Porsche 996 (1997-2006) Fahrbericht
Warum der erste wassergekühlte 911 fasziniert

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Hören Sie nicht auf die ewigen Nörgler, wenn Sie sich Ihren Elfer-Traum zum Einstandspreis erfüllen wollen – der erste wassergekühlte 911 fährt sich natürlich wie ein 911. Der Run auf gute Exemplare ist bereits im Gang.

Porsche 996, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Sie haben es richtig gut gemeint, die Kollegen aus dem Porsche- Museum. Ein 996 für Fotozwecke? Gerne, kein Problem, der Wagen stünde jederzeit bereit. Wir hatten da automatisch an ein frühes Exemplar gedacht, also an ein Modell mit den glupschigen Scheinwerfer-Blinker-Einheiten, die immer ein wenig wie zerlaufene Spiegeleier aussehen, und mit dem die Wasserboxer-Ära im Jahr 1997 begonnen hatte. Eben jener Vor-Facelift-996, welcher derzeit preislich gesehen den Einstieg in den begehrenswerten Elfer-Kosmos markiert.

Und nun? Nun rolle ich zusammen mit unserem aus Mexiko stammenden Fotografen Arturo Rivas in einem piekfeinen Jubiläums-Sondermodell „40 Jahre 911“ aus dem Jahr 2003 vom Hof, das uns daran erinnern soll, dass der erste Elfer bereits vor vier Jahrzehnten auf die Räder gestellt wurde, also 1963 – was der produzierten Stückzahl dieses ausschließlich im Silbergrau eines Carrera GT erhältlichen Modells entspricht. Natürlich trägt so ein Jubilar ein paar erfreuliche Extras mit sich herum, beispielsweise die Frontschürze des Carrera 4S beziehungsweise Turbo-Modells, auf Hochglanz polierte, ausschließlich für dieses Modell gefertigte 18-Zöller, Ledervollausstattung, Xenon-Licht sowie zusätzliche 25 PS.

Porsche 996 – Einstieg ab 17.000 Euro

Für rund 17 Riesen dürfte jedoch niemand diese Sonderversion freiwillig hergeben. Aber einen guten 996 der ersten Baujahre sollte man dafür erlegen können – weil die Gesetze draußen auf der Straße für alle gleich sind: zwischen 15 und 20 Jahre alt? Gestrandet im tiefen Tal der Tränen. Der Vorbesitzer scheut die verstärkt fälligen Wartungskosten, während viele Elfer-Fans so junge Exemplare noch nicht auf ihrem Radar haben. Obendrein schlägt sich die fünfte Elfer-Generation auch noch mit einem subtilen Image-Problem herum – zu weich, zu weiblich, zu bequem. Das drückt ebenfalls auf den Preis. Noch.

Porsche 996, Frontansicht
Arturo Rivas
Unser Jubiläumsmodell trägt das Silbergrau des legendären Carrera GT.

Wir stauen uns raus aus der Stadt, peilen eine Landstraße am Rande des nördlichen Schwarzwalds an. Klassisches Elfer-Revier, hügelig und kurvig. Die Testfahrer aus dem nahen Porsche- Entwicklungszentrum in Weissach wissen schon, warum es sie regelmäßig hierhin verschlägt. 1992 hatte man dort im Angesicht einer drohenden Pleite das einzig Richtige getan – ein betagtes Motorenkonzept fit für das 21. Jahrhundert gemacht.

Der Boxster lässt grüßen

Luftgekühlt waren weder die immer strengeren Abgasvorschriften noch die vorgegebenen Ansprüche hinsichtlich der Motorleistung zu realisieren. Das Ableben des klassischen 911 – es war definitiv nicht mehr aufzuhalten. Und, seien wir ehrlich, es hätte schlimmer kommen können, viel schlimmer, auch wenn sich Hardliner lange daran gestört haben, dass ein Porsche 996 dem ein Jahr zuvor präsentierten Boxster aus Kostengründen wie aus dem Gesicht geschnitten ist und sich auch noch das Cockpit mit dem preiswerteren Stallgefährten teilen muss. Allerdings mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Wo sich der Boxster mit drei ineinander verschlungenen Rundinstrumenten begnügt, sind es beim Elfer immerhin fünf. Die zwei zusätzlichen Mini-Anzeigen rechts und links außen informieren über den Ladezustand der Batterie sowie über den Öldruck.

Die Neuinterpretation der traditionellen Linie – sie ist für die Sportwagenschmiede aus Zuffenhausen der dringend benötigte Verkaufserfolg. Als Porsche 2005 die 996-Baureihe einstellt, haben rund 175.000 Einheiten die Werkshallen verlassen, als puristischer Carrera 2 mit Handschaltung, als 4S, als Turbo, als Cabrio, als Targa, als GT2, als GT3 und als eines der beiden Sondermodelle „Millenium Edition“ und „40 Jahre 911“. Von etwas anderem als von einem Bestseller zu reden, hieße die Wahrheit zu verdrehen.

Porsche 996 fährt auch wie ein echter Elfer

Bevor nun aber alle Traditionalisten diesen Fahrbericht endgültig verschmähen – ein 996 fährt sich wie ein echter Porsche 911, Wasserkühlung hin oder her. Nur anfangs gibt sich der komplett neu konstruierte 3,4-Liter-Hightech-Vierventil-Boxer mit seinen variablen Steuerzeiten für die Einlassventile (VarioCam) und insgesamt vier obenliegenden Nockenwellen recht harmlos. Kein metallisches Kipphebelklickern, kein Lüfterrauschen (klar) und kein Röcheln mehr, sondern nur ein, hm, wie sag ich es durch die Blume? – braves Summen. Die ganze Aufregung und Anspannung im Heck gleich nach dem Start – wie weggeblasen.

Sobald jedoch Dynamik ins Spiel kommt, herrscht wieder echte Freude am Steuer. Ungezwungen und dabei auch noch nahezu vibrationsfrei dreht dieser Wasserboxer in Bereiche, die bis dahin tiefrot waren. Und ab 5.000 Touren stimmt auch wieder der Sound, schallt jenes herrliche Boxer-Sägen durch die Kabine, wie wir es vom Flat-Six der Vorgänger gewöhnt sind. Kein Zweifel, hier arbeitet ein in der Basisversion 300 PS starker Sportwagenmotor, der sich mit seinem Drehvermögen deutlich vom alten Boxer unterscheidet – Schluss ist erst bei 7.300 Touren.

Eine Nummer größer als der 993

Eine kurze Pause auf einem Waldparkplatz für ein paar Schritte, um das Auto aus allen Perspektiven zu betrachten. Speziell von schräg hinten sieht so ein 996 – seiner Taille beraubt – noch bulliger als sein Vorgänger aus, der fast schon kultisch verehrte 993, den er in der Länge um ganze 18,5 Zentimeter übertrifft. Die flacher geneigte Frontscheibe des 996 sowie dessen stärker gewölbte Dachkontur lassen den Vorbau und das Heck des Sportwagens dabei allerdings kürzer erscheinen, als sie es in Wirklichkeit sind.

Porsche 996, Cockpit
Arturo Rivas
Im Cockpit ist die Verwandtschaft zum Boxster weiterhin erkennbar.

Das Facelift im Jahr 2001 hat dem Auto obendrein gutgetan, die viel kritisierten Boxster-Elemente sind durch eine modifizierte Front (die „Spiegelei“- Scheinwerfer wurden bereits 1999 optisch „entschärft“) und geänderte Heckleuchten kaum noch zu erkennen. Mit den optischen Überarbeitungen wachsen ebenso Hubraum und Leistung: 3,6 Liter und 320 PS sind ab 2001 die neuen Carrera-2-Eckdaten, und jetzt soll endlich auch Schluss mit den leidigen Motorschäden sein, die anfangs das Image des 996 getrübt haben. Die Turbos und die hoch drehenden GT3 waren davon jedoch nicht betroffen, ihre kostspielige und komplexe Technik genießt den Ruf der Unzerstörbarkeit, ist erwartungsgemäß allerdings auch nicht für den genannten Einstandspreis zu haben.

Für die Vernunft und für das Fahrer-Herz

Zurück in den Fahrersitz. Ein Blick genügt, um sich in einem Porsche 996 ebenso heimisch zu fühlen wie in seinen Vorgängern: links vom Lenkrad das Zündschloss und der Drehzahlmesser weiterhin in der Mitte – klassische Elfer-Welt, über viele Jahre gepflegt und kultiviert. Was allerdings wirklich überrascht, ist die Geräumigkeit in der Kabine. 17 Zentimeter Zuwachs in der Länge gegenüber dem Vorgänger 993 – ab jetzt finden auch so baumlange Fahrer wie der Röhrl endlich eine angemessene Sitzposition, wie der Projektleiter des 996, Bernd Kahnau, bei der Präsentation einst mitteilte.

Porsche 996, Heckansicht
Arturo Rivas
Ungezwungen und dabei auch noch nahezu vibrationsfrei dreht dieser Wasserboxer in Bereiche, die bis dahin tiefrot waren.

Noch einmal eine Runde durch den Schwarzwald. Genial, wie sich so ein 996 innerhalb weniger Kilometer einschmeichelt, jede noch so kleine Gaspedalbewegung umgehend in Vortrieb verwandelt, während die leichtgängige Lenkung selbst bei schnellen Manövern jederzeit zentimetergenaues Fahren ermöglicht, und zwar ohne dass sich Schweißperlen auf der Stirn bilden. Keine fiesen Heckattacken, sondern nur noch Traktion. Kein knallharter Kampf Mann gegen Auto in den Kurven, nein, eher ein spielerisches Durchfliegen und im Grenzbereich allenfalls ein dezentes Untersteuern. Selbst bei Vmax – immerhin 280 Sachen – läuft so ein 996 noch immer recht stoisch geradeaus.

Der große 996-Run wird kommen

Ja, es stimmt, schnelles 911-Fahren hat mit diesem Modell sicherlich an Exklusivität eingebüßt, was ihm viele 911-Puristen nie wirklich verziehen haben. Aber ein Softie? Hm, man könnte es auch anders ausdrücken: Aus dem Hinlanger-Männerauto von einst ist ein überlegener Sportwagen geworden.

Wie bitte, Sie verweigern einem 996 noch immer die Anerkennung als „echten“ Elfer? Ich könnte Ihnen jetzt von weitsichtigen Sammlern erzählen, die sich ihre Exemplare bereits gesichert haben, bevor der große Run endgültig losgeht (und die Preise abermals haltlos in die Höhe schießen). Es muss ja nicht gleich ein voll ausgestattetes Sondermodell wie auf diesen Bildern sein, nein, zum Einstand wäre ein facegelifteter Carrera 2 mit Handschaltung eigentlich schon eine feine Sache.

Fazit

Wasserkühlung hin oder her – so ein 996 ist zuerst einmal ein waschechter Elfer. Günstiger als mit diesem Modell lässt sich der Einstieg in den 911-Kosmos derzeit nicht verwirklichen. Wer kann, schlägt jetzt zu, denn noch ist die Auswahl groß und gut.