BMW X6 M im Supertest auf der Nordschleife
Mit dem X6-Koloss auf der Nordschleife

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Für den Test des BMW X6 M ist die Nordschleife auf den ersten Blick sicher nicht das bevorzugte Terrain. Aber die Grüne Hölle taugt vorzüglich dazu, die Talente des von der M GmbH präparierten SUV-Coupés glasklar aufzudecken. Und so viel sei verraten: Auf nasser Piste kennt der BMW X6 M auf dem Nürburgring so gut wie keinen Gegner.

BMW X6 M
Foto: Rossen Gargolov

Machen wir es doch beim Test des BMW X6 M einfach wie der knorrige Professor im Kultfilm "Die Feuerzangenbowle", als er auf die in breitem Dialekt an seine Schüler gestellte Frage - "Wat is ne Dampfmaschin?" - den Lösungsansatz für eine schlüssige Beantwortung gleich in einem Zug mitlieferte: "Da stelle ma uns mal janz dumm, und sagen, en Dampfmaschin is ne große, runde, schwarze Raum."

Diese originelle Art der Herangehensweise an komplexe Themen bietet sich vorzugsweise immer dann an, wenn sich das zu erklärende Objekt durch die bloße Ansicht nur schwer erklären lässt. Einem sogenannten "Sports Activity Coupé", wie es der BMW X6 in seiner nunmehr stärksten M-Fassung laut Hersteller BMW darstellt, ist allein durch die Betrachtung von außen auch nur schwerlich beizukommen. Man muss ihn schon eigenhändig bewegt haben, um dem eindrucksvollen Wesen dieses naheliegenderweise als SUV-Coupé eingeordneten Schaustellers etwas näher zu kommen.

Unsere Highlights

Ein Luxus-SUV-Coupé mit 555 PS unter der Haube

Mit den Platzverhältnissen einer großen, viertürigen Limousine, den üppigen Dimensionen eines veritablen Geländewagens und der markanten Rückenkrümmung eines Coupés bedacht, präsentiert sich der viersitzige Allradler BMW X6 als automobiles Mischwesen. So eines hat es in dieser Form und Ausprägung bisher noch nicht gegeben. Der eingangs zitierten Dampfmaschine kommt das von der M GmbH in Garching präparierte Crossover-Modell begrifflich insofern nahe, als der hochbeinige Viertürer leistungsmäßig auf dem Niveau ebenjener Maschine operiert, die per Definition mehrheitlich in der Lage ist, tonnenschwere Lasten zu schleppen oder Anhänger gleich im Dutzend zu bewegen.

Ein BMW X6 M mit Anhängerkupplung könnte aufgrund seiner Kilowatt schnöde Transportaufgaben dieser Art sicher locker bewältigen - würde sein sportlich getrimmtes Outfit und sein elegant-luxuriöses Interieur diesem beißenden Geruch von Arbeit nicht komplett entgegenstehen. Die Gewalt, die sich hinter dem 4,4 Liter großen V8-Antrieb mit Twinturbo-Aufladung verbirgt, lässt sich freilich auch anders nutzen: Der zügige Transport von ein bis vier Personen plus Reisegepäck über lange Etappen dürfte der vornehmliche Einsatzzweck dieses auf riesigen 20-Zöllern rollenden Boliden sein. Dessen Leistung (555 PS) und Gewicht (2.343 Kilogramm) verschmelzen zunächst zu einer generell etwas befremdlichen, letztlich aber schwer beeindruckenden Vorstellung. Sie vermag auch kritischen Geistern nach wenigen Kilometern Fahrgenuss die Abwehrhaltung auszutreiben.

Wie leichtfüßig das Schwergewicht aus dem Startblock springt und wie das SUV-Coupé von einem imaginären Bund vorgespannter Bungee-Seile in Richtung Horizont gezogen wird, das macht ihm in dieser Ruhe und Lässigkeit kaum ein Sportwagen klassischer Ausprägung nach. Mit dumpfem, grollenden Unterton, aber niemals aufdringlicher Akustik, drückt es die Besatzung in etwa so nachdrücklich in die formschönen Fauteuils, als sei ein zweistrahliger Canadair-Jet unter voller Schubkraft kurz davor, den Boden unter den Rädern zu verlieren.

Der variable Allradantrieb bringt die Kraft des X6 M auf die Straße

Dabei sind dem Achtzylinder die äußeren Umstände völlig egal, unter denen er sein Kraft-Werk verrichten soll: Dank des genialen Zusammenspiels mit seiner ihm nachgeschalteten Sechsgangautomatik und dem die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachse variabel verteilenden Allradantrieb ist er in der bemerkenswerten Lage, die Leistung punktuell und ohne Verluste in geradezu rasanter Manier umzusetzen - selbstredend auch bei Nässe.

Von der bekannten Turbocharakteristik sind nur die positiven Merkmale übrig geblieben: Stellvertretend dafür sei nur das Drehmoment-Tableau von riesigen Ausmaßen genannt. Was das feinnervige Ansprechverhalten, den linearen Leistungsaufbau und die Drehfreude angeht, tut es der mit Zylinderbank-übergreifenden Abgaskrümmern operierende Twinturbo-V8 den aktuell besten Saugern gleich - womit er sich selbstredend für den Einsatz auch im nächsten BMW M5-Modell empfiehlt. Die beiden Turbolader sind übrigens inklusive der Katalysatoren im V-Ausschnitt des Motors untergebracht, was aufgrund der kurzen Rohrlänge nicht nur den Druckverlust deutlich minimiert, sondern auch eine extrem raumsparende Anordnung darstellt.

Überzeugende Sechsgangautomatik des BMW X6 M 

Ihren hohen Entwicklungsstand beweist auch die einzig verfügbare Sechsstufenautomatik im BMW X6 M schlicht und einfach damit, dass sie sowohl die klassische Automatik-Funktion perfekt beherrscht als auch unter sportlichen Gesichtspunkten brillieren kann. Die akustisch sehr reizvollen Zwischengasstöße und die im manuellen Sportmodus kurzweiligen und dabei doch geschliffenen Gangwechsel weisen sie als perfekte Ergänzung zum Motor aus.

Das alles wäre nur halb so viel wert, wenn es seitens des Fahrwerks nicht gestattet wäre, die Kraft und Herrlichkeit dieses neuen Antriebs auch in vollen Zügen genießen zu können. Wie die Rundenzeiten in Hockenheim und auf der Nordschleife des Nürburgrings belegen, ist dem BMW X6 M ein ausgeprägtes sportliches Profil auch bei geringem Wohlwollen für diese Art sportlicher Betätigung nicht abzusprechen. Mit dem einzigen Unterschied, dass der Fahrer samt Besatzung souverän von oben auf die in die unterste Fahrbahnebene verbannte Sportwagen-Gilde herabblicken kann, unterscheidet sich das Fahrgefühl nicht wesentlich von dem einer veritablen Sportlimousine.

Wuchtige Karosserie, sehr gute Bremsen

Die angemessene Straffheit des Feder/Dämpfersystems sowie die geringe Neigung der wuchtigen Karosserie, in Kurven in Seitenneigung zu verfallen, bestätigt einmal mehr die schon frühzeitig gewonnene Annahme, es mit einer besonderen Art von Sportwagen zu tun zu haben.

Dies findet zudem seine Bestätigung in den immer wieder gern aus dem Fokus gerückten Qualitäten auf dem Bremsensektor. Selbst im heiß gefahrenen Zustand ist der mit konventionellen Stahlscheiben sowie Vierkolben-Festsätteln vorn und einer Faustsattelkonstruktion an der Hinterachse arbeitenden Bremsanlage kein wesentliches Zeichen der Schwäche zu entlocken. Ob dies in Bezug auf die Betriebsmittel ebenso Gültigkeit hat, überlassen wir wohlweislich der Interpretation derjenigen Klientel, die sich aus anderen Gründen schon nicht für ein Sportmodell dieser Gewichts- und Größenklasse erwärmen kann.

Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
5
maximal 10 Punkte
8.24,00min

Die Zeit, die der neue X6 M auf der Nordschleife realisiert, entspricht in etwa der des vorletzten BMW M3. Sein Fahrverhalten erinnert auch keineswegs an das eines typischen SUV, sondern er verhält sich im Grenzbereich ähnlich wie eine starke Limousine – dabei kaum untersteuernd, sehr zielgenau die Linie verfolgend und ohne Lastwechselreaktionen. Mit Hilfe des variablen Allradantriebs zieht er sich ohne große Regeleingriffe beharrlich aus jeder Art von Kurve. Die Bremse zeigte über zwei Runden keine Schwäche.

Rundenzeit Nordschleife BMW X6 M
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Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
6
maximal 10 Punkte
1.17,1min

Wenig Seitenneigung der Karosserie und nicht die Spur eines Aufschaukelns. Die Zielgenauigkeit, mit der der X6 M auch den Kleinen Kurs hinter sich bringt, ist aller Achtung wert. Man beachte: Der M5 ist an dieser Stelle gerade mal 0,6 Sekunden schneller unterwegs als dieser 2,3-Tonner. Das hohe Gewicht spielt beim Fahren erstaunlicherweise kaum eine Rolle - der X6 M wirkt also auch auf der Rundstrecke per se nicht deplatziert. Der Antriebsstrang aus Motor und Getriebe ist generell ein einziger Glücksfall.

Rundenzeit Hockenheim BMW X6 M
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Beschleunigung / Bremsen
8
maximal 10 Punkte
21,6sek

Den M3, Typ E46, hat der mit einem sport auto-Index (spax) von 4,5 antretende X6 M locker im Griff. Der V8-Biturbo ist charakterlich ein Bär: dumpf grollend und mit unbändiger Kraft gesegnet. Im Verbund mit der perfekt agierenden Sechsgangautomatik gebührt dieser fantastischen Antriebseinheit allerhöchstes Lob. Bis 200 km/h in 16,3 Sekunden − das soll ihm in dieser Gewichtsklasse erst mal einer nachmachen. Die üppig dimensionierte Stahlbremse hat den 2,3-Tonner durchweg gut im Griff. Fadingerscheinungen ließen sich nicht feststellen. Verzögerungsleistungen von bis zu 10,4 m/s2 entsprechen gutem Limousinen-Durchschnitt.

Beschleunigung 0-200 km/h:
16,3 s
Bremsen 200-0 km/h:
5,3 s
Windkanal
4
maximal 10 Punkte

Der cW-Wert ist mit 0,38 angesichts der riesigen Kühlluftöffnungen besser entwickelt als vermutet. In Anbetracht der extrem großen Stirnfläche von 2,85 m2 verwundert es allerdings nicht, dass der entscheidende Luftwiderstandsindex im Vergleich zu einer klassischen Sportlimousine wie etwa dem aktuellen M3 (0,71) extrem hoch ausfällt - 1,07. Auch die Auftriebswerte des nach hinten stark abfallenden Karosseriekörpers sind nicht gerade Sportwagen-like. Die Vorderachse wird bei Tempo 200 mit rund 690 Newton entlastet, was einer Gewichtserleichterung von immerhin etwa 69 Kilogramm entspricht. Die Hinterachse wird gleichzeitig um 48 Kilo entlastet. Dem sicheren Geradeauslauf ist dies indes nicht abträglich.

Vorderachse bei 200 km/h:
69 kg Auftrieb
Hinterachse bei 200 km/h:
48 kg Auftrieb
Querbeschleunigung
7
maximal 10 Punkte
1,15g

Die maximale Querbeschleunigung liegt in etwa auf dem Niveau aktueller Sportcoupés. Das Gewicht von vollgetankt 2.343 Kilogramm verteilt sich in einem Verhältnis von 52,7 zu 47,3 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Das Leistungsgewicht beträgt dank der üppigen Leistungsfülle nur 4,2 Kilogramm pro PS. Einen wesentlichen Anteil an der eindrucksvollen Fahrdynamik des SUV Coupés haben die Reifen der Marke Bridgestone, die trotz der harten Testkriterien eine hohes Durchhaltevermögen offenbaren. An der Vorderachse sind Dueller HP Sport in der Größe 275/40 R 20 montiert und hinten 315/35 R 20.

36-Meter-Slalom
6
maximal 10 Punkte
124km/h

Ohne das Wissen um die wahre Masse würde man zumindest im 18-Meter-Slalom meinen, mit mindestens einer halben Tonne weniger Gewicht unterwegs zu sein: Das Handling ist ausgezeichnet, die Seitenneigung der Karosserie gering, und das DSC greift dabei erst sehr spät ein. Im schnelleren 36-Meter-Slalom wird einem die Masse deutlich stärker bewusst gemacht, indem das Umsetzen der Lenkbefehle etwas verzögert vonstatten geht und dabei ein leichtes Untersteuern auftritt. Alles in allem bleibt der X6 M sehr gutmütig, schiebt am Limit allenfalls über alle Viere.

Ausweichtest
6
maximal 10 Punkte
136km/h

Beim schnellen Spurwechsel greift die nicht komplett deaktivierbare Elektronik recht frühzeitig ins Geschehen ein – jedenfalls deutlich früher als im Slalom. Beim Gaswegnehmen wird dem Fahrer durch harte Bremseingriffe bewusst gemacht, dass er am Limit operiert. Von bösartigen Aufschaukel-Tendenzen ist der X6 M jedenfalls weit entfernt, womit eine hohe Fahrsicherheit unter allen Umständen gewährleistet ist. Das adaptive Dämpfersystem (EDS) leistet in solchen Extremsituationen hervorragende Dienste.  

Nasshandling
3
maximal 10 Punkte

Die unter widrigen Witterungsbedingungen auf der Nordschleife gemachten Erfahrungen, wonach gegen einen routiniert bewegten BMW X6 M auf nasser Fahrbahn dank seiner ungeheuren Traktion und der hervorragenden Gripeigenschaften der Bridgestone- Reifen kein Kraut gewachsen ist, spiegelt sich in der Nasshandling-Zeit nur unvollkommen wider. Das liegt im Wesentlichen am engen Handlingkurs, bei dem sich die schiere Größe des Objekts doch nachteilig auswirkt. Nichtsdestotrotz bringt sich das SUV-Coupé mit einer hervorragenden Traktion, besten Bremseigenschaften und einer insgesamt kaum zu überbietenden Fahrsicherheit ins Geschehen bei Nässe ein.

Fazit

42 Punktemaximal 100 Punkte

Es ist einzig und allein der vom Kunden durch den Kauf bezeugte Erfolg beziehungsweise der Misserfolg, der über die Sinnhaftigkeit eines Konzept entscheidet. Insofern ist es müßig, die Konzeption a priori in Frage zu stellen. Über Geschmack lässt sich außerdem trefflich streiten ... Die schiere Größe, der hohe Verbrauch, der extrovertierte Auftritt - das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Die luftige Höhe, in der Fahrer und Besatzung sozusagen über den Dingen schweben, die atemberaubende Kraft, die geschliffenen Manieren. Kurzum: Der X6 M ist die Automobil gewordene Inkarnation eines Souveräns. Kritische Vorhaltungen beantwortet er ganz provokant mit einem gezielten Zwischengasstoß aus seiner dominanten Vierrohr-Abgasanlage. Die sachliche Betrachtung des X6 M-Konzepts fördert eine Vielzahl positiver Aspekte ans Tageslicht, beginnend beim Motor: Der 555 PS starke, mit 4,4 Liter Hubraum antretende Twinturbo-V8 ist ein absoluter Könner seines Fachs. Er glänzt mit objektiven Superlativen und zugleich mit subjektiver Überzeugungskraft. Die Sechsgangautomatik ist ein Glücksfall - sowohl für den Motor und als auch für den Fahrer. Das alles lässt die Masse von über 2,3 Tonnen völlig in den Hintergrund treten-− dass sie aber wirksam ist, zeigt sich spätestens dann, wenn die Zapfpistole wieder an den Haken gehängt wird.

Technische Daten
BMW X6 M
Grundpreis109.000 €
Außenmaße4876 x 1983 x 1684 mm
Kofferraumvolumen570 bis 1450 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung408 kW / 555 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,7 s
Verbrauch13,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten