Porsche 914/6
Der Kurvenkünstler

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Seit 40 Jahren schreibt Klaus Westrup über Autos in auto motor und sport. Für Motor Klassik blättert er in seinem alten Notizbuch und erinnert sich, diesmal an einen Mittelmotor-Sportwagen, den Porsche 914/6.

Porsche 914/6, Seitenansicht
Foto: Archiv

Eine Schönheit ist der von VW und Porsche gemeinsam entwickelte 914 nicht geworden. „Der sieht ja aus, als habe er seinen Unfall schon hinter sich“, bemerkt der wegen seiner kessen Kommentare gefürchtete einstige BMW-Verkaufschef Paul G. Hahnemann. Zum technischen Konzept des neuen Autos schweigt der BMW-Verkäufer. Dabei gibt es auch dazu etwas zu sagen, allerdings nichts Abfälliges. Der 1969 debütierende 914, bald auch Volks-Porsche genannt, wird das erste deutsche Serienauto mit Mittelmotor.

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Sportwagen mit dem Boxer des Nasenbären

In der Basis ist das unmittelbar hinter der zweisitzigen Kabine rumorende Aggregat ein braver, 1,7 Liter großer und 80 PS leistender Vierzylinder-Boxer, der üblicherweise das nochmals hässlichere VW-Mittelklasse-Modell namens 411 antreibt – im Volksmund bald als Nasenbär tituliert.

Doch Porsche wäre nicht Porsche, hätte man nicht noch etwas Schärferes in der Hinterhand. Es ist der ebenfalls luftgekühlte Sechszylinder aus dem 911 T. Hier hat er 2,2 Liter Volumen und 125 PS, im 914/6 bietet er mit dem Ur-Hubraum von genau 1991 Kubikzentimetern 110 PS. Die Leistungsreduktion hat auch hierarchische Gründe. Die 911-Baureihe muss kräftemäßig über dem Zwitter stehen. Preislich ist der Abstand zwischen dem motorisch aufgewerteten 914 und dem originalen Elfer in Basis-Motorisierung verblüffend gering. Der 914/6 kostet knapp 20.000 Mark, der 911 T 21.000.

Es gehört also im Debütjahr 1970 schon ein wenig Enthusiasmus dazu, sich für den im Auftritt weit unattraktiveren Porsche 914/6 zu entscheiden. Auch Understatement mag eine Rolle spielen – oder einfach Technik-Begeisterung. Denn die Mittelmotor-Bauweise gilt als die konsequenteste, wenn es um bestmögliche Fahreigenschaften geht. Die hat der sechszylindrige VW-Porsche, und sie machen den ersten deutschen Vertreter dieses Konzepts zu einem Sportwagen von hoher Agilität und Fahrsicherheit, selbst in dem bei Mittelmotor-Autos sensiblen Kriterium des Geradeauslaufs.

Sicheres Handling mit Neigung zum Rollen

Der Testwagen ist mit Boge-Stoßdämpfern ausgerüstet und bietet damit eindeutig mehr Komfort als die zuvor verkosteten Vorserien-Wagen. Eine gewisse Vorsicht sollte nur in sehr schnell gefahrenen Wechselkurven walten, wo der Porsche 914 zu schaukelnden Rollbewegungen neigt. Aus heutiger Sicht erscheint die Seitenneigung recht ausgeprägt, damals jammert niemand, auch nicht über die erst bei sehr hohen Querbeschleunigungen einsetzende Übersteuer-Neigung. Für das sichere Handling des 914 spricht auch die Tatsache, dass Gaswegnehmen bei Kurvenfahrt nur einen geringen Einfluss auf die Stabilität hat.

Der Porsche 914/6 ist so schnell wie der 911

Fahreigenschaften braucht der Porsche 914/6, denn er ist ein schnelles Auto geworden. Höchstgeschwindigkeit 207 km/h, genauso rasant wie der in der Hierarchie darüber postierte 911 T. Und bei der Beschleunigung kann Porsche offensichtlich nicht verhindern, dass ausgerechnet der neue Volks-Porsche den schon auf dem Weg zum Klassiker befindlichen 911 nicht nur akustisch versägt. Nur 985 Kilogramm wiegt der 914/6 vollgetankt, auf Tempo 100 braucht er 8,5 Sekunden, der 911 T eine Sekunde länger, auf 160 ist er in 22,3 Sekunden. Wieder fährt der wahre Porsche mit 24,3 Sekunden ein bisschen hinterher.

Der weit harmloser motorisierte Basis-914 mit seinem braven und unspektakulären VW-Vierzylinder ist im direkten Vergleich mit dem modischen Begriff der Entschleunigung am besten charakterisiert. Müde und mit belanglosem Geräusche lässt er sich bis Landstraßentempo 13,3 Sekunden Zeit, nicht temperamentvoller als ein NSU TT, bis 160 km/h nimmt ihm der Sechszylinder glatte 15 Sekunden ab. Der wahre Porsche 914 muss also den famosen Sechszylinder hinter der Kabine haben, auch und gerade aus akustischen Gründen.

Rücken an Rücken mit dem luftgekühlten Heuler

Noch hat ja das Zeitalter des Sound-Engineering nicht begonnen, die Motoren klingen einfach wie sie klingen, manche langweilig und schlafmützig, andere erregend und kraftvoll. Das heisere naturbelassene Brüllen des Porsche-Sechszylinders ist von unnachahmlicher Eigenart und im 914/6 aufgrund der Einbaulage von besonderer Intensität. Man lebt ja mit dem luftgekühlten Heuler Rücken an Rücken, bei Nenndrehzahl blasen pro Sekunde 1320 Liter Luft über seine Kühlrippen, nicht auszudenken, was in einer Stunde zusammenkommt. Die Phonmessgeräte haben jedenfalls gut zu tun; bei 160 km/h registrieren sie samt Wind- und Rollgeräuschen 85 d(B) A, lange Autobahnfahrten im oberen Tempobereich sind ohrenbetäubend.

Der vierte Gang reicht nötigenfalls bis 180 km/h, der Fünfte liegt da, wo üblicherweise der Vierte positioniert ist. Der Erste liegt wie beim alten 911 jenseits des üblichen H-Schemas links außen – eine alte Porsche-Eigenheit, beim 914 allerdings verbunden mit einer unerfreulichen Hakeligkeit.

Klassischen Porsche-Stil zeigen auch die großen, hervorragend ablesbaren Instrumente – der Drehzahlmesser für den engagierten Maschinisten genau in der Mitte, der bis 250 km/h reichende Tachometer mit der arrogant wirkenden Grobeinteilung in Fünfziger-Sprüngen daneben.

Luftkühlung für den Fahrer

Ablagen gibt es in dem für zwei Personen großzügig bemessenen Interieur nicht, selbst Mantel oder Handtasche müssen in einem der beiden Kofferräume verstaut werden, wobei es einem überlassen bleibt, ob man den vorderen oder hinteren vorzieht. Im Heck findet auch das abnehmbare Dach Unterschlupf, das mit neun Kilogramm Gewicht sehr leicht geraten ist. Jetzt hat nicht nur der Motor Luftkühlung, sondern auch sein Fahrer.

Ferdinand Piëch hat einmal auf die Frage, welche Musik er am liebsten höre, mit Achtzylinder-Boxermotor geantwortet. Der 914, der für ihn in den Siebzigern bei Porsche als Einzelstück entsteht, besitzt ein solch exotisches Triebwerk. Es stammt direkt aus der 350 PS starken Dreiliter-Rennflunder 908 und katapultiert, leistungsmäßig ein wenig gezähmt, den optisch braven 914 in den Kreis der Supersportwagen.

Längst steht der Solitär im Museum, anzusehen von jedermann. Hören kann man Piëchs Lieblingsmusik leider nicht.
 

VW-Porsche 914/6 in ams, Ausgabe 8/1970

Eine pralle Ausgabe mit 180 Seiten, die neben dem Targa-Volksporsche viele spannende Autos enthält. Etwa den Mercedes C111 mit Vierscheiben-Wankelmotor und 350 PS, der einzig wahre Flügeltürer-Nachfolger. Oder den Vergleich zwischen Mercedes 300 SEL 3.5 und Opel Diplomat V8, bei dem der Antriebskomfort des amerikanisierten Opel Maßstäbe setzt.

Technische Daten
Porsche 914/6 2.0
Höchstgeschwindigkeit207 km/h