Audi A4 45 TFSI, BMW 330i und Volvo S60 T5 im Test
Sind die noch Mittelklasse?

Audi A4, BMW 3er, Volvo S60 – das ist heutzutage Premium mit 250 PS und Grundpreisen um 50.000 Euro. Liegen die drei Edel-Limousinen auch in ihren sonstigen Qualitäten deutlich über der normalen Mittelklasse?

Audi A4 45 TFSI Quattro, BMW 330i, Volvo S60 T5, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Es gibt sie noch, die ganz normale Mittelklasse-Limousine mit Stufenheck. Offenbar möchten bestimmte Kunden weiterhin ein klassisches, unheischendes Auto fahren und keinen Kombi, keinen SUV, kein Coupé. Bei Audi A4 und BMW 3er macht diese Klientel weniger als ein Viertel aus, bei Volvo ist das Verhältnis von S und V60 ähnlich.

Nun stehen alle drei Mittelklasse-Limousinen recht frisch modellgepflegt oder -gewechselt beim Händler, ganz aktuell der A4. Er soll der letzte mit Längsmotor sein, wie Eingeweihte munkeln, der Nachfolger wird sich des Quermotor-Konzernbaukastens bedienen. Zu diesem Test kommt er mit dem Zusatz „45 TFSI“, was hier für den Zweiliter-Benziner mit 245 PS steht. Etwas kräftiger ist der BMW 330i mit 258 PS, trotz der 30 in der Modellbezeichnung ebenfalls mit Zweiliter-Vierzylinder. Ähnlich auch der Volvo: Zweiliter mit 250 PS.

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Mittelklasse mit Power

Ganz schön viel Power für bürgerliche Stufenheck-Automobile, denn die Einstiegsmotoren bei Audi und BMW begnügen sich mit 136 oder 150 PS. Beim Volvo startet die Leistungsskala deutlich höher, denn den S60 gibt es vorläufig nur als T4 (190 PS) und T5 sowie als T8 Twin Engine (Plug-in-Hybrid mit 392 PS). Als Benziner um 250 PS kosten die drei Konkurrenten jeweils knapp unter 50.000 Euro. Allerdings sind die Testwagen auf diesen Seiten inklusive aller Extras sogar zwischen 63.280 Euro (S60) und 74.910 Euro (A4) teuer. Mittelklasse? Nun ja.

Der Volvo S60 ist demnach das günstigste Automobil in diesem Reigen, doch zum Grundpreis von 46.200 Euro führt der Testwagen Extras im Wert von 17.080 Euro mit sich, also etwa einen gut motorisierten koreanischen Kompaktwagen. Exotischen Luxus weist die Ausstattungsliste dabei gar nicht auf, zu den eher verzichtbaren Beigaben zählen unter anderem die 20-Zoll-Räder (1.290 Euro) und der Metallic-Lack Bursting Blue (1.250 Euro). Zumal die großen R-Design-Räder nur bei Verzicht aufs Adaptivfahrwerk lieferbar sind.

Volvo S60 T5, Exterieur
Rossen Gargolov
Exotischen Luxus weist die Ausstattungsliste gar nicht auf, zu den eher verzichtbaren Beigaben zählen unter anderem die 20-Zoll-Räder (1.290 Euro) und der Metallic-Lack Bursting Blue (1.250 Euro).

Womöglich käme das dem Volvo ganz gut zupass, denn mit dem konventionellen Fahrwerk gibt er sich deutlich holpriger als Audi A4 und BMW 330i. Er rollt herber ab, zeigt bei größeren Unebenheiten deutlich mehr Karosseriebewegungen und wirkte noch unkommoder, wenn er nicht ausgesprochen bequeme und langstreckentaugliche Sitzmöbel mitführte. Dass es im Volvo S60 ein wenig rauer zugeht, liegt ebenso am Vierzylinder. Laufruhe und Geräuschkulisse lassen noch etwas Raum für akustische Feinarbeit. Hier gilt ebenso: Ist nicht wirklich schlimm und fällt vor allem auf, wenn man aus Audi oder BMW in den Volvo umsteigt.

Der Motor zählt ohnehin zu den weniger starken Seiten des S60. Er zeigt sich vergleichsweise drehunlustig und recht zäh in der Leistungsentfaltung. Zudem gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Achtstufen-Geartronic eher unharmonisch. Mal scheint die Wandlerautomatik hektisch nach der passenden Übersetzung zu suchen, mal beharrt sie verstockt auf die einmal eingelegte Fahrstufe. Dazu ist die Antriebskombination wenig sparsam, im Schnitt verbraucht sie rund einen Liter mehr Super als die Motoren von Audi und BMW – angesichts der Performance ein Liter zu viel.

Volvo S60 T5, Motorraum
Rossen Gargolov
Der Motor zählt zu den weniger starken Seiten des S60. Er zeigt sich vergleichsweise drehunfreudig und recht zäh in der Leistungsentfaltung.

Gern schrieben wir noch mehr nette Sachen über den Volvo, weil er im Grunde ein sympathisches, heimeliges Auto ist. Eines mit guten Bremsen und einer sehr umfangreichen serienmäßigen Sicherheitsausstattung dazu. Doch zum Schluss müssen wir mal wieder ein paar Worte über die Bedienung verlieren, die selbst mit längerer Eingewöhnung nicht ohne Tücken ist. Die kleinen Touchfelder mit der winzigen Beschriftung etwa erfordern immer wieder genaueres Hinschauen.

Mustergültig einfach und praxisorientiert dagegen die Bedienung der adaptiven Geschwindigkeitsregelung und des Pilot Assist mittels linker Lenkradtaste. Auch das kann man ja mal sagen, bevor wir uns dem Audi A4 zuwenden.

Geräumiger Audi

Die große Modellpflege nach vier Jahren Bauzeit hat der Mittelklasse-Baureihe zwar schärfere Linien und dickere Backen beschert, aber keine grundsätzlichen Änderungen an Konzept, Package und Technik. Auch der Zweiliter-Benziner mit 245 PS ist bereits bekannt, wird aber nur noch als Quattro geliefert. Dabei handelt es sich hier nicht um einen permanenten Allradantrieb, denn die Hinterräder werden über eine zentrale Lamellen- sowie eine Klauenkupplung an der Hinterachse prädiktiv zugeschaltet. Auswirkungen im Alltag? Nicht spürbar. Traktionsprobleme sind beim 45 TFSI ebenso wenig zu erkennen wie beim Handling die Tatsache, dass dieser Quattro fast immer als Fronttriebler unterwegs ist.

Fast so behände wie der BMW 330i turnt der Audi A4 durch Kurven. Vor allem das Lenkgefühl zeigt sich gegenüber der Vorgängergeneration verbessert, da gibt es nichts zu mosern. Dass der Motor 13 PS und 30 Nm weniger als jener des BMW vorweisen kann, macht sich subjektiv nicht bemerkbar. Der Audi-Vierzylinder läuft zudem leise und kultiviert, angemessen sparsam ist er obendrein.

Audi A4 45 TFSI Quattro, Exterieur
Rossen Gargolov
Die adaptive Dämpferregelung (980 Euro) verleiht dem Wagen einen angenehm straffen, aber ausgewogenen Fahrkomfort, der sich in feinem Ansprechen auf Unebenheiten, geringen Aufbaubewegungen und unauffälligen Fahrwerksgeräuschen äußert.

So könnte man also rundum zufrieden sein mit dem A4-Antriebsstrang, wenn nicht die lästige Ansprechverzögerung zu verzeichnen wäre. Wie viele andere Antriebskombinationen aus dem Volkswagen-Konzern nerven hier der EA 888 und seine Siebengang-S-tronic mit erratischem Reagieren auf Gasbefehle. Mitunter fühlt man sich beim Übergang vom Schiebe- in den Lastbetrieb wie ein Fahrschüler, der die Kupplung zu spät und zu schwungvoll einrückt. Wenn A4, Motor und Getriebe in Schwung sind, ist davon wenig zu spüren. Da wechselt das Doppelkupplungsgetriebe die Gänge hurtig und das Triebwerk hängt sauber am Gas.

Schönes gibt es ebenso vom Komfort zu berichten, zumal der Testwagen mit adaptiver Dämpferregelung (980 Euro) ausgerüstet ist. Sie verleiht dem Wagen einen angenehm straffen, aber ausgewogenen Fahrkomfort, der sich in feinem Ansprechen auf Unebenheiten, geringen Aufbaubewegungen und unauffälligen Fahrwerksgeräuschen äußert.

Fahrfreudiger BMW

Das gelingt selbst dem BMW 330i nicht ganz so gut. Der federt etwas straffer, ist mit dem adaptiven M-Fahrwerk für 600 Euro Aufpreis ausgerüstet. Aus fahrdynamischer Sicht hat er jedoch seinen beiden Konkurrenten in diesem Vergleich eines voraus: den Hinterradantrieb.

Der verleiht dem BMW eine fahrfreudige Komponente, die bei Vorder- oder Allradantrieb so nicht aufkommt. Allerdings muss man schon etwas flotter ums Eck fahren, um die Unterschiede wirklich zu erfühlen – das Feedback und die völlige Abwesenheit von Antriebseinflüssen in der Lenkung, das neutrale Einlenken und die im Ansatz spürbare Übersteuerneigung beim Leistungseinsatz.

BMW 330i, Exterieur
Rossen Gargolov
Der BMW 330i M Sport: Mit feiner Lenkung und stimmiger Bedienung. Der Grundpreis beträgt 49.850 Euro.

Allerdings vermag der Antrieb das Versprechen des Fahrwerks nicht ganz einzulösen. Abgesehen davon, dass man um den tollen Sechszylinder im früheren 330i weiß und eine entsprechende Erwartungshaltung einnimmt, ist dem neuen Triebwerk wenig vorzuwerfen. Es ist sparsam und laufruhig, aber eben nicht brillant. Das Vierzylinder-Gebrummel und der anonyme Drehmomentaufbau des Turbobenziners wirken irgendwie unpassend.

Reden wir also lieber von der gewohnt sämigen Achtstufenautomatik, die das Drehmoment des Turbos souveräner und geschmeidiger verwaltet, als es die Getriebe der Konkurrenz hinbekommen. Die besten Fahrleistungen zeigt übrigens ebenfalls der 330i, obwohl die Unterschiede wenig alltagsrelevant scheinen. Doch vor allem im Vergleich zum Volvo ist der BMW fast schon eine Klasse fixer unterwegs. 1,5 Sekunden schneller auf 100 oder 1,3 Sekunden weniger beim Durchbeschleunigen von 80 auf 120 km/h – das sind schon deutliche Unterschiede.

Wir könnten dazu von den exzellenten Bremsen berichten, die einen Hauch heftiger verzögern als jene der Rivalen. Und das mit der Bedienung haben sie bei BMW immer noch besser drauf. Selbst mit der nun auf iDrive-Controller, Touchscreen, Sprachbedienung und Gestensteuerung verteilten Bedienstruktur geht das beim Dreier immer noch einfacher als bei der Konkurrenz. Das wissen bestimmt auch Stufenheck-Mittelklasse-Kunden zu schätzen.

Fazit

1. BMW 330i M Sport
461 von 1000 Punkte

Mit agilem Fahrwerk, leistungsfähigen Bremsen und sparsamem Antrieb präsentiert sich der 330i gewohnt dynamisch. Bei Raumangebot und Kosten glänzt er etwas weniger.

2. Audi A4 45 TFSI Quattro S line
456 von 1000 Punkte

Überzeugender Federungskomfort, großes Raumangebot und exzellente Verarbeitung sprechen unter anderem für den A4 45 TFSI. Nicht so schön: das Ansprechverhalten.

3. Volvo S60 T5 R Design
429 von 1000 Punkte

Dritter Platz, doch kein Verlierer: Der S60 T5 hat Potenzial, würde mit einer weniger sportlichen Auslegung vermutlich besser abschneiden. Ein Ärgernis bleibt die Bedienbarkeit.

Technische Daten
Audi A4 45 TFSI Quattro S lineBMW 330i M SportVolvo S60 T5 R Design
Grundpreis48.850 €54.000 €46.200 €
Außenmaße4762 x 1847 x 1428 mm4709 x 1827 x 1435 mm4761 x 1850 x 1431 mm
Kofferraumvolumen460 bis 965 l480 l442 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1998 cm³ / 4-Zylinder1969 cm³ / 4-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 5000 U/min190 kW / 258 PS bei 5000 U/min184 kW / 250 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h240 km/h
0-100 km/h6,1 s5,8 s7,3 s
Verbrauch6,7 l/100 km5,6 l/100 km6,6 l/100 km
Testverbrauch8,6 l/100 km8,4 l/100 km9,5 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten