sie davon aus, dass unsere Entwickler nicht nur in der Zeitung darüber lesen, was andere in dem Bereich machen.

Gut, aber wird es ein E-Auto mit oder ohne Range Extender?

Müller: Sicher ohne, denn vom Range Extender halte ich persönlich gar nichts. Und die Reichweite von reinen E-Fahrzeugen müsste meines Erachtens mindestens 300, besser 400 Kilometer betragen – mit schnellen und überall verfügbaren Ladeoptionen. Alles andere macht für mich keinen Sinn.

Muss ein Porsche immer made in Germany sein?

Müller: Wir lassen ja bereits seit 2002 einen hohen Anteil des Cayenne bei Volkswagen in Bratislava vorproduzieren. Trotzdem sind die hohen Investitionen in Leipzig, Weissach und Zuffenhausen für uns ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland – und für Porsche-Fans, insbesondere bei den Sportwagen, in der Welt ein markenprägendes Attribut. Vielen ist allerdings am wichtigsten, dass ein Porsche in Deutschland entwickelt ist.

Nicht zuletzt mit Ihrem Engagement in Le Mans wollen Sie bei der Marke Porsche wieder stärker die Sportlichkeit betonen. Wie laufen die Vorbereitungen?

Müller: Alles läuft planmäßig. Im Herbst hatten wir noch mit einigen größeren Problemen zu kämpfen, die wir aber relativ schnell lösen konnten. Die ersten Tests in Bahrain und Sebring haben gezeigt, dass wir schnell und einigermaßen stabil unterwegs sind, auch wenn wir noch nicht in der Spitze mitfahren. Aber das macht uns derzeit keine großen Sorgen.

Gehen Sie entspannt in die Saison? Ist das erste Jahr nur dazu da, um zu lernen?

Müller: Um entspannt zu sein, bin ich viel zu sehr Sportler. Das Auto muss wettbewerbsfähig sein. Wenn wir so ein Projekt angehen, dann nicht, um hinterher-, sondern um vorne mitzufahren. Bei Langstreckenrennen kann aber viel passieren, und jeder weiß, dass die Konkurrenz große Erfahrung hat. Davor haben wir großen Respekt.

Der Porsche 919 verfügt über eine Kombination aus Vierzylinder-Turbomotor und zwei Hybridsystemen. Wie sieht es denn mit einem Vierzylinder für die Serienfahrzeuge aus?

Müller: Wir werden natürlich auch bei den Seriensportwagen weiter Downsizing betreiben und einen Vierzylinder-Boxer entwickeln, der bereits in der nächsten Generation von Boxster und Cayman zum Einsatz kommen wird. Das heißt schlicht, dass Porsche sich von der notwendigen weiteren CO2-Reduzierung nicht abkoppeln wird.

Welche Leistung wird der Motor haben?

Müller: Der Vierzylindermotor wird bis 400 PS leisten.

Kommen wir zum 918 Spyder. Sie wollen zwar nur 918 Autos bauen, noch sind aber lange nicht alle verkauft, oder?

Müller: Nein, aber wir sind dennoch voll im Plan. Die Produktion läuft ebenfalls problemlos. Viele Interessenten hatten noch nicht einmal die Gelegenheit, das Auto Probe zu fahren. Wir liefern ja erst jetzt Ende März die ersten Kundenautos aus. Außerdem versuchen einige Konkurrenten, uns Kunden mit leeren Versprechungen abspenstig zu machen. Da wird sicher noch der eine oder andere Interessent in dieser Liga sich für unser Auto entscheiden.

Werden Sie auch zukünftig wieder einen Supersportwagen machen? In diesem Segment ist die Luft sehr dünn. Wäre nicht ein etwas günstigeres Auto besser?

Müller: Erstens: Wir werden sicher auch in Zukunft weiter Supersportwagen bauen. Zweitens: Das heißt aber nicht, dass nicht auch zwischen 911 Turbo und 918 Spyder noch viel Platz für Ideen ist.

Sie haben angekündigt, bereits 2015 die Marke von 200.000 Einheiten zu knacken. Brauchen Sie für Ihren Wachstumskurs noch weitere Mitarbeiter?

Müller: Natürlich suchen wir immer weiter den besten Nachwuchs bei Ingenieuren und allen anderen Funktionen wie IT und Einkauf, doch wir haben ja bereits stark aufgestockt. Bei knapp über 20.000 Mitarbeitern ist das Team im Prinzip auf die angestrebte Zahl von Baureihen und Einheiten pro Jahr ausgerichtet.

Beim Thema Autonomes Fahren reagieren Sie zurückhaltend. Wie sehen Sie die stärkere Vernetzung des Autos zum Beispiel mit Internet oder Smartphones?

Müller: Die Vernetzung fördert den Komfort, doch beim autonomen Fahren werden wir nicht die Ersten sein, da Porsche-Fahrer sich in der automobilen Welt über andere Werte definieren: Der Genuss am sicheren sportlichen Fahren steht klar im Vordergrund. Wir müssen deshalb nicht alles tun, was uns Google, Apple, Samsung und Co. anbieten. Außerdem: Der Autofahrer darf heute nicht ohne Freisprecheinrichtung am Steuer telefonieren, soll aber in Zukunft im Fahrzeug gleich mehrere Bildschirme parallel bedienen. Für mich persönlich passt das noch nicht so recht zusammen.

In der Porsche-Belegschaft wird mit sehr großem Respekt über Sie gesprochen. Sie sind ausgesprochen beliebt bei den Mitarbeitern. Wie erklären Sie sich das?

Müller: Das freut mich zu hören. Ich habe als Fußballer gelernt, dass der beste Spieler ohne sein Team nichts wert ist. Und ich habe ein sehr gutes Team, das diese Maxime genauso verinnerlicht hat und lebt. Und wenn ich am Abend den Mitarbeitern vom Reinigungsservice die Hand gebe, dann fühlen auch die sich wertgeschätzt. Und sie tragen das vielleicht weiter. Als unser Betriebsratschef Uwe Hück bei meinem Antritt mit mir über diesen Porsche-Spirit gesprochen hat, habe ich noch nicht so richtig gewusst, was das heißt. Aber das Unternehmen hat nach wie vor eine familiäre Atmosphäre, die es so besonders und stark macht. Und wir versuchen, diese aufrechtzuerhalten.