Sparprogramme deutscher Autohersteller
Gewinne rauf, Ausgaben runter

Bernd Ostmann über die deutschen Autobauer, die trotz satter Gewinne knallharte Sparmaßnahmen planen.

Bernd Ostmann
Foto: auto motor und sport

Sie schwimmen auf der Woge der Glückseligkeit, feiern Absatzrekorde und fette Gewinne. Gleichzeitig jedoch verordnen deutsche Automanager ihren Unternehmen harte Sparprogramme. Eine verrückte Welt – oder vorausschauendes Handeln? BMW schraubte seine Umsatzrendite gerade von 9,1 auf 12,2 Prozent nach oben. Trotzdem gibt es Sparmaßnahmen: Die Bayern streichen in den deutschen Werken Arbeitspausen – im Wert von 100 Millionen Euro jährlich.

Sparprogramme der deutschen Autobauer

Audi liegt nach sieben Monaten nur noch 12.000 Fahrzeuge hinter BMW, wenn man Mini und Rolls-Royce nicht dazurechnet. Audi-Chef Rupert Stadler sieht seine Marke zwar auf einem guten Weg, aber: "Wer mehr Autos verkauft, verdient damit nicht automatisch mehr Geld." Weil die Umsatzrendite von 10,5 auf 10,1 Prozent fällt, wird auch in Ingolstadt der Gürtel enger geschnallt. Das Sparprogramm nennt sich "Business 2.0". Es gibt Einschnitte bei der Entwicklung, der Produktion, den Investitionen in neue Standorte, und es sollen mehr Teile preiswerter im Ausland eingekauft werden.

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Der dritte Noble im Bunde, Mercedes-Benz, konnte nicht nur beim Absatz, sondern auch bei der Rendite zulegen. Die kletterte von 6,4 auf 7,9 Prozent. Nicht genug. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat zehn Prozent versprochen. Und dafür wird nach "Fit for Leadership" eine neue Sparwelle durchs Haus schwappen. Zwei Milliarden Euro werden bereits bis Ende dieses Jahres eingespart. Nun sollen bis Ende 2020 weitere 3,5 Milliarden dazukommen: Bei den Fixkosten sollen zwei Milliarden abgezwackt werden, in der Produktion eine und bei den Etats für künftige Modelle 1,5 Milliarden.

So detailliert hat man sich bei Volkswagen noch nicht festgelegt, aber das Ziel von jährlich fünf Milliarden bis 2017 ist schon mal an die Wand gemalt. Und selbst bei Porsche, im ersten Halbjahr mit einer Umsatzrendite von 17 Prozent der Branchenprimus, hat Finanzvorstand Lutz Meschke für Aufruhr gesorgt, als er von den Produktionern mehr Effizienz forderte: "Alles muss auf den Prüfstand – auch die Steinkühler-Pause." Benannt nach dem ehemaligen Gewerkschaftsführer Franz Steinkühler, wurde die Pause 1973 in einem dreiwöchigen Streik erstritten und nicht einmal in der schweren Porsche-Krise 1992 bis 1994 angetastet.

Mehr Aufträge an Zulieferer?

Warum gerade jetzt solche Einschnitte? Nur um die Rendite noch etwas nach oben zu schrauben? VW-Chef Martin Winterkorn plagt in der Tat ein Renditeproblem: Der Kapitalertrag sank bei der Marke Volkswagen im ersten Halbjahr von 3,0 auf 2,1 Prozent. Aber der Konzernlenker hat weit grundsätzlichere Sorgen: "Die Automobilbranche steht vor massiven Umbrüchen. Und wir werden vieles von dem, was wir heute tun, grundlegend infrage stellen."

Die Globalisierung mit immer weiteren Fabriken in entlegenen Weltregionen verschlingt Milliarden. Bislang war die Produktion ein Kernthema der Autobauer. Aber sowohl bei Mercedes wie bei VW stellt man jetzt die Frage, "welche Arbeiten künftig Zulieferer übernehmen könnten". Auch das Produktangebot wird weiter wachsen. Mercedes wird bis 2020 nicht weniger als 20 neue Modelle bringen, die keinen Vorgänger haben. Und der VW-Konzern wird sein SUV-Angebot von derzeit acht Modellen bis 2016 auf 14 fast verdoppeln.

Das stellt den Vertrieb vor ein beinahe unlösbares Problem. Denn welcher Händler kann sich schon 30 Grundmodelle, auf die Audi zusteuert, in den Showroom stellen? Aber besucht der Kunde künftig überhaupt noch den Händler, oder muss man ihm das "Markenerlebnis" auf ganz andere Weise näherbringen? Das Kundenverhalten verändert sich rasant. Dies zeigt beispielsweise auch der Erfolg von Tesla. Der amerikanische Autopionier hat es geschafft, zumindest in Kalifornien die etablierten Nobelmarken locker auszubeschleunigen.

Neue CO2-Limits bis 2025 möglich

Google wird mit seinem autonom fahrenden Playmobil noch vielerorts belächelt. Aber der IT-Gigant hat sich mit Alan Mulally, dem ehemaligen Ford-Boss, einen aus der Autobranche an Bord geholt. Und wenn es um das autonome, unfallfreie Fahren geht, dann scheinen die IT-Experten aus dem Silicon Valley bei den zu bewältigenden Datenmengen, der Datenspeicherung, dem Datenmanagement, der Rechenleistung und der Datensicherheit ohnehin klar die Nase vorn zu haben.

Und während die IT-Branche auf prall gefüllten Kriegskassen sitzt, haben die Autobauer noch einen ganz anderen Klotz am Bein: die Kosten der CO2-Reduktion. Die vorgeschriebenen 95 Gramm pro Kilometer für 2021 sind gesetzt, doch jetzt wird in Brüssel bereits die nächste Hürde für 2025 diskutiert. 70 bis 75 Gramm wären speziell für die deutschen Premiumhersteller ein dramatischer Einschnitt. Große Limousinen und große SUV würden aus dem Markt verschwinden. BMW-Chef Norbert Reithofer: "Wir sind in dieser Sache lösungsfrei."

Die Europäische Kommission fährt derweil einen harten Kurs, während in anderen Weltregionen, beispielsweise in Amerika oder China, die CO2-Reduktion viel lockerer angegangen wird. Große Pickups, mit denen in Amerika das Geld verdient wird, werden finanziell geschont. Die Zulassung von Elektroautos wird dafür beim Flottenverbrauch mehrfach angerechnet. Kein Wunder, dass bei den deutschen Autobauern trotz glänzender Geschäfte so etwas wie Krisenstimmung herrscht.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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