BMW 740d xDrive & Mercedes S 400 d 4Matic im Test
Wer setzt hier den Maßstab?

Obwohl E-Kennzeichen gerade schwer angesagt sind – der Selbstzünder lebt. Gern auch in Luxusklässlern wie 7er und S-Klasse als hochverdichteter Mix aus Kompetenz, Eloquenz und Effizienz.

BMW 740d, Mercedes S 400 d
Foto: Tyson Jopson

Das Ende des Diesel kam überraschend, tragisch, mysteriös und irgendwie auch ungeklärt. Nein, nicht das des Selbstzünders, sondern das des Rudolf Diesel, Erfinder und Namensgeber des Ölmotors. Der Ingenieur verschwand im September 1913 von Bord eines Fährschiffs, seine Leiche wurde nur anhand persönlicher Gegenstände identifiziert. Ähnlich schwierig vermutlich, wie es heute ist, einen Dieselmotor eindeutig als solchen zu identifizieren. Nageliger Lauf und Abgasfahne sind passé, und dank innermotorischer Maßnahmen plus SCR-Kat schmutzen die aktuellen Ölbrenner nicht mal mehr.

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Na, und fahren konnten sie ja eh schon lange besser als viele Benziner. Nicht nur Kenner wundern sich deshalb über den Wunsch nach einem schnellen, harten Ende des Selbstzünders. Denn bei Drehmoment, Verbrauch und Reichweite macht ihm keiner was vor. Plug-in-Hybrid-Fahrern kommen beim Zahlen an der Tanke nach zügiger Fahrt die Tränen, Elektro-Connaisseure stehen sich an den Ladesäulen wund. Reiseschnitt: der zweite Name von Limousinen wie 7er und S-Klasse, in denen sich der Diesel seit Einführung von Direkteinspritzung und Turbolader als Idealbesetzung anbietet.

BMW 740d, Mercedes S 400 d
Tyson Jopson
5 kg spart sich der BMW (2.099 kg) gegenüber dem Mercedes. Und das trotz des Mildhybrids.

Bis heute? Immer noch ideal? Klären wir. Es treten an: der BMW 740d mit Dreiliter-Reihensechser samt 48-Volt-Mildhybrid und der Mercedes S 400 d, Dreiliter-Reihensechser ohne Hybrid-Kooperation. Den Vortritt erhält der bewährte BMW vor dem frischen Mercedes. Wobei – besonders abgehangen kommt die Top-Limousine der Bayerischen Motoren Werke nun auch nicht rüber.

Auch wenn sie beim Diesel nicht die Ersten waren, sie können es trotzdem. Nach der Verabschiedung von V8 und der Laderinflation beim R6 mit Quadturbo müssen es jetzt zwei Turbolader richten – mithilfe jeweils variabler Geometrie sowie 2.700 bar Einspritzdruck und eines 48-Volt-Startergenerators mit 11 PS beim Anfahren, Beschleunigen und Boosten.

Sauber. Schnell. Sparsam

Um vollendete Abgasreinigung kümmert sich unter anderem eine SCR-Anlage mit zwei Dosiereinheiten für den Harnstoff. Eine motornah, eine etwas weiter hinten, sodass sie stets im optimalen Temperaturfenster der Reinigung operieren, sowohl beim Kaltstart als auch bei hohen Lasten. Beides beherrscht der 340 PS starke 740d nicht nur abgasseitig, denn sein Triebwerk arbeitet unter unaufdringlichem Sound von 1.500 bis jenseits 4.500/min ebenso vibrationsarm wie kultiviert, serviert homogenen Antritt und ausgeprägte Drehfreude, speziell in "Sport". Turbo-Zögern? Kaum, der Dreiliter lauert am Gas, zur Not klemmt sich der E-Starter dazwischen. Na, und wenn dann noch der famose ZF-Achtgangautomat stets zielführend seines Amtes waltet, während der variable Allradantrieb die 700 Newtonmeter nahezu schlupffrei an die Pirellis bringt – bingo! Oder?

Zu mäkeln gibt es bei diesem Traumdiesel nichts. Es sei denn, Mercedes zeigt BMW, was "Das Beste oder nichts" bedeutet. Obwohl ohne elektrische Zusatzpower, drückt der Ölmotor OM 656 ähnlich wuchtig. In seinem Alu-Motorblock flitzen Stahlkolben an den per Lichtbogen-Draht-Spritzen aufgetragenen Nanoslide-Zylinderbeschichtungen vorbei, getrieben per Stufenmulden-Brennverfahren in den Köpfen. Wie bei BMW sorgt die motornahe Abgasreinigung für saubere Abgase bereits ab Start, denn die akkurate Filterung von Partikeln und NOX bleibt eine der größten Herausforderungen.

BMW 740d
Tyson Jopson
BMW 740d XDrive M Sport: 340 PS, 700 Nm, 0–100: 5,1 s, Reichweite 1.012 km, 109.900 Euro.

Die Nummer soll schließlich bei kaltem Motor genauso effizient erfolgen wie unter hohen Dauerlasten, etwa auf der Autobahn. Dort verordnet die Neunstufenautomatik (die beim Wiederbeschleunigen und Rangieren bisweilen ruckelt) dem Dreiliter niedrige Drehzahlen. Bei Tempo 180 schnürt die S-Klasse wie der 7er mit 2.000/min dahin. Das Geräuschniveau: sensationell niedrig und eine Klasse für sich, erreicht mittels sehr guter Aerodynamik (cW 0,22), etwa von der Luftführung an den vorderen Stoßfängern bis hinter die Radhäuser sowie der Verkleidung von Motorraum und Unterboden. Hinzu kommen Details wie verkleidete Federlenker, einziehbare Türgriffe plus Dämmung per Doppelverglasung, neue Akustikschäume und vermeintliche Kleinigkeiten wie doppelt abgedichtete Kabeldurchführungen in der Schottwand.

Ablesbar bei der Innengeräuschmessung, wo der Benz zwischen 2 und 5 dB(A) leiser fährt als der BMW, vor allem aber in der Praxis mit beeindruckender Ruhe vor Wind-, Motor- und Fahrwerksgeräuschen. Das Beste oder nichts: Bei NVH (Noise, Vibration, Harshness) klappt’s. Der absolut gesehen kommode BMW kann jedenfalls nicht mithalten.

Doch die Bayerischen Motoren Werke kontern: Der 740d beschleunigt unter Mithilfe des 48-Volt-Mildhybrids etwas fixer als der mit 2,1 Tonnen gleich schwere S 400 d und braucht zudem stets einen Tick weniger Kraftstoff. Auf der Eco-Runde nimmt er knausrige 5,6 Liter pro 100 Kilometer, im Testschnitt 7,7. Der OM 656 zerstäubt sich im Schnitt 8,2 Liter, womit die S-Klasse bei der Reichweite dreistellig bleibt (926 km), während im BMW-Display selbst in der Praxis ohne Probleme vier Lettern glimmen: 1.012 Kilometer.

Und Reichweite kann so ein reisefreudiger Apparat nicht genug haben. Während Plug-in-Fernfahrer mit dem überschaubaren Tankinhalt ihres bei Autobahntempi ziemlich durstigen Benziners hadern, rauschen die beiden Diesel-Brothers gelassen vorbei.

Und das auf Wolke sieben. Mit einem Federungskomfort, als ob die neue Autobahn GmbH des Bundes Asphaltrunzeln und Querfugen sämtlicher prekären Abschnitte über Nacht glatt gezogen hätte. Wobei: Vielleicht sollten sie die rumpeligen Passagen einfach lassen und, statt über 10.000 Euro pro Meter in den Neubau zu investieren, den Bürgern lieber rund 100.000 Euro teure Fünf-Meter-Limousinen spendieren.

Mercedes S 400 d
Tyson Jopson
Mercedes S 400 d 4Matic: 330 PS, 700 Nm, 0–100: 5,6 s, Reichweite 926 km, 108.635 Euro.

Ein schiefes Bild, okay. Fakt bleibt aber der enorme Unterschied zwischen Durchschnittsauto und Oberklässler. Lässt der luftgefederte, adaptivgedämpfte BMW mit seinen 19-Zöllern beim Abrollen auf kurzen Unebenheiten noch ein wenig Raum für Verbesserungen – speziell beim Akustikkomfort der Achsen –, denkt man sich nach einer ausgiebigen Tour im großen Mercedes: Was will man da noch großartig besser machen? Es beginnt beim samtigen Abrollen dank maßvoller Reifendimensionen (19-Zöller mit 45er-Querschnitt) und setzt sich fort mit feinster Absorption von kleinen und großen Unebenheiten.

Die Luftfederung mit in Druck- und Zugstufe adaptierenden Dämpfern verwandelt sanft wogend alles in Wärme, was auf Oberflächen jeder Art vor die Pirellis kommt – von Betonplattenfugen über Kanaldeckel bis zu langamplitudigen Wellen. Dabei hält das Set-up selbst im Komfortmodus noch ausreichend Abstand zu störendem Wanken, in "Sport" ziehen die Dämpfer maßvoll und ohne Härten an.

