Alfa Romeo Giulia QV vs. Mercedes C 63 S vs. BMW M3
Sport-Limousinen im Test

Frisch gekrönt zum König der Nordschleife in seiner Klasse, tritt der Alfa Romeo Giulia QV zum Vergleichstest an. Doch um den BMW M3 Competition und den Mercedes-AMG C 63 S auszubremsen, muss der Italiener ein bisschen mehr bieten als nur eine schnelle Rundenzeit in der Grünen Hölle.

Alfa Romeo Giulia QV, BMW M3 Competition, Mercedes-AMG C 63 S
Foto: Hans-Dieter Seufert

Mit der Liebe hadern ja viele. Allein die Liste der Kulturgrößen, die sich dazu ausließen, verläuft ins Unendliche: Aristoteles, Konfuzius, Martin Luther King, Gandhi, Robert Lembke und so weiter. Dann wären da noch die Alfa- Romeo-Fans.

Alfa Romeo Giulia QV, Driften
Hans-Dieter Seufert
Lange mussten die Alfa-Fans warten. Nun ist sie da, die erhoffte Erlösung in Form der Giulia QV.

Sie sind synonym zu verwenden für "bedingungslose Liebe". Leidgeprüft über Jahrzehnte, was sie natürlich niemals zugeben würden. Befreit sie die neue Giulia von ihren stillen Qualen? Naht die Erlösung in Gestalt einer Mittelklasse-Limousine, unter deren Haube in der QV-Variante ein V6-Biturbo-Triebwerk mit Ferrari-Genen pocht?

Noch bevor wir uns vollends im Pseudophilosophischen verlieren, naht erst einmal jene Rechtskurve mit Kompression und welligem Belag, durch deren Scheitel die Grenze zwischen Main-Tauber- und Neckar- Odenwald-Kreis verläuft. Hier knicken manche Testkandidaten über das linke Vorderrad weg oder klappern mit der Lenkung.

Der Alfa ist gierig nach Kurven

In diesem Trio: keiner. Der Mercedes- AMG wippt ein wenig zu stark, der BMW könnte eine Idee direkter einlenken. Und der Alfa? Hetzt geradezu in die Biegung, saugt ihren Verlauf auf, um dann ernst und dumpf blechbläsernd den folgenden Anstieg hinaufzustürmen. Dass sie die Vorderachse der Giulia auf unbedingten Einlenkwillen getrimmt haben, merkst du schon beim Ausparken. Dann rubbeln die eingeschlagenen Vorderräder den Ackermann-Effekt aus dem Physik-Unterbewusstsein. BMW und Mercedes-AMG passiert das nicht, sie bleiben aber auch eine kleine (M3) und größere Idee (C 63 S) hinter der Gier des Alfa zurück – dessen Lenkung sich übrigens dennoch nicht aus der Alltagstauglichkeit herauszappelt, sondern angenehm direkt agiert. Einzig der Geradeauslauf leidet unter der Fahrwerksauslegung.

Dazu gehört natürlich noch eine Hinterachse, die einsam mit der Kraft von 600 Nm und der Leistung von 510 PS jonglieren muss. Dabei hilft wie bei den Konkurrenten ein elektronisch geregeltes, vollvariables Sperrdifferenzial, um die Grundtraktion zu sichern. Zusätzlich leistet sich der QV links und rechts vom Differenzialgehäuse je eine Lamellenkupplung, die von der Elektronik den Befehl zur radselektiven Momentenverteilung bekommt, um der knapp 1,7 Tonnen schweren Giulia einen zusätzlichen Einlenkimpuls mitzugeben – Torque Vectoring, Sie wissen schon.

Wenn du allerdings in den herrlich tief positionierten, straff gepolsterten, gut ausgeformten (ach ja: und teuren) Schalensitzen kauerst, das kleine Dreispeichenlenkrad packst, auf die klassischen, unverspielten Rundinstrumente blickst, Bremspunkte triffst und Einlenkpunkte anpeilst, merkst du: vorne spielt die Musik. Eindrehen in die Kurve? Provokationper Lastwechsel? Nein. Zumindest nicht bei Landstraßentempo. Hier feiert sich die Giulia für ihr gelungenes Grund-Set-up, für ihre präzise und fleißig rückmeldende Lenkung. Ihr Fahrer erlebt zudem erstmals seit Jahrzehnten die perfekte Ergonomie in einem Alfa.

Mehr noch, denn noch bevor du richtig fluchen kannst, weil du den Individual-Modus nicht findest, wie ihn Mercedes-AMG und (durch einzeln wählbare Einstellungen) auch der BMW bietet, oder die Taste für das Stabilitätsprogramm, fällt dir auf: Wenn du etwas im Infotainment oder Bordcomputer nicht findest, liegt das nicht an der Bedienung. Sondern es ist einfach nicht da (also auch kein Individual-Modus). Die Menüstruktur und die Handhabung des Dreh-Drück-Stellers sind eingängig, na ja, die Navi-Grafik ist schwach, aber sonst alles prima. Nur dass die Liste der verfügbaren Sicherheitsund Komfortassistenzsysteme kürzer ist als vor allem beim Mercedes, kostet Punkte, viele Punkte.

Dass sich im Alfa die Charakteristik für Motor, Lenkung, Auspuff und was auch immer nicht einzeln variieren lässt (für die Dämpfer übrigens schon), positioniert ihn innerhalb des Trios als No-Bullshit-Auto. Nur, wie ist es zu werten, dass die irre Höchstgeschwindigkeit von 307 km/h im Race-Modus des sogenannten D.N.A-Systems erreicht wird, also mit deaktiviertem ESP? Wahnsinn? Urvertrauen in die Käufer? Laut Hersteller soll der QV auch im gemäßigteren Dynamik- Modus frei rennen, doch beim Testwagen war bei 260 km/h Schluss.

Wo wir gerade schon auf der Autobahn herumfahren: Im C 63 S wunderst du dich, dass er mit den permanenten Anregungen durch den welligen Belag nicht gut zurechtkommt, im M3 dagegen darüber, dass er trotz 20-Zoll-Rädern besser damit umgehen kann. Und in der Giulia? Darüber, dass sie dem M3 in nichts nachsteht. Das bleibt übrigens auch auf mäßigen Landstraßen so, auf den Schlechtwegstrecken des Bosch-Prüfgeländes in Boxberg ebenfalls.

Alfa kann auf der Piste nicht folgen

Ja, Alfa Romeo gelingt hier eine wirklich harmonische Fahrwerksabstimmung, die nahezu perfekte Mischung aus Agilität und Federungskomfort. Weshalb nahezu?

BMW M3 Competition, Rad, Felge
Hans-Dieter Seufert
Unser getesteter M3 war mit üppigen 20-Zöllern bereift. Diese sind Inhalt des Competition-Paket.

Weil der QV auf dem winkligen Handlingkurs in langsamen Kurven stark untersteuert, an seinen auf der Landstraße gesetzten Maßstäben scheitert. Auf der Piste – ohne Tempolimits – muss der Alfa den Mercedes ziehen lassen, und beide winken dem BMW hinterher.

Der mit dem Competition-Paket, das unter anderem geänderte Dämpfer beinhaltet, aufgebrezelte M3 lenkt zwar weniger stürmisch ein, bleibt aber lange neutral, bevor er über die Hinterachse den Grenzbereich verlässt. Beim doppelten Spurwechsel indes geschieht Letzteres etwas abrupter als bei den anderen beiden – Punktabzug bei der Fahrsicherheit. Weshalb den BMW die mit 450 PS niedrigste Motorleistung nicht zurückwirft? Weil er mit 1.624 Kilogramm den Alfa um 48, den Mercedes um 142 kg unterbietet. Dass die C-Klasse dennoch eine schnellere Rundenzeit als die Giulia herausfährt, liegt vor allem an seinem mit einem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmetern immens kräftigen Motor. Einem V8. Einem der Letzten seiner Art in diesem Segment.

Dieses kleine Vierliter-Monster drückt mit dreckigem, schnodderigen Bollern die schwere Limousine brachial voran, egalisiert so ihren Gewichtsnachteil bei den Beschleunigungsdisziplinen. In 4,1 Sekunden von null auf 100, in 12,9 Sekunden auf 200 km/h. Donnerkeil. Zudem lässt sich die Motorgewalt gezielt dazu nutzen, die C-Klasse aus dem Untersteuern zu holen, in dem sie sich zuweilen verliert.

Der Alfa-Antriebsstrang kann nicht überzeugen

Der Mercedes lebt von und für seinen Motor, will und darf, nein, muss dafür geliebt werden. Zudem zelebriert er mit seinem hochwertigen, durchgestylten Interieur den großen Auftritt, spiegelt offensichtlich den Gegenwert seines hohen Preises wider. Weshalb du hinterm Lenkrad nicht gar so laut jubelst wie in Alfa und BMW, liegt an den zu hoch montierten, ansonsten tollen, aber eben auch kostspieligen Performance-Sitzen sowie an dem etwas, nun ja, tantigen Fahrverhalten mit den im Vergleich deutlichsten Karosseriebewegungen – trotz des mäßigen Federungskomforts. Der wird übrigens noch mäßiger, wenn die Dämpfer in Sport- oder Sport-Plus arbeiten. Was ihn sonst noch Punkte kostet? Einige Kleinigkeiten wie der am wenigsten befriedigende Sitzkomfort auf der Rückbank und der gegenüber dem M3-Doppelkupplungsgetriebe nicht besonders zackig arbeitende Siebengangautomat. Das Maximal-Programm an verfügbaren Assistenten spült wiederum viele Punkte aufs Konto, spült ihn so in der Endabrechnung auf den zweiten Platz.

Ob der Alfa Romeo wegen seiner weniger fürsorglichen Sicherheitsausstattung und dem nicht zeitgemäßen Infotainment als weniger überzeugendes Angebot gebrandmarkt werden muss? Tja, die Konkurrenz lässt ihren Kunden eben die Wahl, das muss Berücksichtigung finden. Zumal der Testwagen mit einem Preis von 90.800 Euro zwar weniger kostet als M3 und C 63 S, aber Käufer, die diese Summe investieren wollen, vielleicht hier doch etwas mehr erwarten.

Sicher ist jedoch: Sie erwarten ein besseres Getriebe. Als klar war, dass die Giulia mit Handschaltung zum Test kommt, schwappte La Ola durch die Fahrspaß-Fraktion in der Redaktion. Jetzt wissen wir: Das passiert künftig nicht mehr. Der Schalthebel mit dem wulstigen Knauf schlabbert auf langen Wegen unpräzise durch die sechs Gassen der zu lang übersetzten Box, deren Bedienbarkeit während der Testdauer weiter nachließ.

Mitgefühl für den damit geknebelten 2,9-Liter-Biturbo-V6 kommt auf, jenem vom Ferrari-488-V8 abgeleiteten Motor, der mit seiner gleichmäßigen Leistungsentfaltung den Reiz des Saugmotors konservieren möchte – wozu es am Ende dann aber an Drehfreude fehlt. Zu viel mehr als jenen 6.500 Umdrehungen, bei denen er seine Höchstleistung entwickelt, mag sich der Kurzhuber nicht aufschwingen.

Der langhubige Reihensechser des BMW dagegen schon, gerne bis über 7.000/min. Er schmettert inbrünstig metallisch, ein Klang, der sich aus dem bei niedrigen Touren wabernden Bass Oktave für Oktave herauspellt. Da hält das sparsame (11,1 l/100 km) Alfa-Triebwerk sicher stimmgewaltig dagegen, oder? Ja, wenngleich anders als erwartet. Während BMW und Mercedes-AMG schon beim Kaltstart bollernd den Nachbarn die Bettdecke wegziehen, hält sich die Giulia noch zurück, schnäuzt sich kurz, dann schließen sich die Klappen in der Abgasanlage wieder. Ab 3.500/min jedoch: Posaunen. Erst kräftig. Dann choral. Toll. Aber nur im Dynamic-Modus. Wer sofort Orchesterbeschallung will, muss auf Race schalten. Wie gesagt: Dann bleibt das ESP aus. No Bullshit.

Der Alfa ist toll, aber nicht der Beste

Das Orchester begleitet den Alfa Romeo dann auch bei den Beschleunigungsmessungen, wo er die Werksangaben nur knapp verfehlt, aber fantastisch verzögert – und bei der Fahrdynamik an das Niveau des BMW heranreicht, den AMG sogar übertrifft. Da diese Werte mit aktiviertem ESP ermittelt werden, fällt dessen konservative Auslegung auf. M3 und C 63 S bekommen größere Schwimmwinkel zugestanden. Sie verweisen die Giulia letztlich doch auf den dritten Platz. Also wieder eine harte Prüfung für die unermessliche Liebe der Alfa-Romeo-Fans? Nein. Seit Jahrzehnten ist ein neues Modell nicht nur mal wieder das Beste der Marke, sondern auch noch ein tolles Auto.

Giulia Vergleich Boxberg Streckengraphik
ams
Getestet wird auf dem Bosch-Prüfgelände Boxberg.

Die Sport-Limousinen auf dem Handlingkurs

Um sportliche Modellvarianten und Sportwagen gefahrlos im Grenzbereich bewegen zu können, nutzt auto motor und sport den Handlingkurs des Bosch-Prüfgeländes Boxberg. Der ähnelt in seinem Profil eher einer Landstraße als einer Rennstrecke, verfügt über enge Kehren, Wechselkurven, aber auch eine schnelle Schikane sowie Kurven mit weiteren Radien. Bislang ließ sich mit dem Honda NSX die schnellste Rundenzeit erzielen (0.44,1 min), wenngleich nur die Zeiten innerhalb eines Tests aufgrund der gleichen Luft- und Asphalttemperatur vergleichbar sind.

Die Rundenzeiten im Überblick:

  1. BMW: Mit Competition-Fahrwerk zeigt der M3 weniger Lastwechselempfindlichkeit, bleibt länger neutral. Lässt sich gut über die Bremse platzieren. 0.45,5 min
  2. MERCEDES-AMG: Der C 63 S bringt die 700 Nm seines V8 zuverlässig auf die Straße, untersteuert jedoch mehr als der M3 – und wechselt die Gänge langsamer. 0.46,1 min
  3. ALFA ROMEO: Schnellere Passagen wie der Linksknick auf Start-Ziel liegen dem QV, in den engen Kehren untersteuert er stark, reagiert nicht auf Lastwechsel. 0.46,6 min

Fazit

1. BMW M3 Competition
424 von 1000 Punkte

Egal ob auf der Landstraße, der Handlingstrecke oder einfach nur im Alltag: Wer am Steuer des M3 nicht vor Freude schallend lacht, braucht eine Therapie – alle anderen ein beeindruckend gefülltes Bankkonto.

2. Mercedes-AMG C 63 S
419 von 1000 Punkte

Wersich von dem Drehmoment-Lüstling unter der Haube des C 63 S nicht mitreißen lässt, soll Fahrrad fahren. Alle anderen wünschen sich ein etwas präziseres Handling und mehr Komfort.

3. Alfa Romeo Giulia QV
412 von 1000 Punkte

Tolle Ergonomie, ein wunderbar balanciertes Fahrwerk, niedriger Preis – wer lange nach objektiven Kaufgründen für einen Alfa suchte, findet sie nun. Und muss mit Detailschwächen leben.

Technische Daten
Mercedes AMG C 63 S Mercedes-AMG SBMW M3 M Competition PaketAlfa Romeo Giulia 2.9 V6 Quadrifoglio
Grundpreis84.669 €87.590 €72.800 €
Außenmaße4686 x 1810 x 1442 mm4671 x 1877 x 1424 mm4639 x 1873 x 1426 mm
Kofferraumvolumen480 l480 l480 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder2891 cm³ / 6-Zylinder
Leistung375 kW / 510 PS bei 5500 U/min331 kW / 450 PS bei 5500 U/min375 kW / 510 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h307 km/h
0-100 km/h4,1 s4,1 s4,2 s
Verbrauch8,2 l/100 km8,3 l/100 km8,5 l/100 km
Testverbrauch11,5 l/100 km11,3 l/100 km11,1 l/100 km