Vergleich von Akkugrößen
Lohnt der Aufpreis?

Viele Elektroautos gibt es mit unterschiedlichen Akkugrößen. Doch lohnen sich die teils sehr hohen Aufpreise für längere Reichweiten? Wir haben mit drei E-Auto-Paarungen auf einer 1.000-Kilometer-Runde ausprobiert, wie viel schneller man mit dem größeren Akku ans Ziel kommt.

Akku
Foto: Hans-Dieter Seufert

Das ist schon heftig: 5.700 Euro müssen Käufer des 231 PS starken Cupra Born extra bezahlen, wenn sie statt des 58 Kilowattstunden großen Akkus ein Exemplar mit 77 kWh Energieinhalt haben wollen. 5.700 Euro für etwa 100 Kilometer mehr effektive Reichweite. Beim Ford Mustang Mach-E lautet die Rechnung 8.300 Euro für 21 kWh extra, ein Kia EV6 kostet mit 74 kWh großem Akku 5.000 Euro mehr als sein kleiner Bruder mit 54 kWh.

Akku
ams
Unsere Highlights

Doch was bringt die Extra-Energie auf langen Strecken? Machen größere Akkus das Reisen mit Elektroautos tatsächlich so viel schneller und angenehmer, weil man seltener nachladen muss? Um das herauszufinden, sind sechs Kolleginnen und Kollegen mit den drei genannten E-Auto-Paarungen von Stuttgart nach Dresden und wieder zurück auf eine gut 1.000 Kilometer lange Tour gegangen. Aus der Redaktionstiefgarage starteten wir jeweils mit einem zu 100 Prozent gefüllten Akku, um den ersten Ladestopp so lang wie möglich hinauszuzögern. Ziel war es, erst bei ca. 20 Prozent Ladezustand (SOC, englisch für "State of Charge") einen Power-Charger anzusteuern und zwischenzuladen.

Ladung und Verzögerung standardisiert

Da die Ladeleistung mit voller werdendem Akku reduziert wird, haben wir – wie allgemein empfohlen – bei den Zwischenstopps nur bis 80 Prozent geladen. Die letzten 20 Prozent dauern zumeist sehr lang, nicht selten so lang wie die ersten 80 Prozent. Da ist es sinnvoller, mit nicht ganz gefülltem Akku weiterzufahren und früher am nächsten Lader einzukehren. Da die genutzten Schnelllader nicht alle direkt an Autobahnraststätten lagen und wir zudem wegen defekter Lader zweimal längere Umwege fahren mussten, variiert die Gesamtstrecke bei jedem Auto um ein paar Kilometer. Um den Zufallsfaktor rund um defekte Lader, längere Anfahrten oder sonstige Wartezeiten aus diesem Praxistest herauszurechnen, haben wir zur eigentlichen Ladezeit pauschal pro notwendigem Ladevorgang zwölf Minuten Verzögerung addiert. Waren drei Ladestopps nötig, kamen 36 Minuten hinzu, bei vier Stopps 48 Minuten und so weiter.

Akku
ams

Gespannt waren wir auch darauf, ob der größere Akku innerhalb einer Paarung schneller lädt. Prinzipiell sind Akkus mit mehr Energieinhalt in der Lage, höhere Ladeströme zu verkraften: Die Ladestromgrenze, die einen vorzeitigen Akku-Verschleiß verhindern soll, wird von der einzelnen Akkuzelle bestimmt. Ein größerer Akku besteht aus mehr Einzelzellen – verträgt eine Zelle ein Ampere, vertragen zwei Zellen zwei Ampere usw. Ein Akku, der 20 Prozent mehr Einzelzellen enthält, kann daher theoretisch auch 20 Prozent höhere Ladeströme aufnehmen. Doch lässt sich das in der Praxis reproduzieren?

Um vergleichbare Verbräuche zu erzielen, hielten wir uns exakt an alle Tempolimits und fuhren auf unlimitierten Abschnitten maximal 130 km/h. Die Heizungen stellten wir einheitlich auf 22 Grad, als Fahrmodus wurde "Normal" bzw. "Komfort" gewählt. Zudem strebten wir an, mit 50 bis 100 Kilometern Restreichweite am Ziel anzukommen.

77 kWh gegen 58 kWh: Cupra Born

Beim Born mit 77 kWh großem Akku kamen wir nach 331 Kilometern mit 13 Prozent SOC und einer Restreichweite von 45 Kilometern am ersten Schnelllader an. Nach gut 29 Minuten war der Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt, der Bordcomputer zeigte einen Aktionsradius von 305 Kilometern an. Angesichts seines Durchschnittsverbrauchs auf unserer Reise von 19,6 kWh/100 km flossen also 8,8 Kilometer Reichweite pro Lademinute in den Akku – ein guter Wert, der bei weiteren Zwischenstopps nicht mehr getoppt wurde. Auf der Gesamtstrecke waren noch zwei weitere Ladestopps erforderlich: bei Kilometer 592 und 835. Insgesamt standen wir 1:37 Stunden am Lader; zusammen mit unseren pauschal vergebenen 12 Minuten Aufschlag pro Ladevorgang kamen wir auf Gesamtverzögerungen von 2:13 Stunden im Vergleich zu einem Auto, das die ganzen 1.000 Kilometer ohne Pause abgespult hätte.

Akku Cupra Born
Hans-Dieter Seufert
2:13 oder 3:47 Stunden: Während dem Born mit großem Akku drei Nachlade-Vorgänge auf 1000 Kilometer genügten, zwang uns die Version mit kleinerer Batterie zu zwei zusätzlichen Ladepausen, die die Reisezeit um über eineinhalb Stunden erhöhten. 58 kWh bedeuten auf Langstrecke, wenn nur bis 80 Prozent SOC geladen wird, spätestens alle 180 km einen Lader finden zu müssen – sehr lästig!

Doch wie sieht diese Rechnung beim Cupra mit dem 58-kWh-Akku aus? Der Born mit geringerem Energieinhalt musste nach seinem Start mit 100 Prozent SOC schon nach 235 und damit rund 100 Kilometer früher an die Kupferleine. Dort angekommen lud er spürbar langsamer als sein Bruder mit großer Batterie: Mehr als 5,6 Kilometer Reichweite pro Lademinute flossen nicht. Da wir den Akku unterwegs nur auf 80 Prozent füllten, waren ungefähr alle 160 Kilometer Zwangsstopps vonnöten. Insgesamt standen wir dadurch fünfmal. Statt 2:13 Stunden wie beim großen Akku betrug der Gesamt-Zeitverlust des kleinen Born auf 1.000 Kilometern 3:47 Stunden.

91 gegen 70 kWh: Ford Mustang Mach-E

Der Mustang mit großer Batterie wäre über eine optimale Ladestrategie eventuell als Einziger in der Lage gewesen, die 1.000-Kilometer-Runde mit zweimaligem Nachladen abzuspulen – auch wenn er sich vermutlich auf "letzter Rille" ins Ziel geschleppt hätte. Nach dem Start mit vollem Akku hätte ein erster Ladestopp erst bei rund 400 Kilometern stattfinden müssen. Doch da der hierfür vorgesehene Lader von einem vorausfahrenden Kollegen als defekt gemeldet wurde, zogen wir die Ladeunterbrechung schon bei Kilometer 323 vor.

Akku Ford Mustang Mach-E
Hans-Dieter Seufert
2:20 zu 3:00 Stunden: Mit 40 Minuten fällt der Zeitunterschied zwischen den beiden Ford Mustang geringer aus als innerhalb anderer Paarungen, was hauptsächlich am zähen Laden der größeren Version liegt. Angesichts des deutlich höheren Preisniveaus der beiden Ford-Modelle fällt die Langstreckentauglichkeit damit unter dem Strich mäßig aus.

Mit 8,4 Kilometern pro Lademinute füllte der Mustang seinen Akku ähnlich flott wie der Born. Angesichts der üppigen Akkugröße hätten wir jedoch etwas höhere Ladeströme erwartet. Die weiteren Ladeunterbrechungen fanden dann bei Kilometer 606 und 867 statt. Die Gesamtverzögerung durch das dreimalige Laden betrug 2:20 Stunden und lag damit auf dem Niveau des 77-kWh-Born.

Der Mustang mit kleinerem Akku benötigte auf 1.000 Kilometern vier Ladestopps, für die zusammen exakt drei Stunden Verzögerung zu Buche schlugen. Damit kam er 40 Minuten nach seinem großen Bruder ins Ziel. Dem Cupra mit kleinem Akku nahm er hingegen mehr als eine Dreiviertelstunde ab.

Auch das Ladeduell gewann der Mustang mit kleinem Akku und 6,8 Kilometern Reichweite pro Lademinute gegen den entsprechenden Cupra (5,6 km Reichweitenzuwachs pro Lademinute). Was bei beiden Elektro-Mustang positiv auffiel: Trotz SUV-Karosserie und dem dadurch höheren Luftwiderstand lagen die Verbräuche mit 21 bzw. 19,9 kWh/100 km kaum höher als bei den kompakteren Konkurrenten.

74 gegen 54 kWh: Kia EV6

Wie schon in früheren Tests begeisterte der Kia EV6 mit dem Ladetempo seines 800-Volt-Systems. Die "große" Variante mit 74-kWh-Batterie lud teils mit über 200 kW und zog damit pro Minute Ladezeit im Schnitt über 12 Kilometer Reichweite in den Akku. Bei der Version mit kleinerem Energiespeicher waren es immer noch bis zu 10 km/min und damit mehr als bei der Konkurrenz mit XL-Batterie.

Akku Kia EV6
Hans-Dieter Seufert
1:45 oder 2:30 Stunden: Wie bei den beiden Cupra lautete das Ergebnis auch bei Kia drei zu fünf Nachlade-Stopps. Dank der wesentlich höheren Ladegeschwindigkeit empfanden unsere Tester jedoch selbst die 54-kWh-Version gerade so noch als langstreckentauglich, obwohl ebenfalls etwa alle 200 Kilometer Energie nachgezapft werden musste.

Da der große EV6 nur drei Ladeunterbrechungen verlangte, erreichte er unter dem Strich die schnellste Gesamtzeit: Auf 1.000 Kilometern stand er nur knapp 1:10 Stunden am Lader, inklusive Anfahrt und Wartezeit-Pauschale betrug die Verzögerung 1:45 Stunden. Nachdem seine zu 100 Prozent gefüllte Batterie gut 350 Kilometer bis zum ersten Stopp durchhielt, ging es im Anschluss mit 80-Prozent-Füllung alle 280 Kilometer an den Schnelllader.

Der kleine EV6 schafft mit voller 54-kWh-Batterie an die 250 Kilometer bis zum ersten Lader, nach dem Zwischenladen auf 80 Prozent SOC sind dann ungefähr alle 200 Kilometer Zwangspausen nötig. Trotz fünf erforderlicher Zwischenstopps kam er auf vergleichsweise kurze 2:30 Stunden Zeitverlust durchs Laden. Damit rückte er bis auf zehn Minuten an den 70-kWh-Mustang heran – und das, obwohl der Mustang einen Ladestopp weniger benötigte.

Umfrage
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Fazit

Für diejenigen E-Auto-Besitzer, die häufig auf Langstrecken unterwegs sind, lohnt sich ein großer Akku in dreierlei Hinsicht. Erstens lädt er schneller, da er höhere Ladeströme verkraftet.

Zweitens lässt sich nach dem Start mit vollem Akku der erste Ladestopp länger hinauszögern, was die Planung von Pausen erleichtert.

Und drittens kommt der große Akku auch nach jedem Zwischenladen weiter, wo diejenigen mit kleinem Akku enttäuschen: Wer mit 20 Prozent SOC am Lader ankommt und bis 80 Prozent lädt, nutzt ja nur 60 Prozent des ohnehin schon geringeren Energieinhaltes. Dadurch wurden in unserem Test teils alle 180 bis 200 Kilometer Ladestopps fällig – was von den Kollegen vor allem am Ende der Reise nach mehreren Stunden Fahrt als äußerst lästig empfunden wurde. Den kleineren Akku können wir daher nur für Autofahrer empfehlen, die selten längere Strecken über 500 Kilometer in Angriff nehmen. Eine Ausnahme bildet der Kia EV6, der auch mit seiner kleinen Batterie äußerst fixe Zwischenstopps ermöglicht und so die Ladepausen erträglich macht.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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