BMW 640d Gran Coupé im Test
Kein Coupé, aber Gran wie großartig

Das BMW 6er Gran Coupé für alle, die gerne einen BMW 6er hätten, weil Ihnen die Coupé-Form so gut gefällt, aber in etwa das Raumangebot eines 7ers benötigen, der ihnen zu wenig elegant ist. Das BMW 640d Gran Coupé im Test.

BMW 640d Gran Coupé, Frontansicht, Slalom
Foto: Wolfgang Groeger-Maier

Warum nennt man eigentlich ein limousinenartig aussehendes Auto Coupé? Etwa, damit man dafür mehr Geld verlangen kann? Schließlich sind große Zweitürer teuer, denn sie bieten zwar weniger Nutzwert, aber mehr Verführung. Im Falle des BMW 6er Gran Coupé jedoch wäre der Name 6er Gran Turismo zielführender als Gran Coupé, denn er ist ein Viertürer – und zwar ein selten eleganter.

Der Neue ist die Limousinen-Version der Coupé-Version der Limousine. Und natürlich kostet er mehr als beide, schließlich ist er das Besondere des Besonderen. Zu Recht trägt er ein italienisches Wort im Namen, durchbricht deutsche Ingenieurszwänge mit italophiler Ignoranz und erklärt bella figura zur Priorität. Das BMW 6er Gran Coupé ist der 7er, den die Designer nie realisieren durften, weil das Lastenheft sofort zu wenig Kopffreiheit im Fond bemängelt hätte. Oder den gebückten Einstieg nach hinten.

BMW 640d Gran Coupé für Selbstfahrer

Die Sicken und Wölbungen fließen auf fünf Metern dahin, und das Auge folgt ihnen fasziniert bis hin zu fast schon unverschämt flachen Rückleuchten. Wer hier angekommen ist, stellt die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines viertürigen Coupés nicht mehr, sondern hat sie bereits beantwortet: Es ist einfach schön, und deshalb will man es gerne haben. Gegenüber dem zweitürigen 6er berechnet BMW für elf Zentimeter mehr Radstand sowie zwei zusätzliche Türen 4.600 Euro Aufschlag und preist das BMW 6er Gran Coupé sogar um 1.100 Euro über dem 7er ein. Der ist zwar imposanter, doch der Neue toppt ihn an Aufmerksamkeitswert.

Um es griffig zu differenzieren: Im 740d lässt sich der Vorstand chauffieren, während sich der Großaktionär, der über allen Dingen schwebt, als Selbstfahrer das BMW 640d Gran Coupé gönnt – weil man sich ab einer gewissen Vermögensklasse gerne begehrenswerte Dinge leistet. Alternativ gäbe es einen Mercedes CLS, Audi A7 oder Porsche Panamera, wobei Letztgenannte Fließheck-Varianten sind – eine bis ins Dach reichende Heckklappe eingeschlossen. Nicht so der Stufenheck-BMW; immerhin schwingt sein Kofferraumdeckel weit auf. Legt man die Rückbank um, dann wird das BMW 6er Gran Coupé zum Zweisitzer mit 1.265 Liter fassendem Laderaum, was den Alltagsnutzen gegenüber einem 7er deutlich erhöht. Schön gleich unpraktisch? Das war anscheinend gestern.

Damit festigt das BMW 640d Gran Coupé seine Rolle als GT im klassischen Sinne, wobei er dank angenehmer Handlichkeit auch geschmeidig durch Innenstädte gleitet. In den Fond steigt man übrigens nicht nur auf der Kurzstrecke gerne ein, obwohl die Beine mehr Auflage vertragen könnten und der mittlere Platz nur ein Notsitz ist. Hinten erinnert das Raumangebot eher an die Business-Abteilung des 5er als an die Eco-Klasse des 6er Coupés.

Berufung imt Transport über weite Strecken

In der Stadt übernimmt das BMW 640d Gran Coupé vor allem repräsentative Aufgaben. Seine eigentliche Berufung sieht er aber im Transport über weite Strecken – und die spult er mit stoischer Gelassenheit ab, welche sich nach kurzer Zeit auf den Fahrer überträgt. Selbst Heißsporne dürften eine charakterfeste Cruiser-Seele in sich entdecken. Die souveräne Erhabenheit des BMW 6er Gran Coupé ist ansteckend – der Luxusliner treibt nicht, sondern man lässt sich in ihm treiben.

Selbst hohe Durchschnittstempi auf der Autobahn erfordern keine auslaugende Konzentration, weil der große Wagen seinem Lenker jederzeit den Eindruck vermittelt, Herr der Lage zu sein. Auch über den Banalitäten des Straßenbaus steht das BMW 640d Gran Coupé; es verschweigt Unzulänglichkeiten zwar nicht, nimmt ihnen abgesehen von einer Stuckerneigung bei hohem Tempo aber jegliche Aufdringlichkeit.

Wie so häufig reicht es, per so genanntem Fahrerlebnis-Schalter in der Mittelkonsole die Einstellung Comfort plus vorzuwählen – und in diesem Setup die adaptiven Stoßdämpfer auf maximale Aufnahmefähigkeit einzuschwören. Sport klingt im Zusammenhang mit einer Fünf-Meter-Limousine ohnehin wie ein Missverständnis und verschlechtert das Anfedern unnötig. Wer es dennoch darauf anlegt, findet im BMW 640d Gran Coupé einen kompetenten Sparring-Partner. Alles, was man fahrdynamisch mit einem Modell der kleinen BMW-Baureihen verbindet, hält auch der Große: So satt er vorher noch in schnelle Autobahnbiegungen geströmt ist, so erstaunlich beweglich schlängelt er sich nun auf der Landstraße durch Kurvenkombinationen: Der Lenkaufwand bleibt niedrig, das Gefühl fürs Auto hoch.

Eng schmiegt sich das Cockpit um den Fahrer, macht ihn zum Kommandanten, der schnell vergisst, dass er einen schweren Wagen befehligt. Die Wendigkeit des BMW 640d Gran Coupé ist jedoch teilweise mit Optionen erkauft: Der Testwagen holt sich die Wankkontrolle (2.670 Euro) inklusive der geschwindigkeitsabhängig arbeitenden Vorder- und Hinterachslenkung (1.950 Euro) zu Hilfe.

9,5 Liter im Testmittel

Dank 630 Nm bei 1.500/min katapultiert sich der Zweitonner scheinbar mühelos auf die nächste Gerade, untermalt vom heiseren Grollen des Dreiliter-Diesels. Dass erst zwei Turbolader anblasen müssen, merkt man nicht negativ – anders übrigens als in der Stadt. Hier kann es vorkommen, dass das serienmäßige Start-Stopp-System im BMW 640d Gran Coupé gerade dann den Motor abstellt, wenn die Ampel wieder auf Grün springt. Erneutes Anlassen plus Aufbau von Ladedruck summiert sich in diesem Moment zu einer Anfahr-Verzögerung und kann zudem mit einem leichten Ruck einhergehen.

Diese Momente sind allerdings selten und sollten kein falsches Licht auf den hohen Antriebskomfort der Kombination aus Sechszylinder und Achtgang-Automatik werfen. Natürlich beherrscht sie brachialen Schub, kann das BMW 640d Gran Coupé in 5,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen. Andererseits lässt sich das 6er Gran Coupé mit knapp über sechs Liter Diesel auf 100 Kilometer bewegen. Was kaum weniger beeindruckt: Über den gesamten Test gerechnet sind es 9,5 Liter – und der große 6er war meist zügig unterwegs.

Man könnte auch sagen, das BMW 640d Gran Coupé war ganz in seinem Element – seine Passagiere ohne einen Hauch von Anstrengung über weite Strecken zu chauffieren. Und ihnen erhöhte Aufmerksamkeit zu bescheren – wobei der je nach Lichteinfall mattgrau erscheinende Sonderlack namens Frozen Bronze Metallic (3.800 Euro) die Besonderheit des viertürigen 6er noch betont. Um die Namens-Diskussion abzuschließen: Er ist zwar kein Coupé, aber umso mehr Gran – großartig.

Vor- und Nachteile
Karosserie
BMW 640d Gran Coupé
gutes Platzangebot vorn
hohe Verarbeitungs- und Materialqualität
großer und flexibler Kofferraum
übersichtlich strukturiertes Infotainment
unübersichtliche Karosserie
eingeschränkte Kopffreiheit für Sitzriesen im Fond
Fahrkomfort
gute Bedienungs-Ergonomie
sehr bequeme Sitze vorn
harmonisch abgestimmte Federung
teils verzögertes Anspringen durch Start-Stopp
Antrieb
starkes und kultiviertes Diesel-Triebwerk
weich und schnell schaltende Automatik
sehr gute Fahrleistungen
Fahreigenschaften
gute Handlichkeit
sehr präzises Fahrverhalten
gefühlvolle Lenkung
Sicherheit
wirksame und exakt dosierbare Bremsanlage
gute Sicherheitsausstattung
umfangreiches Angebot an Assistenzsystemen
Umwelt
angemessener Verbrauch
lange Ölwechsel-Intervalle
Start-Stopp-System
Kosten
hoher Grundpreis
hohe Unterhaltskosten
nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Wer das Spielgeld für ein 640d Gran Coupé hat, sollte zuschlagen. Es ist die elegantere, aber nicht weniger komfortable Art, einen 7er zu fahren – mit dem Schick eines Coupés.
 

Technische Daten
BMW 640d Gran Coupé
Grundpreis89.200 €
Außenmaße5007 x 1894 x 1392 mm
Kofferraumvolumen460 bis 1265 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung230 kW / 313 PS bei 4400 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,7 s
Verbrauch5,5 l/100 km
Testverbrauch9,5 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten