BMW 320d Modern Line im Test
Sportler im Limousinen-Kostüm

Neuer Anzug und sehnigere Proportionen: Der BMW 3er, guter Kumpel aller Lust-Autofahrer, startet rundum erneuert in seine sechste Generation. Ist er auch nach 37 Jahren noch das Ideal einer Sportlimousine?

BMW 320d Modern Line, Frontansicht
Foto: Hans-Diter Seufert

Ein wenig schizophren sind diese bayerischen Motorenwerkler ja schon. Sie steigen aus der Formel 1 aus, stellen Joschka Fischer als Berater ein, streichen den saugenden Reihensechszylinder, hadern renditegetrieben mit einem Supersportwagen und wollen mit Vans den Familienfrieden und mit Elektroautos das Weltklima retten.

So nüchtern, so korrekt, doch dann das: Wie von einer Horde Audi A4 gejagt, zirkelt sich der neue BMW 3er mit Dynamik und Agilität beschwingt ins Sportfahrerherz. Wer so was entwickelt, muss Freude am Fahren wirklich noch wertschätzen. Kein Grund also für den BMW 320d, so grimmig aus den zugespitzten Bi-Xenon-Scheinwerfern mit LED-Augenbrauen zu linsen.

Sportlimousine mit komfortabler Rückbank

Mag sein, dass BMW mitten im Paradigmenwechsel steckt. Aber allen, die schon unken, der Münchner Autohersteller baue in Zukunft wohl nur noch emissionsarme Siebensitzer, sollte man den F30 unter den Popo schnallen. Der BMW 320d hebt, obschon in Länge, Spur und Radstand gewachsen, mit seiner quirligen Art die Laune wie ein kühles Bier am Ende eines langen Arbeitstags. Die Pressemappe gibt sich natürlich politisch korrekt und preist das gewachsene Raumangebot „besonders für Fondpassagiere“ – wie fürsorglich. Wer wirklich sehr um Hinterbänkler besorgt ist, kauft sich keinen BMW 3er oder den 320d.

Dass er in praktischen Dingen noch nie ganz vorne war, störte seine Fans bisher so sehr wie eine freie Autobahn. Auch wenn es hinten jetzt einen Tick luftiger zugeht, so wissen sie doch, dass eine breitere Spur und der längere Radstand ebenso der Fahrdynamik dienen. Immerhin, die Aussage „Liebling, der Neue hat jetzt 1,5 cm mehr Knieraum für die Kinder“ ist nicht geflunkert. Wahrscheinlich fällt der Satz bei dem Dienstwagen-König BMW 3er aber gar nicht so oft. Jedenfalls lässt es sich in den bequemen Fondsesseln mit vier Zentimetern mehr Sitztiefe im BMW 320d sehr passabel reisen.

Und wenn wir schon mal am Heck rumwerkeln: Der Kofferraum des BMW 320d ist um 20 auf 480 Liter gewachsen, die recht enge Ladeluke leider nicht, und mit seiner 40:20:40-Rückbank (Extra) lassen sich auch breitere Rockerboards in die Alpen schaffen.

Farbdisplay im neuen BMW 320d serienmäßig

Vorne rockt dagegen der niedrigere Hüftpunkt – was die Sitzposition sportlicher und den Schwerpunkt tiefer legt. Es freut sich wieder mal die Fahrdynamik. Das Armaturenbrett bedient stilistisch geschärft mit achtgradiger Hinwendung der Mittelkonsole den Egoisten im Piloten, ohne den Beifahrer dramatisch auszugrenzen. Es gibt Neues zu sehen im BMW 320d. Das serienmäßige Farb-Display zum Beispiel, das wie ein zu groß gewordenes Smartphone auf den mittleren Lüftungsauslässen thront. In 6,5-Zoll-Größe klaubt es keinen weiteren Cent aus der Tasche. Wer es in 8,8 Zoll mit gestochen scharfer Auflösung und dem kompletten Infotainmentangebot haben will, wird wie gewohnt ein kleines Vermögen (rund 6.000 Euro) los. 150 Euro kostet allein die Möglichkeit (!), iPhone-Apps beim BMW 320d zu integrieren. Bei der Bedienung stieg BMW ja schon vor einigen Jahren wie Phoenix aus der Asche des verkorksten ersten i-Drive-Versuchs auf. Inzwischen kauft man sich einen BMW nicht mehr trotz, sondern auch wegen der einfachen Bedienung mit hoch liegenden, klar beschrifteten Direkttasten und intuitiv-unprätentiösen Menüstrukturen.

Der Wählknüppel des sehr weich und schnell schaltenden Achtgangautomaten erfordert Gewöhnung. Lenkradpaddel kosten nochmal 170 Euro mehr – gut angelegtes Geld fürs Gefühl. Und damit das nicht leidet, raten wir von Kreuzen bei Strukturholz und der Interieurfarbe Breeze in „Modern-Line“ ab – auch der BMW 320d macht inzwischen in Ausstattungslinien (Sport, Luxury, Modern). Das, ähh, Holz sieht aus wie von Playmobil, das helle Armaturenbrett spiegelt sich in der Scheibe, und die beigen Zifferblätter bieten bei Tag kaum Kontrast. Muss man ja nicht bestellen. Schade jedoch: Was Grate (Blinkerhebel) und Passungen (Türgriffknöpfe) angeht, war wohl Montag im BMW-Werk.

Wobei, wer sich so genial fährt wie der BMW 320d, dürfte innen auch Spaltmaße tief wie der Bodensee klaffen lassen. Dabei steckt unter den Radhäusern keine Revolution. Die aus dem Vorgänger bekannte Doppelgelenk-Zugstreben-Vorderachse und die Multilenker-Hinterachse wurden aber speziell im Bereich der Kinematik und Elastokinematik überarbeitet. Weniger Gewicht und Reibung sowie präzisere Führung der Komponenten verspricht BMW, der Fahrer spürt grandios neutrales Fahrverhalten, anmachendes Drängen des Hecks auf Scheitelpunktgas und bissige Traktion auf trockener Fahrbahn. Wegen Hinterradantrieb und paritätischer Gewichtsverteilung kommt beim heutigen Verkehr zwar keiner mehr schneller an, aber oft glücklicher. Für manche wird sogar der kurvige Umweg das Ziel.

Mehr Dämpfung, kürzerer Bremsweg

Und es gibt weniger Schläge auf das Steißbein als bisher. Zwar plätschern kleinere Wellen immer noch fröhlich durch die erstklassigen Sitze (große Beinauflage, viel Rückenhalt), aber mittlere und derbere Brecher schluckt der BMW 320d mit seiner adaptiven Dämpfung (wieder 1.100 Euro) souverän. Nebenbei steht er auf seinen Pirelli P7-Pneus bis zu 2,5 Meter früher als bisher – perfekt dosierbar, versteht sich.

Für Diskussionen auf höchstem Niveau könnte beim BMW 320d allenfalls die elektromechanische Sportlenkung mit variabler Übersetzung sorgen (und nochmal 450 Euro). Mit 2,25 Lenkradumdrehungen lenkt sie bei großen Radeinschlägen bis zu 25 Prozent direkter als der Vorgänger ein und eignet sich hervorragend zum kurbelarmen Einparken wie zur feinfühligen dynamischen Kurven-Sezierung. Der 4,62-Meter-Wagen schneidet durchs Rund wie ein warmes Messer durch Obatzter. Jedoch spüren sensible Volant-Artisten eine leichte Stößigkeit bei gleichzeitig etwas synthetischem Steuergefühl. Minimal, aber bei einem Lenkungs-Primus wie BMW erwähnenswert.

BMW 320d knurrt vorlaut

Ebenso wie die Frage, wieso der Zweiliter-Turbodiesel im BMW 320d jetzt auf einmal Twinpower heißt. Weder rotieren zwei Turbos, noch strömt es durch Twinscroll-Rohre. Solches Marketing-Geschwurbel hat der Verkaufsstar unter den BMW-Aggregaten (70 Prozent Anteil im Dreier) gar nicht nötig. Schreibt doch lieber „Der Diesel“ drauf. Denn die Kombination aus 380-Nm-Vorschlaghammer-Durchzug und Spatzendurst sucht ihresgleichen. Dazu kommt er ansatzlos aus den Puschen und dreht fast wie ein Benziner.

Wenn der BMW 320d jetzt noch sein vorlautes Knurren ablegt und bald auch mit Stickoxid-Kat (1.190 Euro) die 2014 kommende EU6-Abgasnorm erfüllt, gibt es kaum noch einen rationalen Grund, ihn nicht zu nehmen. Günstig ist der eilige BMW 320d nicht, richtig teuer auch nicht. Für rund 40.000 Euro spuckt der Konfigurator einen vernünftigen 320d mit besten Wertstabilitätsaussichten aus. Ein wunderbarer Wagen für alle, die gern mal automobil schizophren sind: geizig beim Sprit und schwelgend beim Fahren.

Vor- und Nachteile
Karosserie
BMW 320d Modern Line
gutes Raumangebot vorne
passable Platzverhältnisse im Fond
gute Rundumsicht
einfache Bedienung
reichlich Ablagen
sehr gutes Infotainmentsystem
mäßige Verarbeitung
helle Instrumente schlecht ablesbar
enge Ladeluke
Fahrkomfort
guter Komfort (adaptiv)
komfortable Sitze mit sportlich tiefer Position
recht hohe Fahrgeräusche (knurriger Diesel)
mäßiger Abrollkomfort
Antrieb
sehr kräftiger Durchzug
für Diesel hohes Drehvermögen
sehr gute Fahrleistungen
Fahreigenschaften
sehr agiles Handling
hohe Fahrsicherheit
präzise Lenkung
gute Traktion bei trockener Fahrbahn
eingeschränkter Geradeauslauf
Sicherheit
wirkungsvolle Bremsen
kein Notbremsassistent
Umwelt
niedriger Verbrauch
niedrige Kohlendioxid- Emissionen
NOX-Katalysator noch nicht lieferbar
Kosten
angemessener Grundpreis
hohe Wertstabilität
üppige Aufpreisliste

Fazit

„Für alle, die unter Autofahren nicht nur Von-A-nach-B-kommen verstehen, ist der BMW 3er ein bezahlbarer Traumwagen.“ Alexander Bloch freut sich über den Fahrspaß im neuen 3er.

Technische Daten
BMW 320d Modern Line
Grundpreis40.250 €
Außenmaße4624 x 1811 x 1429 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor1995 cm³ / 4-Zylinder
Leistung135 kW / 184 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit230 km/h
0-100 km/h7,6 s
Verbrauch4,4 l/100 km
Testverbrauch6,7 l/100 km