Im engen Kreis

Aber beim Handling, da fährt der BMW doch Kreise um den Mercedes, obwohl der dank seiner enormen Allradlenkung mit 10-Grad-Winkel quasi auf der Stelle wendet? Äh, nein. Zumindest nicht im Fahrdynamik-Labor, wo die Jungs unserer Testabteilung mit der S-Klasse einen Tick schneller um die Pylonen witschen als mit dem per variablen Stabis wankstabilisierten BMW (für den S 400 d sind sie nicht lieferbar). Und wo sie den Mercedes auch auf kürzeren Wegen bremsen: Einen bis drei Meter nimmt er dem BMW aus 100 und 130 km/h ab. Das Pedalgefühl dürfte bei beiden ruhig eindeutiger ausfallen.

Eindeutig hingegen: die ausgeprägtere Freude am Fahren im 7er, der kompakter, geerdeter, kurvenfreudiger erscheint. Was auch an der relativ direkten, aber nicht übertrieben gefühligen und tendenziell leichtgängigen Allradlenkung liegt. Nicht umsonst kann man hier ein G-Force-Pünktchen in der Instrumentenskala tanzen lassen oder Balken für Leistung und Drehmoment. Der 7er mimt den Maxi-5er, wirkt wie eine halbe Generation hinter und unter der jederzeit konsequent sämig-ausgewogen lenkenden und agierenden S-Klasse.

Bedienung? Vorteil BMW

Der Oldschool-Ansatz bringt dem BMW überdies Vorteile bei der Bedienung, speziell für Touchflächen-Phobiker. Wo Mercedes Touch oder nix aufzwingt, bietet der BMW überdies Tasten und Regler zur redundanten Bedienung plus (fragwürdige) Gestensteuerung und eine hervorragende Sprachbedienung. Beim Mercedes nutzt man Letztere schon deshalb, weil das Menü-Getouche viel zu sehr vom Fahren ablenkt.

BMW 740d, Mercedes S 400 d
Tyson Jopson
Der BMW beschleunigt einen Hauch besser, braucht weniger Diesel, doch der Mercedes flüstert innen deutlich leiser.

Allein die Lenkradfelder, bei denen man sich fragt, wer diese bei Clinics und Abnahmefahrten hat durchgehen lassen. Fummelig zu bedienen und kaum blind zu erfühlen, verlangen sie ausgeprägte Feinmotorik und Konzentration – die dann für die Fahraufgabe fehlen. Dass die S-Klasse bei Stopps ein Kamerabild mit Hinweiswinkeln für die Navigation auf dem (im Verhältnis zum BMW beeindruckend) großen, hervorragend auflösenden Bildschirm einblendet – nun, Geschmackssache. Keine Geschmackssache: die konstruktionsbedingt hakeligen Türgriffe sowie die inneren Türzuzieher, die man bei geöffneten Portalen kaum erreicht.

Sind die Türen erst mal zu, sitzt man dann im und auf dem vielleicht Kuscheligsten, was momentan an Polstern im Auto zu haben ist, inklusive variabler Federkennlinie bei Sitzflächenverlängerung, fahrdynamischer Sitzwangen und umfassender Massageprogramme.

Die absolut gesehen guten BMW-Möbel bleiben auch hier im Respektabstand zurück. Wie der 7er insgesamt in diesem Vergleichstest.

Fazit

1. Mercedes S 400 d 4Matic
707 von 1000 Punkte

Konsequent leise, sanft federnd und mit hintergründigem Dieseldruck zieht die S-Klasse schnell und unauffällig ihre Bahn. Nur Bediendetails stören ihren geschmeidigen Fluss.

2. BMW 740d xDrive
686 von 1000 Punkte

Etwas weniger entkoppelt komfortabel, etwas traditioneller bedienbar, wirkt der Siebener eine halbe Generation entfernt, dabei aber einen Tick sparsamer und fahrfreudiger.

Technische Daten
BMW 740d xDrive M SportMercedes S 400 d 4Matic
Grundpreis109.900 €118.881 €
Außenmaße5120 x 1902 x 1467 mm5179 x 1954 x 1503 mm
Kofferraumvolumen515 l540 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder2925 cm³ / 6-Zylinder
Leistung250 kW / 340 PS bei 4400 U/min243 kW / 330 PS bei 4200 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,1 s5,6 s
Verbrauch5,4 l/100 km
Testverbrauch7,7 l/100 km8,2 l/100 km