Alfa Romeo Giulia QV und BMW M3 Competition
Wer baut die bessere Sport-Limousine?

Bevor auch noch der letzte Hochoktan-Brenner an die Dose kommt, strampeln diese zwei Ambitions-Limousinen ordentlich mit den Kolben. Ob stämmig reihensechszylindernd hinterm Propeller oder feinsinniger mit Ferrari-Verwandtschaft hinterm Scudetto: ab aufs Gaspedal, solange es noch geht!

Alfa Romeo Giulia QV, BMW M3 Competition
Foto: Arturo Rivas

Pst, zum Glück sind wir hier unter uns. Da können wir Ihnen schnell mal was verraten. Schnell, darum geht es. Um den Zauber der Geschwindigkeit. Kennen Sie? Dachten wir uns. Dieses Gefühl, wenn die Landschaft surreal an den Seitenscheiben vorbeiwischt, das Asphaltband Richtung Frontscheibe zoomt. Einerseits bewegt man sich durch Raum und Zeit, andererseits scheint diese stillzustehen, zwingt, sich zu fokussieren. Der Flow verbietet Ablenkung. Tempo 200 plus ist nichts für Grobmotoriker, verlangt Feinsinnige, die ins Auto reinspüren, die Strecke lesen, ihre Kurvenverläufe, Topografien, Unebenheiten.

Unsere Highlights

Klatsch. Aus der Traum. Der BMW M3 Competition hat es nicht so mit Speed-Poesie, ist ein Armdrücker, der einen ausdauernden Gegenpart mit Konzentration und Körperspannung verlangt. Rauferei statt rhythmischer Sportgymnastik. Und schon sind wir raus aus der Highspeed-Poesie, mittendrin im Test. Der kennt keine Emotion, dafür reichlich Motion mit zwei 510-PS-Sportlimousinen der 100 000-Euro-Klasse.

BMW M3 Competition
Arturo Rivas
BMW M3 Competition: 510 PS, 650 Nm, 290 km/h, ab 89.500 Euro, relevanter Testwagenpreis 102.100 Euro.

Nehmen wir nur den BMW: Ein M3 kommt nie einfach so auf den Markt. Er erscheint. In jeder Generation als Ereignis. Allein wegen der Motoren, die sich seit der Premiere 1985 mit 185-PS-Vierzylinder über die famosen Sechszylinder-Sauger und den Vierliter-V8 bis zum Biturbo-Reihensechser von heute evolutionierten. Der aktuelle F58 in buchsenloser Closed-Deck-Bauweise drückt als Competition-Variante 650 Newtonmeter auf die geschmiedete Leichtbau-Kurbelwelle, erarbeitet von Kolben, die an eisenbeschichteten Laufbahnen entlangsausen. Neu am Zylinderkopf: sein Kern aus 3-D-Druck, der ausgefuchstere Formen erlaubt als konventionelle Teile.

Bayerische Motorenwerke halt. Nicht nur im Prospekt, sondern auch am rechten Fuß. Ohne störendes Ansprechzaudern greift der Dreiliter an, plustert seine Lader (mit elektronisch gesteuertem Wastegate), pusht sonor bis rund 4.000, wo die variablen Auspuffklappen hörbar öffnen und die Sache eine noch energischere Note bekommt. Samt flammender Reihensechser-Hymne, für die sie in München/Garching einen Otto-Oscar verdient hätten – selbst wenn ein Teil des Sounds künstlich zugemischt wird. Vielleicht eh der richtige Weg, in Zukunft den Insassen das volle Drama zu liefern, ohne der Umgebung auf den Keks zu gehen. Jedenfalls beherrscht der M3-Motor jede Gangart: eben noch cremig-sanfter Sportcruiser, jetzt Renntourenwagen mit 510 PS jenseits 6.000/min. Weniger Hochdrehzahl-Exzess, mehr Midrange-Bizeps. Armdrücker sind eben keine 400-Meter-Sprinter.

Alfa: dezenter Dynamiker

Doch wo bleibt der Alfa Romeo? Entschuldigung, Quadrifoglio Verde, aber der Bayer an und für sich neigt halt dazu, den Raum einzunehmen. Wobei die Top-Giulia aus ihrem 2,9-Liter-V6 ebenfalls 510 PS presst. Zunächst so dezent, dass man direkt rechts ranfahren und unter die Carbonhaube gucken möchte, so verdächtig, wie das Ding nach Dreizylinder klingt. Mindestens jedoch nach Zylinderbankabschaltung.

Alfa Romeo Giulia QV
Arturo Rivas
Alfa Romeo Giulia QV: 510 PS, 600 Nm, 307 km/h, ab 84.00 Euro, relevanter Testwagenpreis 99.600 Euro.

Ferrari-Gene? Hm, eher rezessiv. Zunächst. Gönne dem Biturbo einfach etwas Drehzahl, und er läuft warm, beginnt nicht nur die Laderschaufeln anzublasen, sondern auch die aufpreisige Akrapovic-Abgasanlage. Titan. Melodisch, energisch, mit dezenter Dynamik und bassigem Lastwechselgrollen. Dabei Prolligkeit so fern wie eine familiengeführte Trattoria dem Pizza Hut. Akrapovic kann es halt.

Passend dazu: der Innenraum der Giulia mit haltstarken Seriensitzen und der passenden Position hinterm Lenkrad. Du klinkst formschlüssig ein, registrierst das ideal geformte Lenkrad. Wichtiger Aspekt in einer Zeit, die Lenkräder gern zu Design-Opfern degradiert. Hier: rund, nicht zu dick, griffig. Okay, sie töpfern noch einen Startknopf rein und zwei flankierende lenksäulenfeste Schaltsicheln, was aber nichts am stimmigen Ambiente ändert, das analoge Rundinstrumente und eine hochglänzende Carbon-Vertäfelung ebenso enthält wie eine klassische Bedienung.

Lautstärke, Titelskip, Klima-Justage – alles grundsätzlich simpel und intuitiv. Den Rest managen Touchscreen plus Dreh-Drück-Menü weniger umfangreich und ausgefuchst als beim BMW. Ebenfalls simpel und drehgeregelt: die QV-Fahrprogramme. Es gibt regalweise Schwarten über "Simplify your life", Alfa Romeo macht es einfach. Buchstäblich. Drei Normalprogramme, Race-plus-Taste für die Dämpferhärte. Das war’s.

Passende Überleitung, uns an die vier Endrohre des 290 km/h schnellen M3 zu heften. Was bei BMW extra kostet (M Driver’s Package: 2.450 Euro), ist bei der Kleebatt-Giulia inkludiert. Beim Topspeeden (307 km/h) hingegen exkludiert: das ESC. Tja, Alfa verlangt "Race" und einen nervenstarken Romeo. Einen wie Ugo Sivocci, der als ewiger Zweiter galt, jedoch 1923 mit dem von ihm aufgepinselten vierblättrigen Kleeblatt auf weißem Grund ziemlich überraschend die Targa Florio gewann. Ein paar Monate später fehlte das Logo nach Schwierigkeiten beim Lackieren auf seinem Alfa. Ob sein Tod im Training wirklich daran lag oder an der Unglückszahl 17, wer weiß das schon? Die Legende des Quadrifoglio Verde war jedenfalls geboren.

Übrigens schafft unser Exemplar Mach 0,3 auch ohne "Race" und läuft, anders als der BMW, problemlos geradeaus. Die dabei flatternde Motorhaube hätte Sivocci nicht gestört, er hätte wie wir gefeiert, dass das Fahrwerk Unebenheiten in Federn und Dämpfern in beiden Dämpfermodi sauber absorbiert, statt sie an Insassen oder Lenkung zu leiten. Dies ist eine unangenehme Spezialität des M3: Sobald das Tempo anzieht, ziehen die Adaptivdämpfer die Ventile zu, was auf welligen Passagen zu einem prelligen Fahrverhalten führt. Bei asymmetrischen Unebenheiten oder Spurrillen scheint der M3 regelrecht abbiegen zu wollen.

Freude am Fahren? Ja, wenn man Lust auf permanenten Muskeltonus hat. Menschen, die beim Fahren gern mal einen Cappu schlürfen, sollten die Nomex-Unterbuxe anziehen, denn da geht garantiert was verschütt. Abgesehen davon gibt sich das M3-Paket aber durchweg expressreisefreudig. Animierender Motorsound, informative Instrumente (Sport-Ansicht) bis hin zur Reifentemperaturanzeige, Head-up-Display sowie ein Top-Infotainment samt hervorragender, freundlicher Sprachsteuerung taugen als schnelles Motorsport-Reise-Büro samt Track-App. Windgeräusche? Gering. Schummerige Strecke? Matrix und Laser lösen das. Luschiger Seitenhalt? Verstellbare Flanken der serienmäßigen Sportsitze halten, was das beleuchtete Logo verspricht.

Reinhorchen, rauskommen

Versprechen, halten? Klingt nach einem zünftigen Ritt über die Landstraße und dem Finale auf der Teststrecke. Der Alfa krallt sich die nächste Autobahnausfahrt. Untersteuern? Ist der Papst evangelisch?

Schon beim ersten Rangieren ackermannt der QV dermaßen über den Asphalt, da ist motiviertes Einlenken programmiert. Zum einen wegen der radselektiven Spurstellung, zum anderen wegen der Pirelli P Zero Corsa. Die Sportgummis brauchen Temperatur, sonst sind sie übellaunig, strafen mit Haftungsabriss Marke Zack und weg. Bei warm gekneteten Reifen schenkt die Giulia dann unprätentiöse Fahrfreude – bei jedem Tempo. Neben dem bei Lastwechseln und hohen Lasten auspuffbrodelnden Sound, der ausreichend wachen ZF-Achtgangautomatik und der detailliert bei angenehmer Handkraft rückmeldenden Lenkung zählt dazu ihre herausragende Einlenkkompetenz. Keiner stimmt die Bosch-Lenkung samt Multilenker-Aluminiumfahrwerk plus Applikationen so authentisch, so direkt ab. Hinzu kommt das elektronisch kontrollierte Hinterachsdifferenzial mit zwei Kupplungen. Ob feinsinnig genießen oder mit festem Griff vollstrecken: QV kann beides. Du fährst in die Kurve rein, die Vorderräder krallen den Asphalt und melden in Echtzeit, was Phase ist. Punkt. Untersteuern? Nix. Schade nur, dass die Regelelektronik (ohne Sport-Modus) beim Rausbeschleunigen eine Generation hintendran ist, dem V6 länger die Kehle zuschnürt als inzwischen üblich.

Alfa Romeo Giulia QV, BMW M3 Competition
Arturo Rivas
1.701 kg bringt der Alfa Romeo auf die Waage. Der BMW wiegt 26 Kilogramm mehr. 9,6 davon ließen sich mittels M-Carbon-Schalensitzen sparen (3.800 Euro).

Der M3 fährt grundsätzlich anders. Obwohl seine Lenkung die wurstige Zähigkeit früherer Tage gegen ein flüssiges Handmoment tauscht, endgültig präzise kommt die um die Mittellage etwas wattige, ansonsten krachlederne Lenkung nicht rüber. Na ja, der fast 4,80 Meter lange BMW ist ja auch viel schwerer als der filigranere Alfa. Äh, nein: 26 Kilo, spürt keiner.

Wohl aber den Übergang vom Einlenken ins Übersteuern, wenn der rechte Fuß im M3 schwer wird. Im hilfereduzierten MDM-Modus kommt das Heck amtlich raus, jedoch sauber angekündigt und rückholbar, unter anderem wegen der gutmütigen Michelin Pilot Sport 4S. Die elektronisch gesteuerte Hinterachsdiff-Sperre hat mit den 650 Newtonmetern ordentlich zu tun, von der ZF-Automatik wie immer meisterhaft durchgestuft (kurze PN nach Friedrichshafen: Gönnt Euch ruhig mal ein Gläschen. Die Achtgangbox ist mega! PN Ende).

So fingerhakelt man das Tempo-Tier über die Straße, feiert den konsequenten Hinterradantrieb, lediglich bei schnellen Kurveneingängen von zartem Untersteuern irritiert. Spätestens auf abgesperrter Strecke und mit Volllast vulkanisiert der BMW Rauchgardinen, denen sogar die ISS-Besatzung All-plaus spenden dürfte. Vom M-Drift-Analyzer fies mit nur viereinhalb Sternen belohnt (Stefan, hol dir den fehlenden halben in meinem Büro, hast ihn verdient).

