BMW i7 X-Drive 60
Es wird eng für den EQS ... und die S-Klasse

Der BMW 7er, seit 1977 fahrdynamischer und elektronischer Trendsetter. Wir sagen nur: Bordcomputer! Und jetzt? Tritt das Ding – in siebter Generation aus Dingolfing – an, um allen zu zeigen, wie elektrische Luxusklasse geht. Reicht es dem BMW i7 für Krone und Zepter?

BMW i7 xDrive60
Foto: Achim Hartmann

Irgendwann fängst du an, ihn zu verteidigen. Wenn wieder jemand herummault. An seiner Frontpartie, an den auffälligen Nieren, der gesamten Präsenz. "Äh, sieht der blöd aus. Was soll das? So protzig." Aber du weißt: Das muss so sein. Genau so. Hier liegt der Unterschied zwischen Straßenrand-Sachverständigen, Internet-Motzkis, Sozialnetzwerk-Kommentatoren – und uns.

Denn: Wir sind den neuen 7er schon gefahren. So richtig. Lange. Intensiv. Und womit? Mit dem größten Vergnügen – auf der Landstraße, der Autobahn, über die Schwäbische Alb, durch den Schwarzwald und schließlich fahrdynamisch und messtechnisch auf dem Testgelände. So, wie Sie es von uns kennen und erwarten. Wozu auch gehört, dass der Autor so eines Tests die drei Vorgänger-Generationen des aktuellen 7er (G70) aus dem Testalltag kennt.

Unsere Highlights

Etwa den großen Sprung zum Bangle-E65 oder die subtile Kombination von Komfort und Dynamik bei F01 und G11. Und jetzt den Big Bang zum i7. Schon das Einsteigen,vorbereitet durch eine illuminierte Willkommenszeremonie. Allein, wie er die Niere erleuchtet, mit seinen Swarovski-Kristallen tagfahrlichtfunkelt.

BMW i7 xDrive60
Achim Hartmann
Segment: Luxuslimousinen mit elektrischem Antrieb. Kosten: Grundpreis 135.900 Euro. Reichweite: Je nach Fahrweise reicht der 102-kWh-Akku (netto) zwischen rund 300 und 450 Kilometer. Konkurrenten: Mercedes EQS. Ansonsten Audi A8 und S-Klasse

Um auf Knopfdruck elektrisch die Türen zu öffnen. Kein ödes Zusteigen wie in die U-Bahn, der 7er empfängt seine Insassen als Gäste. Die ob der hochflorigen Teppiche fast geneigt sind, erst mal die Schuhe auszuziehen, bevor sie sich in die sesselartigen Sitze kuscheln. Flanken in griffig-weichem Merinoleder plus flauschiges Wollkaschmir auf den Mittelbahnen – damit ist der kurze kalte Ledermoment beim Platznehmen passé. Die selbst nach zig Stunden am Stück megabequemen Optionssitze wärmen sofort, dank des kleinen Luftpolsters zwischen Wollstoff und Kleidung.

Warum wir das so ausführlich schildern? Weil es Details eines großen Ganzen sind. Und deutliche Zeichen, wohin der in Dingolfing gefertigte Top-BMW zielt: Richtung Luxusklasse. Auf einer Skala zwischen 5er und Rolls-Royce steht der Regler jetzt bei mindestens 75 Prozent Rolls. Siehe erhöhter Wagenboden (hier wegen des Akkupacks), elektrisch betätigte Türen (Option), erhabene Ergonomie, lange Haube, sorgfältige Verarbeitung (Serie): Klopfen Sie auf die Türbrüstung, fahren Sie mit dem Finger am vorderen Abschluss des Alcantara-Dachhimmels entlang, drehen Sie am kristallenen Dreh-Drück-Steller oder an der Lautstärke-Reglerwalze. Dann ist alles klar. Und schließt den Kreis zur Aufstart-Zeremonie mit beleuchteter Maxi-Niere und Swarovski-Glitzern.

Interieur: Kristallin und strukturiert

Überhaupt der Innenraum mit den hinterleuchteten kristallinen Leisten (Interaction Bar), dem Curved-Display und der Mischung aus Tasten und Berührfeldern, mit der sich die enorme Funktionsfülle gekonnt domptieren lässt. Den Bedienungsprofis bei BMW gelang es, die Menüs so zu strukturieren, dass Direktwahl und tiefer gehende Ebenen bis ins Detail logisch ineinandergreifen. Ergänzt durch eine hohe Bedienredundanz. So sind die meisten Bedienziele auf verschiedenen Wegen erreichbar, auch über die hervorragende Sprachsteuerung, die problemlos mit Freitext klarkommt.

Angesichts dieser Kombination aus Bedienfreude und Top-Verarbeitung rutscht einem da schon mal ein "Sorry, Daimler" raus. Es dürfte eng werden für den EQS wie für die S-Klasse. Wie eng, kann erst der Vergleichstest zeigen, doch Fakt ist, dass man speziell dem EQS die Kostenvorgaben wegen der Elektrifizierung anmerkt, während BMW zu sagen scheint: i7 – aber so richtig. Es gibt die Generation G70 ja mit sämtlichen Antrieben, aus eigener Erfahrung bei einer Prototypen-Abnahmefahrt machen ihn aber erst die E-Maschinen so richtig schlüssig.

BMW i7 xDrive60
Achim Hartmann
Die Verabreitung im Interieur ist beeindruckend.

Fein am Fahrpedal

Beim xDrive 60 bringen es die beiden bestromten Synchronmaschinen auf systemische 544 PS und 745 Nm. Bestromte Synchronmaschine? Bedeutet, dass der Rotor statt durch fest installierte Permanentmagnete per leichter Stromzufuhr bewegt wird. Dadurch sind hier keine seltenen Erden nötig. Und dem Gefühl am Fuß schadet es nix. Der 190 kW starke Front- und der 230 kW starke Heckmotor hängen fein am Fahrpedal, sprechen sensibel an, ohne je mit Vibrationen oder Geräuschen zu stören. Aufwendige Dämmung und Lagerung scheinen sie weit entfernt arbeiten zu lassen. Dabei sind sie immer ganz nah, schieben mal sanft, mal wuchtig unter Volllast den 2,7-Tonner in fünf Sekunden auf 100.

Und das souverän. Nicht umsonst betonte Entwicklungsvorstand Frank Weber beim Fahrberichtstermin den Einfluss des Verhältnisses zwischen gefederten und ungefederten Massen, was viel Ruhe ins Auto bringe. Und er hat recht. Egal, ob kleine Asphalt-Körnigkeiten, ungepflegte wellige Fahrbahnen mit einseitigen Anregungen, wie sie gern auf Landes- und Kreisstraßen vorkommen, oder Betonplatten-Autobahnen: Der gegenüber dem Vorgänger steifere, mit breiterer Spur ausgerüstete 7er absorbiert fast alles, was die Straße den Insassen entgegenstreckt, lässt kaum etwas Unerwünschtes bei ihnen ankommen. Luftfederung und Adaptivdämpfer sind beim i7 ebenso Serie wie Doppelquerlenker-Vorderachse und Fünflenkerhinterachse plus Aluminium-Schubfeld vorn und in beide Richtungen wirkende hydraulische Lager am Hinterachsträger. Damit flauscht der große BMW über den Asphalt, ohne jemals störend zu wanken oder niedrigfrequent zu wogen oder zu stampfen.

BMW i7 xDrive60
Achim Hartmann
„Sogar markentypische Agilität ist vorhanden, drängt sich aber nicht auf“. Jens Dralle, Ressortleiter Test & Technik.

Relativ hoher Verbrauch

Hierbei helfen auch die per 48-Volt-Elektromotoren gesteuerten, besonders aufwendigen aktiven Stabilisatoren. Sie kontrollieren Rollbewegungen sowohl bei Kurvenfahrt als auch bei einseitigen Anregungen, halten den Aufbau ruhig, die Räder optimal am Boden. Überdies können sie bei Geradeausfahrt entkoppeln, um den Komfort weiter zu erhöhen. Mit Erfolg. Nur kurze harte Anregungen, etwa auf Gullydeckeln und Querfugen, kommen mit einem leichten "Tock" durch – da hilft nicht einmal das neue Gelenkauge der Hinterachs-Stoßdämpfer zum besseren Kantenkomfort. Überhaupt ist den BMW-Leuten das Anfedern sehr wichtig, weshalb sie tendenziell zu hochflankigen Reifen greifen. Das, was der Reifen bereits wegfedert, muss man später nicht mühsam absorbieren. Die 22-Zoll-Poser-Fraktion weiß, was gemeint ist.

Vom Posing ist der i7 weit entfernt, er fährt komfortabel und enorm leise von den praktisch nicht hörbaren E-Motoren bis zu minimalen Wind- und Fahrwerksgeräuschen und kann richtig Meter machen. Am liebsten in großen Sätzen auf der Autobahn, wo lediglich der relativ hohe Verbrauch mit Ladestopps etwa alle 300 Kilometer den geschmeidigen Fluss der Geschwindigkeit und die Nonstop-Qualität limitiert.

Die Stopps sind von der hervorragenden Navigation punktgenau gesetzt, passen sich ebenso effektiv der Strecke und dem Fahrertemperament an wie der Abstandstempomat mit Spurführung. Neu ist die manuelle Konditionierung des Akkus, der im Idealfall mit maximal 197 kW lädt (siehe Ladekurve). Beim Thema Spurführung wirken die Lenkeingriffe jenseits 180 km/h manchmal ängstlich-eckig, ansonsten funktioniert das System grundsätzlich flüssig, lässt sich nicht einmal von mehrfarbigen Leitlinien-Spaghetti in Baustellen aus der Ruhe bringen.

Spätes Bremsen beim BMW i7 ist schwierig

Beim Selberlenken des Fahrers kommt der 7er erst recht nicht aus der Ruhe, vergnügt sich gern auf Landstraßen oder kurvigen Nebenstrecken. Die leichtgängige, flauschig-sämige Allradlenkung verkürzt bei niedrigem Tempo virtuell den Radstand, der 5,39-Meter-Apparat kurvt agiler, als man denkt, bleibt dabei aber immer Luxusklasse – wenn auch eine flotte.

Bremspedalgefühl und Überblendung laufen sanft und harmonisch, nur wer das knallharte Gefühl von Bremsbelägen auf -scheiben braucht, könnte murren. Alle anderen schnurren. Schon wegen der gekonnten adaptiven Rekuperation (One Pedal beherrscht der i7 ebenfalls).

Nur gaaanz spätes Bremsen vor Kurven ist schwierig. Dann schiebt der i7 geradeaus. Nicht schlimm, Physik eben. Etwas sachter rein und dafür mit Schmackes raus, dann läuft es. Aktornahe Schlupfregelung und der Rest der Elektronik kümmern sich um Traktion und Handling, geben den Reifen exakt so viel Moment, wie sie übertragen können. Damit fährt der i7 stets neutral, wird weder zum Volllast-Geradeausschieber noch Running-Wide-Klotz. Im Sport-ESC kann man sogar ein aktives, drückendes Heck provozieren – ganz BMW.

Parken? Wie von selbst

Wer beim Parken des Trumms keine Lust hat, sich aktiv um das Heck zu kümmern, lässt parken. Notfalls in mehreren Zügen wirbelt der 7er selbstständig mit dem Lenkrad, rangiert vor und zurück, bis er saugend eng, mit exaktem Abstand zum Bordstein in der Lücke steht. Außerdem fährt er auf Wunsch jederzeit die letzten 200 Meter zurück oder folgt einer programmierten Fahrstrecke inklusive Rangiermanövern für 200 Meter – wenn es nicht zu kompliziert ist, ansonsten zögert der i7 oder bricht das Manöver ab.

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„Der i7 fährt fantastisch, definiert Luxusklasse neu. Allein das Laden im Theatre-Modus: sensationell!“ Michael Pfeiffer, Chefredakteur.

Der Test allerdings bricht hier nicht ab. Jetzt kommt die Zugabe: der Theater-Modus. Dabei schließen sich die Rollos, eine Hans-Zimmer-Melodie erklingt, und der 31-Zoll-Bildschirm in 8K klappt im Fond herunter. Gänsehaut, schon bevor es losgeht, vor allem hinten rechts, wo ein Liegesitz mit spaltfreier (wie BMW gerne betont) Beinauflage und Fußstütze in Stellung fährt. Fahren – gutes Stichwort: Die Show ist während der Fahrt erlaubt, samt blickdichtem Heckrollo, um Hinterherfahrende nicht zu blenden, wenn auf dem Screen die Action losgeht.

Und erst akustisch! 1.965 Watt Verstärkerleistung sind eine Sache, die Qualität der Schallquellen und ihre gekonnte Verteilung und Abstimmung eine andere. Vom Diamant-Hochtöner bis hin zu Excitern, einer Art Tieftonvibratoren in den Sitzflanken, reicht das Arsenal der Surroundanlage (siehe Spotlight). Bei "Top Gun: Maverick" fliegen einem die F18 und F14 buchstäblich um die Ohren, während klassische Musik, Jazz oder fetter Hip-Hop fein aufgelöst, räumlich oder tiefbasspumpend im Raum stehen. Wundern Sie sich also nicht, wenn 7er-Besitzer am liebsten gar nicht mehr aus ihrem Dingolf-King aussteigen wollen. Es gibt tatsächlich nur wenig Gründe dafür. Außer vielleicht, sich die Aufstart-Zeremonie von außen anzusehen.

Von 10 auf 80 % in 34 min

Um seinen netto 101,7 kWh großen Akku komplett zu füllen, steht der i7 70 Minuten. Der EQS war bei uns im Test neun Minuten schneller. Ansonsten verläuft die Kurve genretypisch: innerhalb von fünf Minuten Hochlauf auf nahezu volle Ladeleistung, dann der Peak bei etwa 200 kW mit darauffolgendem Absinken, halbe Akkufüllung nach 18 Minuten, 80 Prozent nach knapp 40 Minuten.

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„Federung, Abrollkomfort, Verarbeitung und Ausstattung sind Benchmark im Luxussegment“. Jochen Albig, Leiter Testabteilung.

Der neue 7er ist eine Luxuslimousine, bei der sich BMW das "L" spart. Bei ihm ist die Langversion Standard angesichts von 5,39 Metern Länge, ein Zuwachs von 13 Zentimetern gegenüber dem Vorgänger mit langem Radstand, den der Neue (intern G70) in Breite und Höhe um jeweils fünf Zentimeter überragt. Der Radstand blieb praktisch gleich, der Raum im Fond (Normsitzraum 840 Millimeter) fällt standesgemäß aus (speziell in Lounge-Position hinten rechts), Innenbreite und -höhe ähnlich wie beim Mercedes EQS bei gleichzeitig höherem Hüftpunkt. Der Kofferraum ist kleiner (500 zu 610 Liter), zudem bietet der i7 mit Lounge-Fond nur Durchlade- statt Umklappmöglichkeit. Aber: zwei Tonnen Anhängelast!

Sensationeller Klang

Viele fabulierten schon von 4-D-Sound und Kino-Atmosphäre im Auto. Bowers & Wilkins liefert im i7. Und wie! Wie sich der Tiefbass anschleicht, aufbrandet, instrumentale Höhen glitzern, Stimmen warm und natürlich auf der Bühne stehen oder diagonal querende Jets einschüchtern: Die 1965 Watt starke 32-Kanal-Surround-Anlage ist der Hammer. Schon wegen der Exciter in den vier äußeren Sitzen, welche die regulären 22-Zentimeter-Carbon-Basslautsprecher unter den Sitzen mit Körperschall unterstützen. Oder die je zwei Hochtöner in den vier Kopfstützen für noch intensiveren Raumklang. Um den sich auch die drei Nautilus-Diamond-Hochtöner vorn sowie vier Alu-3-D-Hochtöner in Kopfhöhe kümmern. In den hinteren Türen stecken überdies separate Hochtöner, in allen vier Türen Mitten-Lautsprecher und Aluminium-Bässe. Das ganze System überzeugt je nach Material durch ausgeprägte Räumlichkeit, Detailtreue und enorme Dynamik.

Fazit

BMW i7 X-Drive60: Gesamtwertung 632 Punkte. Was für ein Einstand des vollelektrischen 7er! Hochkomfortabel, dynamisch, sicher, top digitalisiert und assistiert zeigt er, wie Luxuslimousine funktioniert. Hinzu kommen die gute Bedienbarkeit sowie die Kino-Option. Kritik? Hoher Verbrauch und durchschnittliche Ladeleistung.

Technische Daten
BMW i7 xDrive60
Grundpreis139.900 €
Außenmaße5391 x 1950 x 1544 mm
Kofferraumvolumen500 l
Höchstgeschwindigkeit240 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Testverbrauch35,0 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten