Aston Martin Rapide im Test
Kann der Rapide mehr als nur Stil?

Der Aston Martin Rapide steht, was Stil und Exklusivität betrifft, ganz oben. Wird der 476 PS starke Viertürer mit seinem V12-Motor diesem Image im Test gerecht?

Aston Martin Rapide
Foto: Hand-Dieter Seufert

Der Kristall bringt die Wahrheit ans Licht. Nein, diesmal keine hellseherische Kugel, sondern ein akkurat geschliffener Quader. Genauer der elitäre gläserne Schlüssel, der dem Aston Martin in unserem Test Leben einhaucht. Der zunächst jedoch das für einen Gran Turismo Besondere schafft, vier Türen zu entriegeln. Zugegeben, das gab es schon mal beim Lagonda Rapide aus den Sechzigern. Der Name ist geblieben und heute mehr Programm denn je: Rapide. Aston Martin Rapide. Schnell soll er sein – der Sportlichste unter den Limousinen. Einer der Schönsten ist der Aston Martin Rapide schon. Mit diesem Erbgut natürlich auch kein Wunder. Es entstammt dem Coupé DB9 – mit einer Figur so sexy wie die der Seite-3-Girls.

Aston Martin Rapide im Test – Schönheit macht unnahbar

Der Brite will nach seinen Regeln erobert werden. Durch die in den Türen versenkten, kniffligen Griffe, die Fingerfertigkeit verlangen, bevor sie die schweren Pforten im Zwölf-Grad-Winkel nach oben schwenken lassen. In einen Aston Martin Rapide schlüpft man eben nicht so locker wie in eine Barbour-Jacke. Er pflegt den modisch engen Schnitt mit einem stattlichen Schweller und geduckter Dachlinie. Offenbar mehr Sportwagen als Panamera oder Quattroporte also, die es mit dem Einstieg wortwörtlich nicht so eng nehmen.

In dem mit Ablagen knausernden Innenraum folgen die Formen gleichfalls nicht stringent der Funktion. Die auftragenden Türverkleidungen und der massige Mitteltunnel schränken die Ellenbogenfreiheit deutlich ein. Twiggy, unsere emotionsfreie Messpuppe, bestätigt den Eindruck. Sie zeigt eine Breite, die den Aston Martin Rapide am unteren Ende des Limousinen-Genres einreiht.

Ausreichender Raum für Kopf und Beine

Andererseits attestiert sie dem Aston Martin Rapide im Test ausreichend Raum für Kopf und Bein, während bei der Über- und Rundumsicht Abstriche zu machen sind. Aus der Tiefe der Sitzposition heraus verlässt man sich demnach beim Rangieren besser aufs Ohr als aufs Auge. Ganz unter uns: Ein Aston Martin Rapide schert sich so wenig ums Rangieren wie ein Prince of Wales um den Abwasch.

Die flotte Reise ist sein Ding, zu genießen in vier bestens konturierten Einzelsitzen. Vor allem hinten liegt die Betonung auf Einzel, weil ein monumentaler Mitteltunnel die Zweisamkeit strikt unterbindet – wenn es angesichts des beschwerlichen Einstiegs und der knappen Platzverhältnisse überhaupt so weit kommt. Standesgemäß sitzen hinten nur Halbwüchsige, die durch das Rear Seat Entertainment (3.250 Euro) blendend unterhalten werden.

Test-Verbrauch von 17,2 Liter – aber es geht noch mehr

Große amüsieren sich vorne, hinter dem steil stehenden, manuell justierbaren Lenkrad. Statt Großserienanmutung findet man im Aston Martin Rapide liebevolle, handwerkliche Feinheiten. Wie zum Beispiel das im ledernen Dachhimmel eingelassene, aus Aluminium gefertigte Mikrofon der Freisprechanlage. Rein jetzt mit dem Kristallblock in den zentralen Schacht und raus mit den ersten Zündfunken, die dem V12 ein Ehrfurcht gebietendes Donnern entlocken. Zwei Augenblicke später schließen die Klappen im Abgasstrang – vorerst. Sechs Liter Hubraum summen würdevoll vor sich hin.

Ab 3.500 Umdrehungen reißt der Abgasstrang dann die Klappen wieder auf. 476 PS und 600 Newtonmeter posaunen durchdringend wie zur Treibjagd, erinnern erneut an den sportlichen Gedanken des Ganzen. Der entspringt aus einem leichtfüßigen V12, der für beherzten Vortrieb hohe Drehzahlen braucht – trotz des mehr als zehn Pint großen Hubraums.
Und der will gefüllt werden. Mit wenig schmeichelhaften 17,2 Liter/100 km im Test-Durchschnitt. Und es wäre leicht noch mehr möglich. Von nichts kommt halt nichts. Auch keine Höchstgeschwindigkeit von 295 km/h, der sich der Aston Martin Rapide dank langem Radstand stoisch ruhig annähert. Er schnürt so in unserem Test verlässlich dahin, wie er sich vorher schon aus dem Startblock geschossen hat. Dank einer überwältigenden Traktion, die dem Hecktriebler durch Transaxle-Bauweise und Sperrdifferenzial mit in die Wiege gelegt wurde.

Paritätische Gewichtsverteilung

Der mit der Hinterachse vermählte Sechsgang-Wandlerautomat arbeitet ordentlich, reagiert prompt auf manuelle Befehle an den Schaltwippen. Zudem trägt seine Einbaulage dazu bei, dass die Gewichtsbalance nahezu paritätisch ausfällt. 1.050 der insgesamt 2.050 kg lasten auf der Hinterachse des Aston Martin Rapide – an sich eine beträchtliche Masse, die er jedoch so geschickt verschleiert wie kaum ein anderer. Agil und leichtfüßig erledigt der Aston Martin Rapide die Dynamik-Tests, schlägt so engagiert Haken wie seine kleinen Brüder. Lenkbefehlen folgt er auf unserer Test-Fahrt blitzsauber und frei von hyperaktiven Aktionen.

ISO-Test mit 141 km/h sucht seinesgleichen

Das gilt auch für die geringen Bewegungen um die Längsachse in der ISO-Wedelgasse. Andere Typen seines Formats spielt der Aston Martin Rapide geradezu an die Wand – mit über 141 km/h Durchschnitts-Speed. Dabei lehnt der Aston Martin Rapide sich im Grenzbereich im Rahmen unseres Test an ein ESP an, das GT-typisch spät und fein regelt. In Stress gerät die Elektronik dabei nicht, weil auch der größte Aston Martin Fahrdynamik als Ausdruck höchster Neutralität definiert. Dass selbst die Bremswerte auf oberstem Niveau liegen, stellt dem Briten ein weiteres Attest für seine stark entwickelte Sportlichkeit aus.

Die adaptiven Dämpfer gehen ihrer Aufgabe nicht bockig, aber trocken nach, so das Fazit im Test. Sie auf Knopfdruck zu straffen, ist demnach ein verzichtbarer Gimmick. Kein Verzicht dafür beim Gepäck, zumindest für zwei Aston Martin Rapide-Reisende. Im Duett gehen die 360 kg Zuladung ebenso in Ordnung wie das Fassungsvermögen des variablen Gepäckabteils an sich. Das allerdings – 301 bis 750 Liter fassend – steckt unter einer Klappe, der es an einem elektrischen Antrieb ebenso mangelt wie an einem praktikablen Griff. Und wehe, der Schlüssel entgleitet beim fummeligen Öffnen: Ein Ersatzkristall für den Aston Martin Rapid kostet ein Prozent des Grundpreise. Und das sind immerhin 1.800 Euro.


Vor- und Nachteile
Karosserie
Aston Martin Rapide
ansprechendes Design
gute Verarbeitung
gutes Platzangebot vorne
mäßige Übersichtlichkeit
knappes Raumangebot hinten
geringes Ladevolumen
Fahrkomfort
bequeme Sitze
mäßiger Federungskomfort
schwer verständliches Bedienschema
Antrieb
antrittsstarker Motor
ausgeprägte Drehfreude
hohe Laufkultur
sanft schaltendes Getriebe
Fahreigenschaften
stabiler Geradeauslauf
sehr exakte Lenkung
exzellentes Handling
hervorragende Traktion
hohe Neutralität
Sicherheit
sehr wirksame Bremsanlage
erfüllt Euro 5-Norm
keine Seitenairbags hinten
durchschnittliche Sicherheitsausstattung
Kosten
exorbitanter Grundpreis
voraussichtlich hoher Wertverlust
hohe Unterhaltskosten
Umwelt
erfüllt Euro 5-Norm
hoher Verbrauch

Fazit

Er ist mehr Sportwagen als Limousine, was die exzellenten Fahrleistungen und das überzeugende Handling untermauern. Die mäßigen Platzverhältnisse, der hohe Verbrauch und die Kosten drücken jedoch aufs Ergebnis.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten