Audi S8 Plus im Test
Durch die Nacht mit 605 PS

Es gibt langweiligere Methoden, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, als mit einem Audi S8 Plus durchs winternächtliche München zu cruisen – unterwegs mit 605 PS. Aber auch Fahrleistung und Komfort haben wir im Test genau überprüft.

Audi S8 Plus 4.0 TFSI Quattro, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Wofür denn das „Plus“ stehe, fragt der junge Mann, der gegen 23:00 Uhr am Odeonsplatz an die Scheibe klopft. Er formuliert die Frage grammatisch etwas einfacher, trägt Daunenjacke mit pelzverbrämter Kapuze, und ich muss meine Antwort zweimal wiederholen: „Plus“ heißt hier 85 PS mehr, also 605, denn der normale S8 hat schon 520. „Krass“, sagt er, „krasses Auto.“ Da hat er wohl recht, um hier mit einem Auto aufzufallen, muss man schon Besonderes auffahren. Während der Fotograf in der Kälte mit seinen Gerätschaften hantiert, sich der Autor im mit arrasrot gesteppten Biesen verzierten Fahrersitz lümmelt, heulen draußen ein Lamborghini Huracán, ein paar 991 Turbo mit offener Klappe und einige M- und AMG-Limos vorbei.

Sollen sie. Im Audi S8 Plus weißt du, dass keiner davon ein Gegner ist. Du sitzt in einer Limousine, die mehr Leistung hat als der erste siegreiche Audi-R8-Le-Mans-Prototyp von 2000. Und du musst nicht einmal Frank Biela heißen, um ihn fahren zu dürfen, Führerschein B reicht. Draußen stromert der Verkehr vorbei, umfließt das Siegestor und verschwindet nach Schwabing oder U-turnt sich zurück für eine neue Cruising-Runde.

In 3,6 Sekunden auf 100 km/h

Der V8 wummert leise, mit leicht erhöhter Drehzahl schwimmt der S8 Plus mit, die Achtgang-Tiptronic hat den fünften Gang eingelegt, im Antriebsstrang langweilen sich Quattro-Verteilergetriebe und Sportdifferenzial. Nichts zu tun, also verteilen sie die Kraft routiniert im Verhältnis 60 zu 40 zwischen Hinter- und Vorderachse, kein Schlupf in Sichtweite. Dabei kann der S8 Plus 4.0 TFSI Quattro natürlich auch ganz anders. Nicht auf der Ludwigstraße, auf der Messstrecke sprintet er aus dem Stand in 3,6 Sekunden auf 100 km/h, noch bevor zehn Sekunden verstrichen sind, ist er 180 km/h schnell.

Und falls Sie es genau wissen wollen: Innenstadtkompatible 50 km/h erreicht der S8 Plus bei Vollgas in 1,6 Sekunden. Schlechte Karten also für die anderen Odeonsplatz-Cruiser, käme es zu einem Ampelduell. Kommt es natürlich nicht, es ist erstens kindisch sowie zweitens, und das völlig zu Recht, verboten. Im S8 Plus reicht es dir, zu wissen, dass du könntest, wenn du wirklich wolltest. Und schließlich gibt es genügend andere Möglichkeiten, den Kick des Plus komplett gefahrlos und legal zu erleben. Am Ende der Verdistraße im Münchener Westen etwa, dort, wo an einem großen Kreisverkehr die Autobahn A8 wieder beginnt.

Audi S8 Plus 4.0 TFSI Quattro, Motor
Achim Hartmann
750 Newtonmeter bei 2.500 Umdrehungen, 605 PS bei 6.100. Der Vierliter-V8 ist ein kompaktes Kraftpaket.

Winterreifen stoppen den Vortrieb

Am Ende der sanften Rechtskurve markiert das Ortsausgangsschild den Startpunkt, die Autobahn verliert sich schnurgerade in der Nacht, selbst die serienmäßigen Matrix-Scheinwerfer leuchten im Fernlichtmodus nur bis zur nächsten Unterführung. Rechts fliegt das große blaue Schild vorbei, „Stuttgart 208 km“ steht drauf. Immer noch, wie damals, als sich Karin Baal in der Kommissar-Folge „Die Anhalter“ hier unvorsichtigerweise von einem Lastwagenfahrer mitnehmen ließ.

Wir nehmen keinen mit, wählen lediglich den Betriebszustand „Dynamic“ aus, da senkt das Luftfahrwerk die Karosserie um zehn Millimeter, ab 120 km/h ist es ein weiterer Zentimeter. Die Autobahn hat nun drei Spuren, folgt aber immer noch der Trassenführung von 1938, das heißt, der erste wahrnehmbare Knick kommt erst hinter der Ausfahrt Dachau. Weit vorher erreicht der Wagen 270 km/h, das Limit der Winterreifen. Ausfahrt raus, Richtung München wieder drauf. Selbst bei Vollgas wummert der Motor nur weit entfernt und gedämpft, erinnert mit bassig-zornigem Sound daran, dass der Audi S8 Plus genauso gut RS 8 heißen dürfte. Die Spoilerlippe am Heckdeckel deutet ebenfalls diskret darauf hin, die serienmäßigen 21-Zoll-Räder auch – allerdings nicht ganz so diskret.

Audi S8 Plus mit Zylinderabschaltung

Autobahn-Abzweig Eschenried, Fuß vom Gas, im tempolimitierten Bereich schaltet der Audi vier seiner Zylinder ab, das ist nicht zu spüren, sondern nur am Zentral-Display abzulesen. ANC macht also ganze Arbeit. Hinter dem Kürzel verbirgt sich das physikalische Phänomen der destruktiven Interferenz. Das ist hier nichts Schlechtes, im Gegenteil: Gezielter Gegenschall aus der Sound-Anlage eliminiert den Vierzylinder-Unterton im Teillastbereich. Wenn die Bahn wieder frei ist, nehmen die vier pausierenden Zylinder die Arbeit wieder auf. Auch das geschieht unmerklich. Die Zylinderabschaltung soll Sprit sparen. Tut sie vermutlich auch, doch dass im wahren Leben ein Turbo-Achtzylinder dieser Leistungsklasse in einer Zweitonnen-Limousine kein Kostverächter ist, wissen wir alle. Da können schon mal zwanzig Liter Super Plus je 100 km durchgurgeln, der 82-Liter-Tank reicht, wenn’s echt pressiert, kaum 400 Kilometer.

Heute pressiert es nicht mehr, der S8 trudelt die Autobahn voran, wieder durch den Kreisverkehr, zurück in die City. Das Fahrwerk wird zurück auf „Komfort“ gestellt, es ist auf holperigem Stadtpflaster steifbeiniger als ein A8 ohne „S“ und „Plus“. Die Luftfederung ist übrigens serienmäßig, wie beim A8, doch mit S-spezifischer Abstimmung. Ebenfalls im Grundpreis von 145.200 Euro enthalten: die feinen Sportsitze in Vollleder und die volle Infotainment-Dröhnung inklusive Bose-Sound-System. Nicht dabei ist die Lackierung. Die heißt Florettsilber, es gibt sie nur beim S8 Plus, für 5.390 Euro. Bei den heutigen Treibstoffpreisen ließe sich der S8 dafür ungefähr 54-mal volltanken, sie ist dennoch eine Empfehlung. Das matte Grau passt hervorragend in die Winternacht, die blassen Straßenlampen lassen den Audi gedämpft aufschimmern, im serienmäßigen Ibisweiß oder Brillantschwarz würde er komplett anders wirken.

Audi S8 Plus 4.0 TFSI Quattro, Heckansicht
Achim Hartmann
9,6 Sekunden benötigt der S8 Plus von 0 bis 180 km/h, das ist gerade mal vier Zehntel langsamer als ein Lamborghini Murciélago.

Bei Bedarf auch entspannt

Auf dem Weg zurück ins Zentrum nehmen wir einen kleinen Umweg über die Hackerbrücke. Die heißt nicht so, weil sich hier vielleicht Computernerds treffen, sondern weil bis vor 25 Jahren die Hacker-Pschorr-Brauerei hier am südlichen Ende zu finden war. Heute sieht die Brücke aus, als sei sie eine Kulisse aus „Blade Runner“, dabei steht sie seit über 100 Jahren hier, eine der ältesten Schmiedestahlbrücken Deutschlands, gebaut übrigens von MAN. Denn neben allerlei Maschinen und Motoren baute MAN damals so ziemlich alles, was man aus Stahl fertigen konnte, außer der Hackerbrücke etwa auch die Wuppertaler Schwebebahn und die Müngstener Eisenbahnbrücke.

Der S8 rollt langsam über die Brücke, kein Verkehr, nur viele von Pendlern an die Stahlstreben der Brücke gekettete Fahrräder bei den S-Bahn-Treppen, auch das ist Mobilität in München. Unter der Brücke laufen die Bahngleise vom Hauptbahnhof nach Westen, dahinter die Lichter der Innenstadt. Tempo 50, Klimaautomatik und Sitzheizung halten das Interieur wohltemperiert. Im Sound-System ersetzt Musik vom Smartphone den Vierzylinder-Gegenschall. Wenig von der Musikauswahl auf dem Telefon scheint zu München bei Nacht zu passen. Dann bleibt das Scrollrad bei Pink Floyd hängen. „Wish you were here“, Lautstärke auf.

Audi S8 Plus 4.0 TFSI Quattro, Rundinstrumente
Achim Hartmann
Tacho bis 320 hätten damals Le-Mans-Prototypen gebraucht, der S8 ist fast genau so schnell.

Matrixlampen tauchen Straßen in LED-Licht

Der Fotograf will, bevor wir uns in die Nacht verabschieden, ein paar letzte Fotos am Königsplatz. Wir kurven am Hauptbahnhof vorbei, bei jedem Bremsen schubbern die abgekühlten Carbon-Keramik-Scheiben ein wenig. Es geht vorbei am ehemaligen Botanischen Garten zum großen Kreisverkehr, in dessen Mitte die Propyläen stehen, das ist altgriechisch und heißt „Tempelpforten“. Rechts und links stehen Glyptothek und staatliche Antikensammlung, Überbleibsel aus einer Zeit, in der der bayrische König Ludwig I. gern ums Mittelmeer urlaubte und sich großzügig mit Souvenirs eindeckte.

Zwischen den klassizistischen Bauten parken wir ein letztes Mal in dieser Nacht. Der Verkehr ist spärlicher geworden, er umkurvt gelassen den abgestellten Audi, darunter ein paar Streifenwagen. Es ist der Vorabend der Münchener Sicherheitskonferenz, vielleicht sind deswegen so viele Gesetzeshüter unterwegs, keiner kümmert sich um uns. Im S8 sind sie gerade bei „Shine on you crazy diamond“ angekommen: „Threatened by shadows at night, exposed in the light ...“ Zeit, zu fahren, die Matrixlampen tauchen die Brienner Straße in LED-Licht, so könnte Roger Waters das gemeint haben.

Fazit

Die Fahrleistungen eines Supersportwagens und der Fahrkomfort eines Luxusklasse-Limousine, dieser Quadratur des Kreises kommt der S8 Plus schon sehr nahe. Dass er extrem teuer und bei seinem Tempo nicht gerade sparsam ist: geschenkt.

Technische Daten
Audi S8 plus 4.0 TFSI Quattro
Grundpreis147.900 €
Außenmaße5147 x 1949 x 1458 mm
Kofferraumvolumen520 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder
Leistung445 kW / 605 PS bei 6100 U/min
Höchstgeschwindigkeit305 km/h
0-100 km/h3,6 s
Verbrauch10,0 l/100 km
Testverbrauch13,7 l/100 km