Alfa Romeo Giulia QV, BMW M3 Competition
Arturo Rivas
148,9 km/h schafft der M3 beim schnellen Ausweichtest. Das hat Sportwagen-Niveau. Der Alfa bleibt mit 139,9 km/h deutlich zurück.

M3 pylont Giulia aus

Dass der BMW fahrdynamisch fünf Sterne verdient, zeigt der Fahrdynamik-Parcours. Im Slalom pylont der M3 den Alfa etwas, beim schnellen Ausweichen deutlich aus. Auf ebener Piste zahlt sich seine subjektiv breitbeinige Achskinematik aus.

Im Vergleich dazu zerfasert die Giulia-Dynamik im Parcours, kommt ihr die auf der Landstraße begeisternde Echtzeit-Synchronisation trotz guter Agilität abhanden. Einigkeit dann wieder bei den kurzen Bremswegen und der Standfestigkeit der serienmäßig elektrisch angesteuerten, optional mit Keramikanlagen versehenen Stopper, beim Alfa mit mäßiger Lowspeed-Dosierbarkeit.

Beruhigend, so wird die Hochgeschwindigkeits-Poesie bei keiner der beiden Dynamik-Limousinen von abrauchenden Bremsen vernebelt.

Ab 3.700/min zieht der M3 ab

Ein Blick auf die Kurven zeigt: Bei diesen Sport-Limos ist alles gut. Beide erreichen prinzipiell ihre Werksangaben, der BMW liefert sogar ein feines Plus bei Drehmoment (34 Nm) und Leistung (22 PS), ohne die gesetzliche Fünf-Prozent-Toleranz zu brechen.

Arturo Rivas
Beim Topspeed liegt der Alfa mit 307 km/h vorn. Aber nur im Modus „Race“ – ohne ESP. Der BMW geht 290 –mit allem.

Speziell turbogeladene Motoren verleiten ja dazu, per Ladedruck und Co. Extra-Power zu generieren. Im Gegensatz dazu verhalten sich der 2,9-Liter des Alfa und der BMW-Dreiliter konform. Beide setzen auf konventionelle Biturboaufladung, was es erleichtert, spontanes Ansprechen bei niedrigen Drehzahlen mit dem nötigen Luftumsatz für Leistung bei höheren Drehzahlen zu kombinieren. Munter werden beide um die 2.500/min, die Drehmomentkurve der Giulia geht bereits kurz hinter der 3.000er-Marke langsam ins Plateau, während der BMW bis etwa 3.700/min noch mal signifikant zulegt und den Alfa schließlich um fast 90 Newtonmeter übertrifft: ein Charakter, der beim Fahren deutlich spürbar ist. Hier wirkt der M3 wuchtiger und muskulöser, der Alfa dafür einen Tick drehfreudiger, legt bei 6.000/min noch mal leicht zu und pusht bis fast 7.500/min, wo der BMW seine Power-Party subjektiv ab 6.000/min langsam ausklingen lässt. Die Tatsache, dass das maximale gemessene Drehmoment beim Alfa erst bei 4.375/min anliegt, ist in der Praxis kein Problem, da er schon deutlich vor der 4.000er-Marke einen Großteil des Drehmoments zusammenhat.

Umfrage
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Fazit

1. BMW M3 Competition
698 von 1000 Punkte

Heißa, man kann den M3 lieben. Für seinen muskulös-dominanten Reihensechser, das raufig-wuchtige Handling, die umfangreiche Assistenz und Fahrprogrammvielfalt.

2. Alfa Romeo Giulia QV
663 von 1000 Punkte

Heißa, man kann die Giulia lieben. Für ihren unaufgeregten, klassischen, komfortablen Charakter – dezent höllenschnell und dabei himmlisch agil einlenkend.

Technische Daten
Alfa Romeo Giulia 2.9 V6 QuadrifoglioBMW M3 M3 Competition
Grundpreis91.500 €96.300 €
Außenmaße4639 x 1874 x 1433 mm4794 x 1903 x 1437 mm
Kofferraumvolumen480 l480 l
Hubraum / Motor2891 cm³ / 6-Zylinder2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung375 kW / 510 PS bei 6500 U/min375 kW / 510 PS bei 6250 U/min
Höchstgeschwindigkeit307 km/h250 km/h
0-100 km/h3,8 s3,8 s
Verbrauch9,0 l/100 km
Testverbrauch11,7 l/100 km10,6 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten