Mercedes C63 AMG im Supertest
Emotionaler V8-Sportler für den Alltag

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Ein kleines Karosserieformat, kombiniert mit riesengroßem V8-Motor: Die C-Klasse mit dem AMG-Label drängt mit Macht in solche Kundenkreise, die bisher wohl eher von BMW- oder Porsche-Händlern bedient wurden. Der energische, auch akustisch akzentuierte Auftritt des Mercedes C63 AMG  ist Zeichen eines stark gewachsenen Selbstbewusstseins.

Emotionaler V8-Sportler für den Alltag
Foto: Rossen Gargolov

Das schönste Indiz für die Tauglichkeit eines Produkts ist nicht seine Verbreitung, sondern vielmehr die Häufigkeit seiner Verwendung. Aber muss ein Sportwagen, der sich in irgendeiner Garage die Reifen eckig steht, deshalb völlig untauglich sein? Oder kann es womöglich auch daran liegen, dass sein Besitzer nicht mehr willens oder - schlimmer noch - nicht in der Lage ist, das Objekt seinem vorbestimmten Zweck zuzuführen? Einigen wir uns im Grundsatz darauf: Je öfter der Zündschlüssel gedreht wird, desto weiter und verzweigter entwickelt sich das Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Maschine, und desto stärker entwickeln sich die Bande der Sympathie.

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Vor diesem Hintergrund könnte die bei sport auto konzeptionell doch etwas eingeschränkte Sicht der Dinge sogar als kontraproduktiv gewertet werden. Denn je spitzer das von uns favorisierte Anforderungsprofil eines Fahrzeug, desto schmaler ist zwangsläufig auch dessen Einsatzgebiet. Das hat den positiven Aspekt, dass die zunehmende Zahl der auch im Sportsegment verstärkt auftretenden Eier legenden Wollmilchsäue geoutet wird. Im Umkehrschluss entpuppt sich - seien wir ehrlich - manch einer der fahrdynamischen Überflieger als ein im Alltagsgebrauch ziemlich sperrig wirkender, unwirscher Brocken.

AMG mit stattlichen Verkaufserfolgen

Die sportliche Mercedes-Tochter AMG hat diese Ambivalenz nie außer Acht gelassen - auch auf die Gefahr hin, immer dann ein mitleidiges Lächeln aus Reihen der Hardcore-Fraktion zu ernten, wenn es um Querdynamik geht - dem unter aktiven Sportfahren einzig gültigen Synonym für Sportlichkeit. Die von Seiten AMG nie öffentlich geäußerte, womöglich aber gedachte Entgegnung - "Ihr fahrt vielleicht schneller durch die Kurven, aber wir verkaufen dafür mehr Autos" - ist angesichts der Erfolge, die in Affalterbach gefeiert werden, tatsächlich nur schwer zu parieren.

Mercedes C63 AMG mit hoher Alltagstauglichkeit

Danach ist es für einen größeren Anteil der Kundschaft grundsätzlich befriedigender, mehrmals am Tag mit dem Dreh am Zündschlüssel den Schlag eines kernig-grollenden Achtzylinders erleben zu dürfen und sich bei der Fahrt ins Fitnesscenter oder zum Kindergarten nicht kasteien zu müssen, als einmal im Jahr in Hockenheim auf viel versprechende Bestzeiten-Jagd gehen zu können, dafür aber auf jedweden Alltagsbezug verzichten zu müssen. Was die Klangfülle und deren Wirkung auf die Psyche angeht, bringt sich der Mercedes C63 AMG entsprechend der Firmenphilosophie als grandioser Überzeugungstäter ein: Man ist tatsächlich geneigt, den Startvorgang zu wiederholen. Nicht etwa, weil es notwendig wäre, sondern wegen der brabbelnden und röchelnden tiefen Morgenstimme, die vom Epizentrum Motorraum aus Verbreitung sucht.

Der Mercedes V8 weckt Emotionen

Sobald die ersten Zündfunken die Verbrennung in den bierkruggroßen Brennräumen des 6,3-Liter-Aggregats initiiert haben, ist die Besatzung des Mercedes C63 AMG quasi wie vom Donner gerührt. Und es verstummt nebenbei auch jeglicher Nachbarschaftsstreit, weil der V8-erzeugte Bariton umgehend die akustische Oberherrschaft reklamiert. Dieser Klang weckt Assoziationen: Die vom Pacecar-Engagement in der Formel 1 und vom Rennengagement in der DTM legitimierte rennsportliche Attitüde lässt man sich als von jenem Bazillus infizierter Zeitgenosse gern gefallen - sofern es die gewünschte Praktikabilität des Limousinen-Konzepts nicht schmälert und/oder der Image-Transfer nicht billig oder gar aufgesetzt wirkt.

Das Antriebspaket ist ein Quell der Freude

Was den Antrieb des Mercedes C63 AMG angeht, so darf sich der Fahrer jedenfalls in der glücklichen Lage schätzen, nicht nur auf dasselbe Motorenprinzip zurückgreifen zu dürfen, sondern auch annähernd so viel Leistung unter dem Gasfuß zu haben wie die Markenkollegen in der DTM. Mit 457 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment ist unter allen Umständen ein hohes Maß an Zufriedenheit sichergestellt. Wer will einen bei diesem freizügig offerierten Leistungsangebot auf öffentlicher Straße noch düpieren - bei einer Beschleunigung bis 100 km/h in 4,6 und bis 200 km/h in 14,6 Sekunden? Das Antriebspaket aus großvolumigem V8-Triebwerk und neuer Siebenstufen-Automatik ist in seiner reizenden Umgänglichkeit und in seinem spontanen Ansprechverhalten ein Quell der Freude, sieht man einmal von der Notwendigkeit höherer Energiezufuhr ab. Schon das Zucken mit dem Gasfuß hat Reaktionen akustischer und dynamischer Art zu Folge, die anderswo erst in oberen Drehzahllagen anstehen. Praktikabler lässt sich ein derartig fülliges Leistungsangebot nicht darstellen. Erst bei deaktiviertem ESP und niedrigen Reibwerten wird einem die dahinterstehende Energie mit ihrer ganzen Dramatik vor Augen geführt.

Um das Heck des Mercedes C63 AMG zum Ausbruch zu bringen, bedarf es ohne elektronische Überwachung quasi nur des Gedankens daran - schon geht es quer zur Sache. Diese Form der Drehfreude ist ursächlich gar nicht dem Fahrwerk anzulasten, sondern schlicht und einfach der ungeheuren Durchsetzungskraft des Antriebs geschuldet. Das Fahrwerk spielt also die Rolle des Erfüllungsgehilfen, auch wenn ihm in diesem speziellen Fall ein weitaus höherer Anteil am gesamten Fahrdynamik-Programm zugebilligt wird als bisher üblich.

Mercedes C63 AMG mit Performance-Paket

Die partielle Abkehr von der stringenten Konzentration auf die Längsdynamik-Eigenschaften in Kombination mit Langstrecken-Fahrkomfort dokumentiert sich aktuell nicht nur in den sportlichen Sondermodellen der "Black Series"-Baureihen, sondern parallel dazu auch in Form sogenannter AMG Performance Packages für ausgewählte AMG-Typen. Deren Inhalt - in diesem Fall ein sehr griffiges, mit Alcantara bezogenes Sportlenkrad, eine verstärkte Bremsanlage an der Vorderachse mit Hochleistungs-verbundscheiben, ein Hinterachs-Sperrdifferenzial und last but not least ein Sportfahrwerk (Kostenpunkt: 4.641 Euro) -, soll die auf Querdynamik gepolte Klientel in die Lage versetzen, eine Scharte auszuwetzen, welche die empfindliche AMG-Psyche bisher immer schwer belastet hat.

Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
6
maximal 10 Punkte
8.13,00min

Die Härte des Sportfahrwerks gereicht dem C 63 AMG auf dieser Strecke keineswegs zum Vorteil: Die auf den unebenen Streckenstücken bis ins Kreuz des Fahrers gehenden Stauchungen führen nur dazu, dass die Linie in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Grenzbereich ist somit wenig verlockend. Der Motor beweist in Zusammenarbeit mit der famosen Siebengang-Automatik auch hier seine Klasse: Antritt, Drehfreude und Klanggewalt formieren sich in der Summe zu einer einzigen Wohltat.

spa
Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
7
maximal 10 Punkte
1.15,7min

Von dem im Alltagseinsatz begeisternd direkten Einlenkverhalten bleibt bei energischer Handhabung auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim schon nach ein, zwei scharf gefahrenen Runden nicht mehr viel übrig. Das bei zunehmender Reifentemperatur einsetzende Einlenk-Untersteuern reduziert den Fahrspaß und kostet Zeit. Gegenüber dem im Vergleichstest gefahrenen, Pirelli-bereifen C 63 AMG verliert die aktuelle Variante mit Michelin-Reifen eine halbe Sekunde.

Rundenzeit HockenheimMercedes C 63 AMG sportauto0209
sport auto
Beschleunigung / Bremsen
8
maximal 10 Punkte
19,8sek

Die außergewöhnlichen Qualitäten in Sachen Längsdynamik sind offenkundig. Trotz seines stattlichen Gewichts von 1.761 Kilogramm zeigt er etwa dieselben Sprinterqualitäten wie ein Carrera S. Einen BMW M3 hat er vergleichsweise locker im Griff. Für gute Traktion ist dank der Hinterachssperre gesorgt; den Rest erledigt die Automatik souverän und bravourös. Die verstärkte Bremsanlage aus dem Sportpaket liefert unter den beiden Lastzuständen (kalt/warm) gleichbleibende Verzögerungsleistungen von bis zu 10,8 m/s2. Bedingt durch das hohen Fahrzeuggewicht kann sie bei dauerhafter Beanspruchung Einbußen im Bremskomfort auch nicht verhehlen.

Beschleunigung 0-200 km/h:
14,6 s
Bremsen 200-0 km/h:
5,2 s
Windkanal
6
maximal 10 Punkte

Hauptsächlich durch die Kühlluftöffnungen in der Front bedingt tritt die AMG-C-Klasse mit einem doch eher mäßigen cW-Wert von 0,32 an. Sowohl die an der vorderen Schürze angedeuteten Spoiler als auch der kecke Flügelansatz auf dem Kofferraumdeckel sind naheliegenderweise nicht dazu in der Lage, Abtrieb zu erzeugen. Immerhin werden die Auftriebe an den Achsen einigermaßen wirkungsvoll bekämpft: Die Vorderachse wird bei Tempo 200 um rund 35 Kilogramm erleichtert, während die Hinterachse gleichzeitig um rund 42 Kilogramm entlastet wird. Ein wesentliches Auf- beziehungsweise Abnickmoment ist somit nicht zu beklagen. Die Windgeräusche  sind  deutlich geringer als die Abrollgeräusche.

Vorderachse bei 200 km/h:
35 kg Auftrieb
Hinterachse bei 200 km/h:
42 kg Auftrieb
Querbeschleunigung
8
maximal 10 Punkte
1,20g

Die große Achtzylindermaschine sorgt in Kombination mit der komplexen Siebengang-Automatik für eindeutig frontlastige Gewichtsverhältnisse. 951 Kilogramm lasten statisch auf der Vorderachse, was ihren Gewichtsanteil auf 54 Prozent hebt. Im Gegensatz zum ersten, auf 18-zölligen Pirelli P Zero rollenden Testwagen absolvierte die Supertest-C-Klasse die Versuche auf 19-Zoll-Reifen von Michelin, nämlich Pilot Sport 2 in der Größe 235/35 ZR 19 vorn und 255/30 ZR 19 hinten. Wie die Zeiten in Hockenheim ausweisen, zeigt die 18 Zoll messende Variante von Pirelli signifikante Vorteile im Trockengrip – bei besserem Abrollkomfort.

36-Meter-Slalom
7
maximal 10 Punkte
129km/h

Die von der direkt arbeitenden Lenkung ausgehende Handlichkeit überzeugt im Alltag. Sobald es fahrdynmisch etwas engagierter als üblich zugeht, zeigt die zunächst als neutral und agil empfundene C-Klasse sowohl auf der Strecke als auch im langsamen 18-Meter-Slalom eine Tendenz zum Untersteuern. Das trübt zwar die Fahrfreude und minimiert auch die Durchfahrtsgeschwindigkeit, ist aber konsensfähig. Im schnellen 36-Meter-Slalom Slalom reißt der Grip an der Hinterachse wegen der Tendenz zum Aufschaukeln ab, was aber einigermaßen gut beherrschbar bleibt.

Ausweichtest
7
maximal 10 Punkte
138km/h

Den simulierten Spurwechsel bei hohen Geschwindigkeiten pariert die Sportlimousine grundsätzlich spurtreu – sofern die Übung mit ruhigem Gasfuß, ergo geringen Lastwechseln angegangen wird. Bei Gasbefehlen zu unpassender Zeit und zugleich ausgeschaltetem ESP können die jederzeit abrufbaren Leistungsreserven des Motors das Gesamtsystem jedoch stark ins Trudeln bringen. Anders ausgedrückt: Das Ausbrechen der Hinterachse steht in direktem Zusammenhang mit dem Bewegungsmuster des Gasfußes.

Nasshandling
4
maximal 10 Punkte

Die AMG-Limousine auf C-Klassen-Basis ist eine von der Sorte, die aus ihrem Leistungsüberschuss keinen Hehl machen – das gilt insbesondere bei nasser, beziehungsweise rutschiger Fahrbahn. Wer das ESP ausschaltet, also auf die elektronischen Eingriffe im Einflussgebiet geringer Reibwerte verzichtet, sollte genau wissen, was er tut. Das leichte Einlenk-Untersteuern bei beherzter Fahrweise sollte dann als letzter Hinweis darauf akzeptiert werden, dass hier ab sofort die hohe Kunst der Fahrzeugbeherrschung eingefordert wird. Der ewige Kampf mit der bei jeder rutschigen Gelegenheit ausbrechenden Hinterachse ist eine Herausforderung, der sich routinierte Fahrer allerdingsgern stellen.

Fazit

49 Punktemaximal 100 Punkte

Die Ausstrahlung dieser Sportlimousine ist einmal mehr dem charakterstarken 6,3-Liter-V8 geschuldet, der bei AMG ja mittlerweile Baureihen-übergreifend Verwendung findet. In dem vergleichsweise kompakten Umfeld der C-Klasse läuft der Motor naheliegenderweise zu Höchstform auf. Die ihm zur Seite gestellte Siebengang-Automatik ermöglicht es zur Gänze, die Talente des Motors voll auszuschöpfen. Kurz gesagt: Der Antrieb des Mercedes C 63 AMG gehört mit seinem Begeisterungspotenzial mit zum Eindrucksvollsten, was das Genre zu bieten hat. Allein der hohe Verbrauch trübt den Genuss. Die bei AMG zu beobachtende Schwerpunkt-Verschiebung zugunsten höherer Querdynamik ist grundsätzlich sehr begrüßenswert, wenngleich deren Umsetzung in diesem speziellen Fall doch etwas zweifelhaft erscheint. Das im sogenannten AMG Performance Package enthaltene Sportfahrwerk ist für den Alltagsgebrauch schlicht zu hart abgestimmt. Es ist zwar in der Lage, die sportlichen Anlagen des Mercedes C63 AMG auf topfebenem Terrain etwas stärker herauszuarbeiten, reduziert unter normalen Bedingungen den Fahrspaß aber deutlich. Anders ausgedrückt: Ohne das aufpreispflichtige Fahrwerkstuning wären die Resultate vermutlich kaum schlechter ausgefallen – bei deutlich mehr Komfort im Alltag. Der Einsatz von Sportreifen hätte diesbezüglich sicher erheblich mehr bewirkt.

Technische Daten
Mercedes C 63 AMG
Grundpreis69.972 €
Außenmaße4725 x 1795 x 1438 mm
Kofferraumvolumen475 l
Hubraum / Motor6208 cm³ / 8-Zylinder
Leistung336 kW / 457 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch13,4 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten