Bentley Flying Spur, BMW M550i, Porsche Panamera GTS
Power-Limos im Charaktervergleich

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BMW M550i xDrive, Porsche Panamera GTS und Bentley Flying Spur interpretieren ihr Limousinen-Dasein auf drei völlig unterschiedliche Weisen. Ganz klassisch als Business-Center. Getarnt als Sportwagen. Als Luxus-Gleiter mit dickem Motor. Klingt nach logischem Ablauf. Und doch erleben wir eine faustdicke Überraschung auf der Rennstrecke.

Bentley Flying Spur W12, BMW M550i xDrive, Porsche Panamera GTS, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

So eine Launch Control kann schon ein feines Hilfsmittel sein, um sportlichen Autos beim Antritt unter die Arme zu greifen. Sie tariert den Schlupf bestmöglich aus, damit die vielen Pferdchen nicht die Räder rauchen lassen, sondern aus dem Stand bestmöglich und schnell ins Galoppieren kommen. In diesem Vergleich ist sie noch aus einem zweiten Grund hilfreich. Über die Launch Control nähern wir uns dem Geist der Limousinen an.

Unsere Highlights

Rein in den Sport-Plus-Modus, ESP abschalten, Bremse mit dem linken Fuß halten und voll mit dem rechten aufs Gaspedal stapfen: Die Elektronik pendelt die Drehzahl des vier Liter großen Achtzylinder-Turbomotors knapp unterhalb von 5.000 Touren ein. Der Porsche ist bereit, in kürzester Zeit auf Landstraßentempo zu jagen. Bremse lösen – erst mal verpasst einem der GTS einen Rammstoß in den Rücken, sodass einem beim Einkuppeln fast die Zähne klappern, bevor der Doppelkuppler schnurstracks den zweiten Gang reinhämmert. Hier lässt einer keinen Zweifel daran, wie er sich als Limousine sieht. Als verkappter Sportwagen, der in vier Sekunden auf 100 km/h schießt.

Gemütlich mit viel Bums

Bentley Flying Spur W12, Exterieur
Rossen Gargolov
Der Bentley frisst mit seinem W12 Geraden und schmeichelt mit seinem Fahrwerk jeder Bodenwelle.

Der BMW steht ihm im Image-Spurt in praktisch nichts nach, beschleunigt nur eine Zehntel langsamer, gibt sich dabei aber ganz anders. Zunächst einmal spannt ihn die Launch Control mit einer Drehzahl von rund 3.000 Umdrehungen vor. Beim An­fahren gewinnt man den Eindruck, dass der Power-5er schon zupackt wie beim Händeschütteln vor dem Business-Meeting, aber eben nicht zu fest drückt. Der Fahrer sitzt ruhig, wird von ihm nicht geklopft oder getreten, während der V8-Biturbo da vorn Alarm macht.

Im Bentley Flying Spur sind es noch einmal deren vier Zylinder mehr – formiert als W12 –, die den Elder Statesman für die Außenwelt donnernd aus dem Stand in 4,3 Sekunden auf Tempo 100 wuchten. Ein kurzer Schwenker: Wir wollten zunächst den V8, haben aber als Alternative den Zwölfzylinder akzeptiert, weil wegen der Statur und des hohen Fahrzeuggewichts nicht zu erwarten ist, dass der Brite die Gegner hier zerlegt. So hat er zumindest beim Geradeausfahren gute Chancen, Schritt zu halten.

Mehr als 2,5 Tonnen geraten nach einem Augenzwinkern in Wallung. Der Luxus-Dampfer lupft den Vorderbau, während die Ledersitze sowohl Gesäß als auch dem ramponierten Rücken schmeicheln. Oh Lord, verzeihen Sie bitte die Wortwahl, aber hier trifft ordentlich Bumms auf herausragende Komfort-Qualitäten.

Bentley Flying Spur W12, Motor
Rossen Gargolov
635 PS und 900 Nm leistet der sechs Liter große Bentley-W12 unter der mächtigen Haube.

Der Fahrer versinkt wie in einem Lounge-Sessel, greift nach links zwischen Sitz und Tür, um die Massagefunktion anzuschalten. Was juckt der perfekte Start, wenn einen doch so viel Luxus umgibt? Da pfeift man auf das letzte Zehntel, weil er den schnellen Antritt zwar souverän beherrscht, es aber beileibe nicht seine Kernkompetenz ist. Die da wäre: Der Bentley trägt wie auf einem Thron über Straßen, lässt Sorgen vergessen und löst gleichzeitig Verspannungen. Seine Dreikammer-Luftfederung radiert Bodenwellen und Schlaglöcher aus, ohne vollkommen von der Fahrbahn-Oberfläche und den Unebenheiten abzukapseln. Einfach herrlich.

900 Nm raufen sich zusammen

Allein schon der erste Kontakt mit ihm. Über den Schlüssel entriegeln, und die LED-Matrix-Scheinwerfer mit geschliffenem Kristall-Effekt funkeln im Licht. Es öffnet sich eine Luke über dem Kühlergrill, durch die das "Fliegende B" mit beleuchteten Flügeln auftaucht. Der wuchtige Vorderbau deutet an, dass darunter eine große Maschine Dienst verrichtet.

Sechs Liter Hubraum. Ein maximales Drehmoment von 900 Newtonmetern zwischen 1.350 und 4.500 Touren. 635 PS bei 5.000 Umdrehungen der Kurbelwelle. Der Grand Tourer ist immerzu in der Lage, Geraden im Handumdrehen zu zermalmen.

Der W12-Motor schmort bei Richtgeschwindigkeit 130 km/h im eigenen Saft, ohne hörbare Lebenszeichen in den Innenraum abzugeben. Dann räumen die vorausfahrenden Fahrzeuge ehrfürchtig die linke Spur. Der rechte Fuß wird schwerer, stachelt den Bentley an, der wie nach einem Klaps auf den Hintern zum Tempobolzen übergeht. Selbst bei 270 km/h zuckt die 5,31 Meter lange und zwei Meter breite Limousine nicht. Fliegt stattdessen über die linke Spur, bis vorn doch mal wieder einer auftaucht. Sonst wären 333 km/h drin.

Bentley Flying Spur W12, Exterieur
Rossen Gargolov
Kurven mag der Brite nur, sofern sie nicht zu eng ausfallen.

Auf der Bremse spürt man sein hohes Gewicht von 2.541 Kilogramm (vollgetankt) natürlich stark. Aus 200 km/h beträgt der Bremsweg 157 Meter. Beim BMW sind es knapp über 142 Meter, beim Porsche mit Keramik-Bremsanlage lediglich 133,4 Meter. Was wiederum die Rollen in diesem Vergleich ganz gut verdeutlicht.

Auch in der Querdynamik drücken die Pfunde, wenngleich dem Bentley die Wankstabilisierung (48-Volt-Bordnetz) zu einem gewissen Ausgleich der Karosserie verhilft. Am besten schmecken ihm daher lang gezogene Kurven, die er mit einem Lenkeinschlag und in einem Schwung durchfahren kann. In diesem Fall stabilisieren ihn die mitlenkenden Hinterräder zusätzlich. Im anderen Fall hilft es auch wenig, wenn sie bei niedrigen Geschwindigkeiten etwas gegenlenken. Umso technischer, desto mehr hat er mit seinen Abmessungen und seinem Gewicht zu kämpfen. Schauen Sie dafür exemplarisch die Slalom-Zeit an: Der Bentley quält sich mit 63,3 km/h um die Pylonen, was aber nicht anders zu erwarten war. Man spielt mit einem Medizinball ja auch kein Basketball.

Generell will er gelassen gefahren werden, sonst torkelt er in Kurven schnell mal über die Vorderachse. Wenn die Dosierung passt, hält er sich auf der Ideallinie, um am Kurvenausgang mit dem Heck zu drücken. Kleine Bremseingriffe an der kurveninneren Seite lassen es ein­drehen. Die 900 Newtonmeter raufen sich schnell zu einer homogenen Masse zusammen. Maximal 280 davon fließen im Sport-Modus an die Vorderachse.

Der GTS attackiert Kurven

Porsche Panamera GTS, Exterieur
Rossen Gargolov
Nicht nur im Vergleich fährt sich der Porsche Panamera GTS wie eine Präzisionsmaschine.

Im Panamera stellt sich die Frage nicht, ob man besser vorne links oder lieber hinten rechts sitzen möchte. Der Flying Spur nimmt Kurven mit, der GTS attackiert sie. Ja, der Porsche hat mit einem Gewicht von 2.103 Kilogramm durchaus das eine oder an­dere Fettpölsterchen angesetzt. Nur sieht die niemand, weil die Karosserie wie ein figurformendes Kompressionsunterhemd alles kaschiert. Da schwabbelt nichts, wenn der Panamera wie eine Präzisionsmaschine in die Kurven lenkt. Es verrutscht nichts.

Die Vorderachse reißt sich die Ideallinie unter die Räder. Scheinbar ohne Limit. Die Grenze des Machbaren definiert die Hinterachse, die nicht wie ihr Gegenüber auf dem Asphalt klebt, sondern auch gern mal quertänzelt. Man merkt schon sehr früh nach wenigen Kurven, welcher der beiden Achsen die elektronisch geregelte Lamellenkupplung deutlich stärker zugeneigt ist. Welche sie geradezu mit Küsschen, äh Drehmoment, überschüttet. Im Slalom muss der Fahrer bei schnellen Richtungswechseln schon aufpassen, dass das Heck nicht zu sehr ausschweift. Wenn das hinhaut, saust der GTS in 9,37 Sekunden oder mit einem Speed von 69,2 km/h um die Pylonen.

Auf Landstraßen lässt sich der Ausschlag mit dem Heck wunderbar dosieren. Weil die Leistung schön linear anschwillt. Auf der Rennstrecke ist der Allradantrieb ohnehin der kongeniale Partner, um die 16 Kurven im Sturm zu erobern. Einlenken: Man steckt mittendrin im Kurven­gewühl. Gas geben: Der GTS zupft das Heck zurecht, um traktionsstark auf das nächste Geradeausstück zu pfeffern. Dabei verteilt die Hinterachs-Differenzialsperre die Kräfte, während radselektive Bremseingriffe ein zusätzliches Lenkmoment an der Hinterachse erzeugen.

Porsche Panamera GTS, Motor
Rossen Gargolov
480 PS klingen selbst für einen Porsche nach viel, sind aber für das Gesamtpaket zu wenig.

Das System ist Teil der "Porsche Dynamic Chassis Control Sport" – kurz PDCC Sport. Wie der Name andeutet, gleichen elektromechanische Stabilisatoren die Bewegungen des Aufbaus aus. Obendrauf spendiert Porsche dem Testwagen noch die Hinterachslenkung. Luftgefedert ist er wie der Bentley ja bereits ab Werk.

Es gibt Stimmen, die ihn mit all der Elektronik an Bord etwas zu künstlich finden – zu künstlich im Bewegungsablauf. Doch wie er sich in Kurven biegt: Das ist schon erste Sahne für das Gewicht, das er mit sich herumschleppt. Im Alltag kann der GTS auch die Muskeln entspannen, einfach mal dahinschippern. Komfortabel und sportlich zugleich. Sobald der Fahrer das Rädchen am Lenkrad dreht, in "Sport" oder gar "Sport Plus" switcht, kehrt der GTS wieder den Sportwagen in sich raus. Das Achtgang-PDK schaltet vor Kurven während des Bremsvorgangs punktgenau ein, zwei Gänge herunter. Der Achtzylinder-Turbomotor bollert und knallfröschelt durch die vier eingelassenen Endrohre.

Beim Hochdrehen klingt er düsterer als der V8 im BMW. 620 Newtonmeter formatieren sich bereits ab 1.800 Touren, packen an und bringen den Panamera schnell auf Geschwindigkeit. Ab 100 km/h fährt der Heckflügel automatisch aus. Es ist angerichtet – sollte man denken. Die 200er-Marke fällt erst nach 15,1 Sekunden. Damit ist er im Vergleich um 1,1 Sekunden langsamer als der BMW und um 1,3 als der Bentley. Und damit wären wir bei einem Pro­blem gelandet, das ihm aufs Gemüt drückt.

BMW-V8 einfach grandios

BMW M550i xDrive, Motor
Rossen Gargolov
Der V8-Turbomotor des M550i ist eine Sahneschnitte.

Für sich genommen ist der Porsche-­V8-Turbo schon ein guter Motor. Schnell im Ansprechverhalten, kraftvoll in der Leistungsentfaltung. Im Vergleich jedoch muss er sich der Konkurrenz beugen. Den Bentley lassen wir mal außen vor. 280 Newtonmeter mehr Drehmoment, 155 PS mehr: Klar zieht der dem Panamera irgendwann davon, wenn es stumpf geradeaus geht. In einer Liga mit dem M550i sollte der GTS aber spielen dürfen. Müsste man meinen. Soll heißen: Über 500 PS sollte so eine Sportskanone schon haben. Es sind aber "nur" deren 480, weil man in Zuffenhausen einen großen Respektabstand zum Turbo S (630 PS) bewahrt. Das wird ihm im Aufeinandertreffen mit dem BMW zum Verhängnis. Bildlich gesprochen: Er wird kreidebleich, wenn er sieht, was sein Münchner Kollege da abzieht.

Der V8-Biturbo des M550i erobert die Herzen im Sturm. Was ist das für eine Maschine! 50 km/h, 1.500 Touren, Tritt aufs Gaspedal: Dieser Motor ist so ein Typ, den man nachts um drei Uhr weckt, und der sofort anspringt und performt. Da kann der Panamera nicht ganz mithalten. Ihn bringt also nicht nur die geringere Leistung ins Hintertreffen.

Der BMW bugsiert sich aus dem Drehzahlkeller, ballt 750 Newtonmeter zu einer kräftigen Rechten und zieht bis etwa 6.500 Umdrehungen durch. Verkehrte Welt: Den sportlichsten Motor trägt nicht das sportlichste Geschoss.

Bentley Flying Spur W12, BMW M550i xDrive, Porsche Panamera GTS, Exterieur
Rossen Gargolov
Der M550i ist eine gut abgestimmte Sportlimousine, mit der sich auch echte Sportwagen ärgern lassen.

Schon beim Umstieg auf der Landstraße sind die motorischen Unterschiede sehr spürbar. Auf der Rennstrecke wird es mehr als deutlich. Der BMW hängt den Porsche auf jeder Gerade ab. Allein auf der Parabolika gewinnt er eine Sekunde. Und weil sich auch der M mit seinem vollvariablen Allradantrieb, der Wankstabilisierung und Hinterachslenkung zu bewegen weiß, kann der Panamera die Verluste auch in den vielen Kurven nicht mehr gänzlich wettmachen. So entscheidet der M550i die Rundenhatz um sechs Zehntelsekunden für sich.

Im Vergleich fällt auf, dass der BMW zwar entschlossen abbiegt, seine Vorderachse aber nicht so zubeißt. Deshalb ist es sinnvoller, sich am Eingang etwas zu zügeln. Am Kurvenausgang formt der Allradantrieb bei Gaseinsatz dann ein neutrales bis leicht übersteuerndes Fahrverhalten. Die Limousine zwirbelt aus den Ecken – und sorgt für gute Laune am Lenkrad. Wie die anderen beiden auch aus unserem Trio de luxe.

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Fazit

Verkehrte Welt: Der Panamera GTS fährt wie ein Sportwagen, doch den sportlichsten Motor trägt der M550i. So geht dem Porsche der entscheidende Punch ab. Es fehlt ihm an Kraft, die er eigentlich haben könnte. Schade, dass ihm Zuffenhausen nicht über 500 PS spendiert. Der BMW fühlt sich insgesamt schwammiger an, legt sich Kurven aber dennoch gekonnt zurecht. Eine echte Limousine eben. Der Bentley frisst mit seinem W12 Geraden und schmeichelt mit seinem Fahrwerk jeder Bodenwelle. Eine Wohlfühl-Oase.

Technische Daten
Bentley Flying Spur W12 BMW M550i xDrive Porsche Panamera GTS GTS
Grundpreis226.338 €96.000 €145.741 €
Außenmaße5316 x 1987 x 1484 mm4972 x 1868 x 1467 mm5053 x 1937 x 1417 mm
Kofferraumvolumen420 l530 l495 bis 1334 l
Hubraum / Motor5950 cm³ / 12-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder3996 cm³ / 8-Zylinder
Leistung467 kW / 635 PS bei 5000 U/min390 kW / 530 PS bei 5500 U/min353 kW / 480 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit333 km/h250 km/h300 km/h
Verbrauch13,3 l/100 km9,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten