Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio
Der 510 PS starke SUV im Test

Mit seinem 510 PS starken V6-Biturbomotor spielt der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio in der Spitzenliga der Mittelklasse-SUV mit. Wir testen ihn auf einer Fahrt nach Italien. Wo denn sonst?

Alfa Romeo Stelvio Quadrofolglio, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Das vierblättrige Kleeblatt haben sie bei Alfa Romeo schon vor 85 Jahren auf ihre dunkelroten Grand-Prix-Wagen gepinselt. Und nun trägt es auch der 510 PS starke Stelvio Q4. Mit Alfa Romeo ist es ja so eine Sache, kaum eine Marke transportiert ein so offenbar unzerstörbares Flair. Die lombardische Gesellschaft zur Produktion von Automobilen (Der Name Alfa steht für „Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“) hat in ihrer fast 110-jährigen Geschichte Weltkriege, Umstürze, Streikwellen, Verstaatlichung, Beinahe-Pleiten und Besitzerwechsel überlebt, aber die Strahlkraft der Marke mit dem Wappen der Visconti und dem Mailänder Kreuz auf dem Kühler ist so nachhaltig, dass bei unserer Leserwahl Best Cars 2019 gleich zwei Modelle ihre jeweilige Importwertung gewannen (Giulia und Stelvio) und eines auf dem zweiten Platz landete (Giulietta).

Es muss also was dran sein am Mythos Alfa, sinniert der Tester, während er den Stelvio Quadrifoglio auf die Autobahn nach Süden lenkt. Alle Systeme bleiben auf Normal, mit seinen 510 PS schüttelt der aufgeladene Alfa-Sechszylinder fast jedes beliebige Autobahntempo lässig von der Kurbelwelle.

Alfa Romeo Stelvio Quadrofolglio, Exterieur
Achim Hartmann
Richtung Süden mit dem 2,9-Liter-V6. Durchschnittsverbrauch beim Test: 13,4 l/100km.

Es ist der gleiche Antrieb, der auch in der Giulia Quadrifoglio zum Einsatz kommt, doch in den SUV scheint der Motor fast besser zu passen. Das leicht raue Timbre des 2,9-Liter-V6 beim Beschleunigen, das sämige Hochdrehen, die blitzschnellen Gangwechsel, das gefällt im Stelvio. Wenn man es nicht übertreibt, bleibt sogar die Verbrauchsanzeige im Bordcomputer in verträglichen Bereichen. Um den Durchschnittskonsum dauerhaft über 15 Liter zu treiben, benötigt man mehr freie Autobahn, als man zwischen Stuttgart und dem Fernpass normalerweise findet.

Gute Sitze, viel Platz

Bleibt also etwas Zeit, sich umzuschauen im neuen Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio, und wer die zahmeren Versionen des Alfa-SUV kennt, wird hier wenig Neues entdecken. Dennoch ist das Bemühen, den Quadrifoglio stilsicher und wohnlicher einzurichten, nicht zu übersehen. Etwa mit den ebenso langstreckentauglichen wie seitenhaltstarken Sportsitzen oder dem mit Alcantara und Sichtcarbon bestückten Lenkrad sowie den fest stehenden Schaltwippen aus Alu im Ferrari-Style.

So gibt es am Interieur auch wenig auszusetzen, solange man sich mit einigen Eigentümlichkeiten arrangiert, die nicht so recht in die Preisklasse ab 89.000 Euro passen. Das Navi etwa oder die haptische Qualität des Automatikwählhebels – beides würde man einem deutschen Premium-SUV wahrscheinlich nicht so locker nachsehen.

Alfa Romeo Stelvio Quadrofolglio, Interieur
Achim Hartmann
Im Innenraum ist der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio stilsicher eingerichtet.

Immerhin gibt es ja nicht wirklich was auszusetzen, in den teils verschachtelten Menüs von Infotainment und Assistenzsystemen findet man sich bald zurecht. Und alles wirklich zum Fahren Nötige ist ohnehin dort, wo man es vermutet. Geht also. Das gilt ebenso für Raumangebot und Sitzposition, daran hat sogar der mitreisende Fotograf wenig zu bemängeln, 525 Liter Kofferraumvolumen, das passt in dieser Klasse.

Noch ein paar Kilometer schnelle Autobahnfahrt, danach kommt Österreich. Der Alfa donnert über die Bahn, in die Nähe der Werksangabe für die Höchstgeschwindigkeit (283 km/h) kommt er dabei nicht. Wenn man sehr kritisch sein wollte, könnte man etwas aufdringliche Windgeräusche vermelden. Dieses Problem löst der Stelvio auf Alfa-Art: vom Gas gehen, manuell zurückschalten, Vollgas, hochschalten. Dann übertönen Motor und Auspuffanlage die Windgeräusche mit sonorem Aufheulen und donnerndem Schaltknallen.

Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio mit Ferrari-Herz

Auch das passt zu diesem Alfa. Und es hilft unseren Überlegungen auf die Sprünge. Der Stelvio Quadrifoglio rückt – anders als viele weniger geglückte Modelle der letzten Jahrzehnte – wieder den Motor in den Mittelpunkt. Er prägt das Fahrerlebnis, dreht, jubelt, drückt und bebt. Da stört es nicht einmal, dass der Motor ein Fremdfabrikat ist. Der 510 PS starke Biturbo-V6 wird von Ferrari zugeliefert, er ist ein sehr enger Verwandter des V8 aus Portofino, 488 und Lusso (Motorenbaureihe F154), bloß um zwei Zylinder gekürzt. Das erklärt den unüblichen Zylinderwinkel von 90 Grad, der seinerseits für den rauen Lauf und den eigenwilligen Klang des V6 verantwortlich ist.

Bald sind Österreich und Autobahn zu Ende, der Stelvio ist wieder zu Hause. Es ist ein Montag im Winter, der Verkehr durch Südtirol und Trentino ist spärlich, die Luft kalt, doch im Sonnenschein ist bereits ein Hauch mediterraner Wärme zu spüren. Die alte Chefredakteurs- und Fotografenweisheit, nach der am Gardasee immer die Sonne scheint, bewahrheitet sich ein weiteres Mal.

Der Stelvio jubelt die Berge hoch, schnupft nach Kehren den bergauf fahrenden Verkehr mit großer Gelassenheit auf. Traktionsprobleme? Nein. Und das Getriebe kann dabei gern im Automatikmodus bleiben. Es schaltet blitzschnell, fast immer zum richtigen Zeitpunkt, unauffällig und sehr gut. Noch freudvoller wird es, wenn der Pilot selbst ins Geschehen eingreift. Die Paddel sind dort, wo sie hingehören, quittieren Schaltmanöver mit fühlbarer mechanischer Rückmeldung, so soll es sein. Im Race-Modus öffnet die Abgasanlage ein paar Klappen, es donnert im Alfa. Nicht jeder mag das, schnell ist der Quadrifoglio auch ohne Rabatz.

Haben wir was vergessen? Die Lenkung, genau. Die ist so gut, dass sie eigentlich ein hübscheres Lenkrad verdient hätte, eines mit noch mehr Alcantara und weniger Fitzelknöpfchen. Wie der massige SUV einlenkt, sich dabei feinfühlig wie mit Fingerspitzen dirigieren lässt, das ist schon sehr, sehr gut. Das Gewicht? Haben wir bereits vergessen und müssen eine Seite weiterblättern, um es nachzulesen: 1.959 Kilogramm. Es sei erwähnt, um zu unterstreichen, welche Schwerstarbeit die Bremsanlage verrichtet.

Die kann man mit Carbonscheiben aufrüsten (7.500 Euro). Der Testwagen hat Stahlbremsen, die sehr giftig ansprechen und sich nicht optimal dosieren lassen. Den Federungskomfort haben wir noch vergessen, weil er eher mäßig ausfällt. Unter Sänftenverdacht kommt der Quadrifoglio nicht, aber richtig schlimm holprig ist er ebenso wenig.

In Torbole am Nordrand des Sees wärmt die Sonne weniger als höher oben. Also fahren wir weiter, mehr Kurven, mehr Berge, ein Cappuccino und eine alte Alfa-Werkstatt in Arco dazwischen. Dann zeigt das Alfa-Herz ganz vorn am Auto wieder nach Norden. Wir kaufen ein Kistchen beim fliegenden Zitrusfrüchtehändler an der Strada Statale 45. Keine Zitronen, sondern Mandarinen, die passen viel besser zu diesem Stelvio.

Vor- und Nachteile
Karosserie: klassenüblich gutes Raumangebot, gut nutzbarer, großer Kofferraum, ausgewogene Gewichtsverteilung
Fahrkomfort: sehr gute Sitze vorn, umfangreiche serienmäßige Komfortausstattung
Antrieb: sehr kräftiger Motor, schnell und exakt schaltende Automatik
Fahreigenschaften: agiles, neutrales Einlenken, sehr feinfühlige Lenkung, hohe Kurvengeschwindigkeit, sehr gute Traktion
Sicherheit: gute Sicherheitsausstattung sehr sicheres Fahrverhalten, standfeste Bremsanlage
Umwelt: niedriger Verbrauch bei mäßiger Geschwindigkeit
Kosten: sehr gute Serienausstattung
Karosserie: nur mäßige Übersichtlichkeit, hohes Leergewicht, dadurch eingeschränkte Zuladung, schlechte Übersichtlichkeit, teilweise gewöhnungsbedürftige Bedienung
Fahrkomfort: steifes Abrollen, hohe Windgeräusche
Antrieb: eingeschränkte Laufkultur
Fahreigenschaften: großer Wendekreis
Sicherheit: Bremsen schlecht dosierbar, kein Adaptivlicht verfügbar
Umwelt: hoher Verbrauch bei schneller Fahrt, zum Teil sehr laute Abgasanlage
Kosten: voraussichtlich hoher Wertverlust, hohe Kaskoeinstufung

Fazit

Der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio begeistert mit bärenstarkem Antrieb, fein schaltendem Automatikgetriebe und toller Lenkung. Nicht so überzeugend sind Detailqualität und Werkstoffwahl im Innenraum.

Technische Daten
Alfa Romeo Stelvio 2.9 V6 Quadrifoglio
Grundpreis90.168 €
Außenmaße4702 x 1955 x 1681 mm
Kofferraumvolumen525 bis 1600 l
Hubraum / Motor2891 cm³ / 6-Zylinder
Leistung375 kW / 510 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit283 km/h
0-100 km/h3,8 s
Verbrauch9,8 l/100 km
Testverbrauch13,4 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten