BMW Alpina B8 Gran Coupé im Test
Baut Alpina den besten 8er?

Vitamin B8? Ja, auch der Alpina regt den Stoffwechsel an. In diesem Fall spielen Hormone eine untergeordnete Rolle, denn in erster Linie verwandelt der B8 Super Plus in gewaltigen Vortrieb. Und sonst?

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Englischer Rasen. Ein schmales Asphaltband, das sich einen Hügel hinaufzieht. Die Menschenmenge hinter den Strohballen jubelt, als der Alpina B8 voller Eifer vorbeistürmt. Eine Kurve später: quietschende Reifen, gefolgt von knirschendem Blech und explodierenden Airbags. Verletzt wird bei dem Crash auf dem Goodwood Festival of Speed, bei dem sich das grüne Gran Coupé in den Strohballen fängt, zum Glück niemand. Auswirkungen hat er aber bis nach Deutschland. Denn nach der Veranstaltung sollte genau dieser Testwagen nach Stuttgart kommen.

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Und jetzt? Abwarten und Tee trinken. Ersatz gibt es erst mal nicht. Klar, schließlich verlassen nur rund 2.000 Autos die Hallen in Buchloe, pro Jahr versteht sich. Entsprechend klein dimensioniert ist der Pressefuhrpark des Herstellers.

Ein Traum in Blau und Leder

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Exklusivität hat ihren Preis: Für 3.400 Euro erstrahlt der B8 in Alpina-Blau.

Monate später ist es endlich so weit. Kein grüner, sondern ein klassisch Alpina-blauer B8 parkt auf Ebene U2 der Redaktions-Tiefgarage. Nach der langen Wartezeit geht man den Test anders an – bewusster sozusagen. Das liegt aber auch daran, dass dieser 8er keine BMW-Serienware, sondern eben ein Alpina ist – in diesem Falle auf Basis des M850i Gran Coupé. Laut Preisliste ist er mindestens 162.100 Euro teuer, ohne Extras. Die summieren sich beim Testwagen auf über 20.000 Euro. Klingt nach viel, und doch relativiert sich der Preis schnell. Denn würde man sich in der hauseigenen Sattlerei austoben, die wie bei Rolls-Royce Rindshäute im fünfstelligen Bereich vernäht, wäre die 200.000er-Marke schnell gerissen. Zudem schwebt die Konkurrenz in ähnlichen Sphären.

Doch was macht den B8 so besonders? Im ersten Moment lässt sich das gar nicht richtig erfassen. Klar, die Schürzen samt Alpina-Schriftzug hängen tiefer, ein kleiner Bürzel ziert das Heck, und in den Radhäusern wohnen große Schmiederäder. Aber auffallen würde das wohl nur Kennern. Nun, das gehört zum Konzept oder besser zur Firmenphilosophie. Denn ein Alpina ist ein Statussymbol für alle, die es sich leisten können, das aber nicht jedem zeigen wollen.

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Interieur
Achim Hartmann
Das edle Interieur wird für 16.400 Euro in Lavalina-Leder gehüllt.

Und dann sitzt man drin und spürt sofort den Unterschied. Hier wirkt alles eine Spur feiner, was vor allem an der Liebe zum Detail liegt: Blau-grüne Ziernähte umsäumen das schonend gegerbte Leder des Lenkrads, das in siebenstündiger Handarbeit entsteht. Dahinter ragen CNC-gefräste Schaltwippen aus Alu heraus, und obendrauf prangt das Firmenwappen. Ob es die Swarovski-kristallene Ausführung von Startknopf, i-Drive-Controller und Wählhebel wirklich gebraucht hätte? Eigentlich stechen sie unnötig aus dem dezenten, anthrazit-walnusshölzernen Ambiente heraus. Passend dazu sperren die Herren Bowers & Wilkins ihre Hoch- und Tieftöner hinter gelochtes Aluminium. Damit sorgen sie für Musik und durchbrechen die Stille.

Denn längst haben wir uns in Bewegung gesetzt, was Sie natürlich nicht mitbekommen haben. Schließlich rauscht die Umwelt hier fast unmerklich an einem vorbei. Rauschen – ein ziemlich lautes Wort für die Ruhe, die im Alpina selbst noch bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit herrscht. Aber nicht nur akustisch, sondern auch dynamisch entspannt der B8 seinen Fahrer. Dazu kuschelt man sich tief in den Leder-Sportsitz, rückt ihn sich elektrisch zurecht, zieht die Wangen an und speichert das Ganze auf Memory-Position eins und zwei. Klar, denn teilen will man diesen Platz nicht mehr.

Komfort-King

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Interieur
Achim Hartmann
Nur bei Alpina: Der Modus Comfort+ macht aus dem Gran Coupé eine Sänfte.

Das liegt vor allem am Modus Comfort+, den es so nur bei Alpina gibt. Einmal aktiviert, muss man weit fahren, bis sich ein derart desolates Stück Asphalt findet, das das Sänften-Programm an seine Grenzen bringt. Egal ob lange oder kurze Wellen, der Alpina gleicht sie aus. Dazu ebnet er Schlaglöcher mittels neu abgestimmter Dämpfer-Software ein, während Eibach-Federn und aktive Wankstabilisierung den Aufbau zusätzlich beruhigen.

Da stört nur, dass die 21-Zoll-Räder auf Querfugen etwas verschnupft reagieren. Kein Wunder bei der geringen Reifenflankenhöhe samt Runflat-Eigenschaften. Warum man das jedoch schnell verzeiht? Schauen Sie sich die 20-speichigen Schmiederäder doch mal an. Einfach zum Niederknien, oder? Zumal die griffige Gummimischung von Pirelli extra für das Gran Coupé maßgeschneidert wurde. Gut so, denn Grip kann man in dieser Leistungsklasse nicht genug haben.

Womit wir zum Antrieb kommen. Der N63B44 sortiert seine acht Zylinder wie gehabt im 90-Grad-Winkel und lässt sich von zwei Twinscroll-Ladern beatmen. Neu sind jedoch Alpinas strömungsoptimierte Ladeluftkühler mit größerem Querschnitt auf der Hardware-Seite. Software-mäßig werden Ladedruck sowie Einspritzzeiten frisch sortiert.

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Motor
Achim Hartmann
Der 4,4-Liter-Biturbo-V8 wurde entdrosselt sowie Software-optimiert. Endergebnis: 621 PS und 800 Nm.

Ob man das spürt? Nun, ganz anders als beim 8er oder gar M8 drängt sich der 4,4-Liter-Biturbo im Comfort-Modus niemals auf. So lässt es sich mit 1.100 bis 1.500/min ruhig dahingleiten. Doch das ändert sich mit einem Druck auf die Sport-Taste: Jetzt hängt der Biturbo fast schon saugerartig am Gas.

Mit 800 Nm Drehmoment leistet er 50 mehr als im M850i, versammelt diese bei 2.000 Touren und breitet sie über ein Plateau bis 5.000/min aus. Die Kraft muss sich somit nicht erst entwickeln, sie ist einfach immer da: kein Anfahrzaudern oder gar Verharren beim Zwischenspurten. Dazu schwillt die Leistung von ehemals 530 auf 621 PS bei 5.500 bis 6.500/min an. Viel Power also, verwaltet von der Achtgangautomatik ZF 8HP76 – eine Traumkombination. Selbst im Comfort-Modus ist keine Schaltbummelei zu spüren. In "Sport" rastet der nächste Gang in 100 Millisekunden ruckfrei ein.

Im manuellen Modus mahnen dagegen blinkende Lichtbalken im Head-up-Display Gangwechsel bei siebentausend an, und mit einem Zug am Alu-Paddle schlägt der nächste Gang blitzartig ein. Damit der Wandler der Zusatz-Power standhält, verstärken die Ingenieure den Radsatz samt Turbinen-Torsionsdämpfern, vergrößern den Ölkühler und montieren eine Ölwanne aus Aluminium, die zur besseren Kühlung tiefer im Wind hängt. Zudem leitet eine verstärkte Gelenkwelle die Kraft zum aktiven Hinterachsdifferenzial.

Handling? Of Kurs!

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Durch gekonnte Fahrwerksoptimierungen lenkt der B8 noch präziser und linearer ein als der M850i.

Und das muss jetzt richtig arbeiten. Zwar ist ein Alpina, wie das einleitende Beispiel mahnt, nicht für die Rennstrecke gedacht, aber ganz darauf verzichten wollen wir bei diesem Auto nicht. Der verwinkelte Handling-Parcours in Boxberg scheint eigentlich eine ganze Konfektionsgröße zu eng geschnitten für den 5,09 Meter langen B8, doch der presst sich gierig in die engen Kehren und lässt dabei seine Hinterachse mitlenken.

Obwohl ihm aufgrund dieser Konstruktion beim Allradsystem die Abkopplung der vorderen Achse wie im M8 nicht vergönnt ist, betont er hier gern seine hecklastige Auslegung. Vor allem am Kurvenausgang spielt er seine Traktionskarte aus, drückt sich powerslidend an den Curbs ab und stürmt hinaus auf die Geraden. Allerdings kann das Gran Coupé seine mehr als 2,1 Tonnen nicht verstecken, vor allem in den Wechselkurven drücken die Pfunde.

Wobei es sich nun wirklich nie nach einem Fünf-Meter-Auto anfühlt. Das gilt auch im 18-Meter-Slalom sowie beim doppelten Spurwechsel. Bei Ersterem bleibt der blaue Riese sehr neutral, in Letzterem wischt er erst extrem spät mit dem Heck weg. Wenn dem B8 hingegen der Grip an der Vorderachse zu entgleiten droht, teilt das die kommunikative Lenkung dem Fahrer rechtzeitig mit. Und weil die Alpina-Ingenieure die Querlenker versteifen, Schwenklager anpassen sowie die Pendelstützen verstärken, lenkt er noch präziser und linearer ein als der M850i.

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Die wunderschönen filigranen 21-Zöller sind Serie, die Bremsanlage mit gelochten Scheiben kostet 1.780 Euro.

Und die Bremsen? Die müssen gar nicht unbedingt aus Carbon-Keramik sein, wie dieser Alpina beweist. Die 1.780 Euro teure Vierkolben-Brembo-Bremsanlage samt gelochten Scheiben und stärkeren Belägen lässt sich fein dosieren und stoppt den B8 aus 100 km/h in bemerkenswerten 32,4 Metern.

Leben auf der Überholspur

Aber zurück auf die Autobahn – neben der Super-Plus-Zapfsäule das natürliche Habitat des Gran Coupé. Der Testverbrauch von 12,9 Litern auf 100 km scheint der gebotenen Leistung angemessen, lässt sich aber leicht weiter steigern. Auf einen Eco-Modus oder gar Elektrifizierungsmaßnahmen verzichtet Alpina übrigens. Umso bemerkenswerter, dass auf der Eco-Runde weniger als zehn Liter pro 100 km möglich sind.

Das erfordert jedoch Disziplin vom Fahrer. Denn obwohl der Viertürer durchaus die entspannte Art der Fortbewegung unterstützt – nehmen Sie sich doch einfach mal 11,5 Sekunden Zeit. Wofür? Tempo 200. Aus dem Stand! Noch eindrucksvoller sind nur die 3,4 Sekunden auf 100 km/h. Oder 324 km/h Spitze. Das wirklich Bemerkenswerte: Selbst bei diesem Speed kommt im B8 nie Hektik auf.

BMW Alpina B8 Gran Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Die bereits sehr gute 8er-Basis reift bei Alpina zu einem fast perfekten Viertürer-GT.

Im Gegenteil: Die Digitalanzeige klettert ruhig fast bis zum Ende der Skala bei 340 km/h. Schade nur, dass der Tacho wie der Drehzahlmesser in Alpina-Farben schlecht ablesbar ist. Nur ein kleiner Makel. Schließlich ist das Infotainment-System samt Sprachbedienung ansonsten über jeden Zweifel erhaben. So dreht und drückt man sich fast blind durch die Menüs und erkundet BMWs Assistenz-Arsenal.

Damit folgt der B8 Geschwindigkeitsbegrenzungen mit zwei voreingestellten Abweichungen. Dazu zentriert er sich auf Wunsch noch bei hohem Tempo in der Spurmitte und animiert andere Verkehrsteilnehmer in der unmittelbaren Fahrzeug-Umgebung ins Digital-Display. Noch beeindruckender ist es, wenn er teilautonom bis zu 50 Meter rückwärts fährt oder Ampelschaltungen erkennt.

Nein, keine Rennstrecken-Startampel – wir sind schließlich nicht in Goodwood.

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Niedriges Geräusch-Niveau
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Guter Federungskomfort ...
... aber etwas unsanft abrollende 21-Zoll-Räder
Antrieb
Stämmiger Durchzug
Kultivierter Motorlauf
Perfekt abgestimmtes Automatikgetriebe
Sehr gute Fahrleistungen
Fahreigenschaften
Hohe Agilität durch mitlenkende Hinterachse
Sehr gute, leicht hecklastige Traktion
Sehr hoch liegender Grenzbereich
Sicherheit
Umfangreiche Sicherheitsausstattung
Hervorragende Bremsanlage
Exzellentes Laserlicht
Umwelt
Nachhaltiges Liebhaber-Auto mit langer Lebensdauer
Leder von glücklichen Kühen
Hoher Kraftstoffverbrauch
Kosten
Umfangreiche Basisausstattung
Voraussichtlich geringer Wertverlust
Hoher Grundpreis
Teure Extras

Fazit

Die bereits sehr gute 8er-Basis reift bei Alpina zu einem fast perfekten Viertürer-GT mit enorm druckvollem Antrieb, feinem Fahrkomfort und äußerst agilem Handling. Wie üblich zum hohen Preis.

Technische Daten
Alpina B8 Gran Coupé
Grundpreis171.700 €
Außenmaße5092 x 1932 x 1428 mm
Kofferraumvolumen440 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung457 kW / 621 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit324 km/h
0-100 km/h3,4 s
Verbrauch11,1 l/100 km
Testverbrauch12,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten