Audi A3 und VW Golf IV im Fahrbericht
Ungleiche Brüder im Vergleich

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Audi A3 der ersten Generation und VW Golf IV basieren auf der gleichen Plattform – dennoch ist der Volkswagen das optisch modernere Auto mit seinen markanten Klarglas-Scheinwerfern. Einen sichtbaren Premium-Touch haben beide Kompakten.

Volkswagen Golf 1.9 TDI, Audi A3 1.9 TDI, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Mit kosteneffizienter Gleichteile-Strategie hat Audi Erfahrung: So sollte der im Jahr 1974 debütierende Audi 50 nicht lange alleine bleiben – bereits zwölf Monate später feierte sein Zwillingsbruder im Gewand des ersten Volkswagen Polo Premiere. Doch so plump lief das Mitte der 90er-Jahre dann längst nicht mehr.

Zwar basieren der erste Audi A3 mit der internen Bezeichnung 8L sowie die vierte VW-Golf-Generation auf der gleichen Plattform, doch der Laie sollte davon nichts sehen. Wieder einmal ließ der Konzern seiner sportlichen Marke den Vorzug: 1996 wurde der Kompakte aus Ingolstadt auf den Markt gebracht. Gezeichnet hat ihn Peter Schreyer – junge Autofans begeistert er heute mit schneidigem Kia-Design. Das modernere Aussehen verpassten die Gestalter um Hartmut Warkuß allerdings dem VW Golf – was jedoch nicht durch das Blechkleid, sondern durch die modern anmutenden Klarglas-Scheinwerfer erreicht wird.

VW Golf IV insgesamt mit der moderneren Optik

Während Audi im Segment der unteren Mittelklasse damals Neuland betrat und demnach keine Stammkunden verprellen konnte, musste der Bestseller und Traditionalist Golf einen Spagat hinlegen: Einerseits durfte man die Stammklientel nicht verschrecken und brauchte ein konservatives, behutsam weiterentwickeltes Outfit – andererseits aber sollte die Kreation keinesfalls altbacken erscheinen.

So gesehen ist den Designern ein guter Wurf gelungen. Die markanten Lampen, die einen Blick auf das Innenleben zulassen, sorgten für frischen Wind und begründeten zugleich einen neuen Designtrend, den das technisch verwandte Schwestermodell aus Oberbayern zunächst noch nicht mitmachte. Nur wenn man Xenon geordert hatte, erstrahlte das Licht aus fortschrittlichen Projektionslinsen.

Fast 20 Jahre nach Erscheinen von Audi A3 8L und Volkswagen Golf IV wirken die langsam zu Youngtimern heranreifenden Allrounder noch frappierend modern. Dass der Mensch zum Verdrängen neigt, zeigt das Wiedersehen mit den Fast-Klassikern. Seit wann gibt es noch einmal Navigationssysteme? Golf IV und A3 Nummer eins konnten damit bereits werksseitig ausgeliefert werden. D-Netz-Autotelefon – wie bitte, in einem Golf? Gegen 1.650 Mark kein Thema. Ist schon okay, wir fragen jetzt gar nicht nach Dingen wie ESP, Klimaanlage, Regensensor oder Tempomat – alles machbar, wie der Blick in alte Preislisten zeigt.

Besitzen Audi A3 und Golf IV Youngtimer Spirit?

Klingt ja fast ein bisschen langweilig nach moderner Verbrauchtauto-Materie. Wo bleibt hier der Youngtimer-Spirit? Zugegeben, so richtig wollen die beiden Massenvehikel noch nicht in eine Sammlergarage passen. Doch warum nicht schon heute an morgen denken? Noch ist das Angebot üppig, und zwischen den heruntergerockten Rest-TÜV-Angeboten schlummert das eine oder andere gepflegte Exemplar aus Rentnerhand.

Unsere beiden Fotokandidaten mit dem berühmten TDI-Motor dagegen waren ungeschonte Arbeitstiere. Mit Laufleistungen von fast 160.000 (Golf) respektive 300.000 Kilometern (A3) fahren die kompakten Brüder jedoch noch erstaunlich straff. Allerdings leidet der Ingolstädter an abgewetzten Schaltersymbolen, der Zahn der Zeit nagt eben doch. Dafür sind die Polster in beiden Fällen noch frisch und fühlen sich kaum durchgesessen an. Mit dem VW Golf könnte man gefühlt locker an einem Stück ganz Deutschland durchqueren – hätte er doch nur einen Tempomaten. Serienmäßig waren solche Luxusgüter freilich nicht. Beim deutlich weiter gereisten Audi A3 schaltet das Gehirn automatisch in den Sorge-Modus: Reißt der Zahnriemen vielleicht bald? Oder: Halten die Pumpe-Düse-Elemente durch?

Audi A3 und Golf VI mit den charakteristischen TDI-Motoren

Ab dem Jahr 2000 ersetzt Volkswagen seinen Direkteinspritzer-Diesel mit Verteiler-Einspritzpumpe durch die kernig klingenden Pumpe-Düse-Aggregate. Die bei anderen Marken üblicherweise eingesetzten Common-Rail-Maschinen brachten es kaum auf 1.600 bar Einspritzdruck. Genial beim Pumpe-Düse-System ist aus damaliger Sicht die für jeden Zylinder eigene Pumpeneinheit, um hohe Einspritzdrücke (fast 2.000 bar) und damit eine effiziente Verbrennung zu erlauben dank feiner Gemischzerstäubung. Inzwischen schaffen die Common-Rail-Selbstzünder sogar 2.500 bar und bieten dabei eine hochvariable Dosierung des Kraftstoffes.

Als Audi A3 und VW Golf IV eingeführt wurden, hatte der Diesel längst die Herzen der Vielfahrer erobert. Selbstzünder waren nur wenige Jahre zuvor zwar sparsam, aber dafür auch unerträglich lahm. Mit den neuen Einspritztechniken und Turboaufladung avancierten sie zu wahren Drehmoment-Monstern. Nach einer klitzekleinen Anfahrschwäche werfen sich je nach Ausführung zwischen 240 und 320 Newtonmeter in den Antriebsstrang. Souverän surft man auf der Drehmomentwelle – und jeder winzige Gasstoß wird konsequent in dynamischen Vortrieb umgesetzt. Da kommen bei manchem Benziner-Fan Nostalgiegefühle auf und Erinnerungen an erste Probefahrten mit den entsprechenden Vorführwagen. Die im Vergleich zu den auf einmal müden Saug-Ottos mühelose Kraftentfaltung tröstet über das hässliche Geräusch hinweg.

Selbst die 100-PS-Variante, in der unser schwarzer Foto-A3 vorfuhr, bietet gefühlt mehr Punch, als man im Alltag eigentlich braucht. Mit sanftem Nachdruck schiebt der Frontkratzer seine Passagiere in die Sitze und kommt flugs in Fahrt. Lustlos wird er erst oberhalb der Richtgeschwindigkeit, wo es nicht mehr so sehr interessiert. Der Golf mit 115 PS und sechs statt fünf Gängen beschleunigt einen Tick feuriger. Sein Schalthebel witscht dafür etwas hakeliger durch die Gassen als der des Audi – sind eben keine Neuwagen.

GTI steht beim Golf IV nicht für Performance

Augen auf beim Autokauf: Die Interessenten haben unzählige Möglichkeiten, TDI zu genießen. Bei den frühen Ausgaben darf man zwischen 90 sowie 110 PS (Verteiler-Einspritzpumpe) wählen, während die Pumpe-Düse-Ausführungen auch noch 130 und 150 PS freisetzen können. Dabei handelt es sich um die jeweiligen Topmotoren bei A3 und Golf.

Das 150-PS-Kraftwerk passt übrigens perfekt zum GTI, der beim Golf IV nur eine Linie und keineswegs Garant für viel Power ist. Auch unser 115-PS-Fotofahrzeug trägt das Traditionskürzel. Dass die damaligen Marketingstrategen so etwas möglich machten, ist eigentlich peinlich und des Labels kaum würdig. Zig Ausstattungs- und Motoroptionen (darunter glücklicherweise auch Benziner mit fünf und sechs Zylindern) sowie Sondermodelle prädestinieren den Golf IV analog zu den Vorgängern zum Sammlerauto. Eine Eigenschaft, die dem etwas langweilig daherkommenden Audi A3 abgeht.

Statt GTI-Bonus bekamen die Kunden auf Sonderwunsch die etwas unbeholfen klingende S-Line. Und mehr „premium“ als beim Golf wirkt auch die Innenarchitektur des A3 nicht, obwohl der als Neuwagen deutlich teurer war als sein Plattformbruder aus Wolfsburg. Dieser kostete 1999 als 90-PS-TDI nämlich 4.000 Mark weniger als ein gleich starker Audi A3. Ein Betrag, für den man heute wahlweise einen A3 8L oder einen VW Golf IV bekommt, TÜV inklusive.

Fazit

A3 oder Golf, das ist die Frage. Solide bis in Hunderttausende Kilometer sind beide, doch der VW ist das schönere Sammelobjekt mit seinen unzähligen Varianten und Sondermodellen. Aber: Auch der A3 ist interessant als Audis erster Kompakter.

Technische Daten
Audi A3 1.9 TDI AmbienteVW Golf 1.9 TDI Trendline
Grundpreis21.450 €19.175 €
Außenmaße4152 x 1735 x 1427 mm4149 x 1735 x 1444 mm
Kofferraumvolumen350 bis 1100 l330 bis 1184 l
Hubraum / Motor1896 cm³ / 4-Zylinder1896 cm³ / 4-Zylinder
Leistung74 kW / 100 PS bei 4000 U/min85 kW / 115 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit188 km/h195 km/h
Verbrauch5,0 l/100 km5,2 l/100 km
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Motor Klassik 05 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten