Strategische Partnerschaft
Microsoft soll VW zum Mobilitäts-Giganten machen

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Carsharing, vernetzte Autos, Online-Services und vieles mehr: All das bietet VW im We-Ökosystem an, deren Herzstück die Automotive Cloud ist. Die technischen Voraussetzungen dafür soll Microsoft als strategischer IT-Partner schaffen.

02/2019, Volkswagen Automotive Cloud
Foto: Volkswagen AG

In der Autoindustrie dreht sich derzeit alles um das Thema Transformation. Jeder große Autohersteller will künftig ein Mobilitätsdienstleister sein. Natürlich auch VW, das dafür mit der Untermarke We ein eigenes Ökosystem geschaffen hat, das diese Dienste bündelt. Dieses hat seit vergangenem Sommer eine Heimat in Berlin, soll nun aber schrittweise auf ganz Europa, China und die USA ausgebaut werden. Dafür baut Volkswagen seine strategische Partnerschaft mit Microsoft aus.

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We-Ökosystem mit zahlreichen Einzelkomponenten

Unter der Marke We läuft nicht nur das neue Carsharing-Programm We Share, das noch im ersten Halbjahr 2019 starten soll. Sondern auch der Service We Connect, der alle Online-Services im Auto bündelt, ohne dass es mit einem Smartphone verbunden sein muss. We Park dagegen ist eine Smartphone-App, mit der die Parkplatzsuche, -bezahlung und Ähnliches einfacher funktionieren soll. We Experience macht personalisierte Angebote und Vorschläge für die Umgebung, in der man sein Auto geparkt hat. We Deliver macht den Kofferraum des eigenen Autos zur eigenen Lieferadresse. We Charge findet Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und regelt auch die Bezahlung. Und dann gibt es noch die Volkswagen Connect-App, mit der sich das eigene Auto aus der Ferne überwachen lassen kann.

Wer derart digital unterwegs ist, im Speziellen selbst lernende Algorithmen und im Allgemeinen künstliche Intelligenz nutzt, produziert ganz schön viele Daten. Die müssen irgendwo gespeichert und verarbeitet werden. Dafür plant der Autokonzern die Volkswagen Automotive Cloud, und bei der kommt Microsoft ins Spiel. Der amerikanische IT-Gigant soll VW helfen, diese Cloud weltweit auszurollen und einheitlich zu halten. Technische Basis dafür ist Microsofts Cloud-Plattform Azure.

Neues VW-Betriebssystem kommt 2020

02/2019, Volkswagen Automotive Cloud
Volkswagen AG
VW will seine Autos vernetzen und zum Mobilitätsdienstleister werden - und tut sich dafür mit Microsoft zusammen.

Parallel soll es für Volkswagens Autos eine neue, leistungsstarke Software-Architektur geben, die die Voraussetzung für deren Vernetzung ist. „Bisher arbeiten in Fahrzeugen bis zu 70 Steuergeräte unterschiedlichster Anbieter. Alle kaufen wir einzeln von unseren Zulieferern und müssen uns dann darum kümmern, dass sie fehlerfrei miteinander kommunizieren“, erklärt VW-Chefstratege Michael Jost. Das koste Geld und sei extrem aufwendig und soll bald ein Ende haben. Denn mit dem VW.OS soll es nur noch ein Betriebssystem für das gesamte Fahrzeug geben, das auf drei bis vier Hochleistungsrechnern im Fahrzeug läuft. Der erste Vertreter der ID-Familie, der 2020 auf den Markt kommt, wird das erste VW-Modell sein, das sowohl dieses Betriebssystem als auch die Automotive Cloud nutzt.

Technisch gesehen ist das ein echter Meilenstein. Nicht nur weil VW bis vor Kurzem nur wenige hundert Softwareentwickler beschäftigte und damit kaum die Schlagkraft und Kompetenz hat, so ein umfangreiches Unterfangen zu starten. Sondern auch weil die Wolfsburger damit einen völlig neuen Schritt gehen. Statt viele einzelne Systeme aus unterschiedlichen Generationen anwendungsspezifisch miteinander kommunizieren zu lassen, soll das VW.OS eine gemeinsame Plattformbasis bieten.

App-Store von Volkswagen

Was der Kunde davon hat? Schier unendliche Flexibilität. Denn die Fahrzeuge müssen nicht schon bei der Auslieferung für alle möglichen Anwendungen vorbereitet sein, sondern können beispielsweise über Over the Air-Updates (OTA) nachträglich mit neuen Diensten ausgerüstet werden. „So bleibt das Auto auch noch Jahre nach dem Kauf auf dem aktuellen Stand“, erklärt Jost. Allein die Möglichkeiten, die damit für den Gebrauchtwagenhandel erschlossen werden, sind schier unvorstellbar. Denn wird heute ein Auto ohne Navi ausgeliefert, kann höchstens mit sehr viel Aufwand eines nachgerüstet werden. Sind die Systemvoraussetzungen dagegen bei allen Autos schon vorhanden, lässt sich ein solches System einfach nachträglich freischalten.

Mit We will Volkswagen auch ein Art Appstore bieten, wie es IT-Größen wie Apple, Google und Amazon vorgemacht haben. „Unser Appstore wird aber deutlich anders aussehen, als der den wir aus unseren Smartphones kennen“, erklärt Christoph Hartung, Head of Digital and Business Development sowie Mobility Services bei VW. „Wir wollen gezielt nach Partnern suchen und deren Dienste dann unseren Kunden situationsbezogen anbieten. Das reicht von Angeboten im Supermarkt und aktuellen Tankstellenpreisen bis zur Möglichkeit, Pakete in den Fahrzeugkofferraum liefern zu lassen.“ Siehe We Experience, We Deliver und Co. Für Hartung hört es damit aber nicht auf. Insbesondere bei E-Fahrzeugen sind für ihn auch zeitlich begrenze Powerupgrades denkbar. „Die könnte der Kunde dann für ein Wochenende buchen, die Anwendung für die Parkplatzsuche, die er jeden Tag nutzt dagegen für zwei oder drei Jahre. Zudem sind Kundenbindungsprogramme denkbar“, fährt Hartung fort. Wie das Payback von VW aussehen soll, wollte er allerdings noch nicht verraten.

We Connect kommt 2020 serienmäßig in allen VWs

Insgesamt will Volkswagen bis 2025 3,5 Milliarden Euro investieren. Allein für die Dienste und Software und rechnet spätestens 2025 mit einer Milliarde Euro Umsatz jährlich. Wie das so schnell gehen soll? Ab 2020 wird jeder neue VW serienmäßig mit We Connect ausgestattet sein, dem Nachfolger des aktuellen Car Net, das die VW-Modelle schon heute auf deutlich geringerem Umfang vernetzt. Ab 2020 soll es dann jedes Jahr rund fünf Millionen neue We-Kunden geben.

Wer nicht so lange warten will, kann sich schon heute eine We Connect Light-Variante zulegen, die immerhin für alle VW-Modelle ab Baujahr 2008 verfügbar ist. Der sogenannte DataPlug wird in die OBD-Schnittstelle des Fahrzeugs gesteckt und versorgt von dort aus via Bluetooth die Volkswagen Connect App mit Fahrzeugdaten, die vom Kilometerstand oder dem aktuellen Tanklevel bis zum letzten Parkplatz oder einer Fahrtenbuchfunktion reichen.

VW-Carsharing startet noch 2019

Die Sache mit dem Mobilitätsdienstleister startet noch im ersten Halbjahr 2019 mit klassischem Carsharing nach dem Freefloating-System. Hier will VW nicht kleckern, sondern klotzen, und in Berlin mit einer Flotte von 1.500 eGölfen an den Start gehen, die bis zum Jahresende um 500 e-Ups auf 2.000 Fahrzeuge erweitert werden soll. Im Anschluss sollen weitere deutsche Metropolen mit mindestens einer Millionen Einwohner folgen, bis Ende 2019 soll We Share europaweit ausgerollt werden. Im Anschluss wollen die Wolfsburger die Ballungszentren Nordamerikas ins Visier nehmen. Bis dahin müsse der Dienst aber erst einmal in Europa anlaufen, erklärt ein Sprecher gegenüber auto motor und sport.

Das sei aber alles erst der Anfang, erklärt VW Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann. Beim Freefloating werde man nicht Halt machen. Man habe das Thema Mikromobilität fest im Blick. So wäre es denkbar, in Zukunft das Sharing auch auf die kürzlich vorgestellten Last Mile Scooter Streetmate und Cityskate auszuweiten. Ob, wann und wo das stattfindet, wollte Stackmann allerdings noch nicht verraten.

Fazit

Man kann derzeit nur erahnen, dass die damit verbundene Herausforderung sehr groß ist. Wie riesig sie letztlich genau sein wird, weiß derzeit keiner. Aber es hat schon Gründe, weshalb sich selbst konkurrierende Auto-Giganten wie BMW und Daimler zusammentun, um sich gemeinsam diesen Herausforderungen zu stellen. Dass sich der deutlich größere Volkswagen-Konzern Partner in der Automobilindustrie sucht, ist keineswegs ausgeschlossen. Mit Microsoft dürfte VW aber auch so schon eine schlagkräftige Allianz bilden.