BMW M235i im Supertest
Braucht es den M2?

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Der Nachfolger mit dem griffigeren Namen BMW M2 steht bereits in den Startlöchern. Doch bis er kommt – vermutlich im Herbst dieses Jahres – vergnügen wir uns erst einmal mit einem Sportcoupé, das dem Ideal schon ziemlich nahe kommt: mit dem BMW M235i.

BMW M235i, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Es hätte der vielen Gimmicks eigentlich gar nicht bedurft, zumal sie in Summe mit rund 4.000 Euro auch nicht eben kleinlich bepreist sind. Aber was wird heute nicht alles getan, um Eindruck zu schinden, selbst wenn die Beiträge, egal ob farblich oder formal, so gut wie keine sachliche Bewandtnis haben. Akzentstreifen und Zierfolien sowie Auspuffblenden, Spiegelkappen, Heckspoiler, Interieurleisten und Schwellerleisten aus Karbon: Nachträglich appliziertes Blendwerk am Fahrzeug lässt den Fahrer heute leicht in dem Ruch zurück, es selbst nicht so richtig auf die Reihe zu bekommen.

Dann heißt es womöglich: eigentlich schade um das schöne Auto. Was in diesem Fall wirklich bedauerlich wäre, denn mit dem BMW M235i ist der Szene speziell in der Performance-Fassung ein Werkzeug in die Hand gegeben worden, das in seiner technischen Logik einen stimmigen Bogen in die von sportlichen Highlights gespickte BMW-Historie schlägt. Folgerichtig wird mit dem seriennahen BMW M235i seit geraumer Zeit auch wieder Motorsport betrieben, und zwar auf dem Nürburgring.

BMW M235i führt Tradition fort

Kompakte Figürlichkeit und praktische Talente, kombiniert mit einem begeisternden Motor und – natürlich – Hinterradantrieb: Wer fühlt sich angesichts dieser traditionell anmutenden Rahmenbedingungen nicht an frühe 3er oder, taucht man noch tiefer in die BMW-Geschichte ein, an noch ältere BMW-Ikonen erinnert?

An all die sportlich beleumundeten Typen, die den Kern der weiß-blauen Marke gebildet haben. Erinnert sich noch jemand an den 170 PS starken 2002 turbo von 1973? Übrigens das erste mit einem Abgasturbolader ausgestattete Sportmodell aus europäischer Fertigung. Der BMW M235i führt die Tradition nicht nur charakterlich, sondern mit seinem Stufenheck nun auch formal stimmig weiter. Er markiert nebenher auch den Gegenpol zu dem zuweilen als befremdlich empfundenen Akt der Hinwendung zum Frontantrieb – der neue 2er Active Tourer lässt grüßen!

Dem stetigen Größenwachstum ist der BMW M235i zwar auch erlegen, wenn man die Idealmaße des unterhalb der Karosserie eng verwandten Bruders M135i als Maßstab anlegt, aber in sehr überschaubarem Maße: Mit knapp 4,50 Meter Länge und dem vorne längs eingebauten Schmuckstück von Sechszylindermotor gesegnet, bringt der als Coupé titulierte Zweitürer mit Stufenheck alles mit, um dem legendären BMW-Geist früherer Jahrzehnte auf die Spur zu kommen – heute natürlich mit modernster Technik, versteht sich.

Überzeugende Automatik

Das Herzstück des von der M-Philosophie beseelten, bisher aber nicht als originales Werkstück der M GmbH ausgewiesenen Coupés – der Reihensechszylinder mit sogenannter Twin-Turbo-Technologie – ist uns insofern eng ans Herz gewachsen, als er schon im Rahmen des mit dem M135i durchgeführten Supertests geradezu überschwängliche Sympathien erntete. Die damals angetroffene Kombination aus Sechszylinder-Turbo und handgeschaltetem Sechsganggetriebe gilt noch immer als beispielhaftes Arrangement.

Möglicherweise gründet die im Redaktionshaus vorherrschende Sympathie für Antriebe mit konventionellem Schaltgetriebe auf genau diesem weiß-blauen Beispiel. Deshalb das im Supertest-Kandidaten verbaute Achtgang-Automatikgetriebe nun zu verdammen, wäre dennoch völlig ungerecht. Denn auch in dieser Zusammenstellung begeistert der Sechszylinderantrieb mit einer Kompetenz und Geschmeidigkeit, an der es wirklich nichts auszusetzen gibt.

Wenn es einen Unterschied zum Doppelkupplungsgetriebe gibt, das vom Prinzip her ohne Kraftschlussunterbrechungen arbeitet, dann den, dass die Gangwechsel dieses Achtgangautomaten noch geschliffener vonstattengehen – sportlicher Touch und lässiger Automatik-Modus inklusive. Der vonseiten weiter Fankreise um das frühere 1er M Coupé als Sparvariante missbilligte Reihen-Sechser mit Mono- statt – wie früher – mit Biturbo-Aufladung zeigt sich möglichen Vorhaltungen gegenüber gleichfalls völlig resistent.

BMW M235i leistet 338 PS auf dem Prüfstand

Obgleich gegenüber dem M135i mit nominell 6 PS mehr beaufschlagt (326 PS), ist die PS Ausbeute unterm Strich weitgehend identisch – mit den üblichen Ausschlägen nach oben und nach unten. Während der Motor des M135i auf der Rolle mit 340 PS anstatt der versprochenen 320 PS antrat, drückt das technisch identische Aggregat des aktuellen BMW M235i auf demselben Prüfstand 338 PS – also 12 PS mehr als angegeben.

Entsprechend herrscht auch Übereinstimmung bei den Fahrleistungen: Der BMW M235i zoomt sich in 4,9 Sekunden auf 100 km/h und in 18,5 Sekunden auf 200 km/h. Angesichts des gegenüber dem M135i leicht erhöhten Gesamtgewichts (plus 22 Kilogramm) keine schlechte Vorstellung. Allerdings ist der starke 2er mit Unterstützung des nun optional angebotenen mechanischen Sperrdifferenzials unterwegs, also jener effizienten Traktionshilfe, die im M135i noch schmerzlich vermisst wurde.

Die damals angeführte Hochrechnung, wonach eine mechanische Sperre die bis dato spürbaren Traktionsverluste im Kurvengrenzbereich verhindern und dabei helfen würde, Zeit auf das als Benchmark herausgestellte 1er M Coupé gut zu machen, erweist sich – wie die gegenüber dem M135i nur um drei Zehntel verbesserte Rundenzeit beweist – leider als falsch, jedoch nur auf den ersten Blick.

BMW M235i scheitert an der 15er-Hürde

Denn die äußerst mäßige Zeitenverbesserung hat keine technische Bewandtnis oder fahrdynamische Gründe, sondern ist schlicht den am Messtag herrschenden thermischen Bedingungen geschuldet. Angesichts der bei 30 Grad Außentemperatur gefahrenen Hockenheim-Runde (1.15,4 Minuten) kommt man nicht umhin, erneut eine Hochrechnung anzustellen, die da lautet: Unter verträglicheren Bedingungen wäre mit dem BMW M235i im Supertest vermutlich mindestens eine hohe 14er-Zeit drin gewesen – und die Annäherung an die stramme Vorgabe des 1er M Coupé geglückt. Der war einst an gleicher Stelle mit einer herausragenden Rundenzeit von 1.14,1 Minuten vorstellig geworden.

So wird es dem zukünftigen M2 obliegen, diese Scharte auszuwetzen, denn auch mit der parallel offerierten xDrive-Version gelang es nicht, die 15er-Hürde zu reißen: 1.15,0 Minuten – mehr war auch beim BMW M235i mit Allradantrieb nicht drin. Von den beim Einsatz mechanischer Sperren oftmals beobachteten Einbußen in der Fahrbarkeit beim M235i keine Spur: Der ganz klassisch über die Hinterräder angetriebene BMW gehört bei gefühlvoll angelegtem Gas im Kurveneingangsbereich tendenziell eher zu denjenigen, die ins Untersteuern abdriften, und nicht, wie weiland das 1er M Coupé, zu denen, die am Limit gern schlagartig und mit einem lauten Hurra in den Übersteuer-Modus verfallen.

Es bedarf schon eines bewusst eingeleiteten Heckschwungs, um das gegenüber dem 1er-Modell mit etwas verlängertem Radstand antretende BMW M235i am Kurveneingang strategisch optimal auszurichten. Unterm Strich darf konstatiert werden, dass der kompakte Hecktriebler als friedfertiger Grenzgänger seltenst dazu neigt, Schreckmomente zu provozieren – erst recht nicht, wenn das DSC-System aktiviert ist.

Turbomotor des M235i ohne Defizite

Noch einmal zurück zum Motor des BMW M235i: Mit seinem seidigen Lauf, der sämigen Kraftentfaltung, dem Nichtvorhandensein eines Turbolochs und nicht zuletzt auch mit seiner Drehfreude im oberen Drehzahlbereich lässt der mit drei Litern Hubraum gesegnete Turbomotor kaum Spielraum für Kritik – geliebtes Hochdrehzahlkonzept hin oder her. Was die Leistungsentfaltung speziell bei der notwendigen sensiblen Dosierung des Gases im Grenzbereich angeht, zeigt sich der Turbomotor ähnlich aufgeschlossen wie ein hochdrehender Sauger: Weder Durchhänger noch überraschende Drehmoment-Überhöhungen stören die Eleganz der Leistungsentfaltung.

So gerüstet, lässt es sich trefflich leben: Dort, wo hohe Querbeschleunigungswerte vergnüglich stimmen, aber auch an Orten, wo es zum guten Ton gehört, mit niedriger Ton- und Drehzahlfrequenz vorstellig zu werden. Auf Krawall ist der BMW M235i jedenfalls nicht aus, selbst wenn das am Testobjekt applizierte Zierwerk auf den ersten Blick etwas anderes suggerieren könnte.

Das hat nicht zuletzt auch mit dem Arrangement zu tun, das den Fahrer in geradezu schmeichelhafter Weise umgibt. So ist eine vorbildhafte Einbettung in das Gesamtsystem immer garantiert: Das Dreieck Lenkrad – Sitzfläche – Pedalerie lässt sich so geschickt verschieben, dass jeder Statur eine passende Position zugestanden werden kann. Da der BMW M235i als Coupé geführt wird, wird sich auch niemand ernsthaft an den begrenzteren Platzverhältnissen im Fond reiben wollen.

BMW M235i mit gutem Handling

Als extrem konstruktiv wird auch der Umgang mit der Lenkung empfunden: Ihre Rückmeldung und – mehr noch – ihre Zielgenauigkeit tragen im Alltag ebenso zur sprichwörtlichen Fahrfreude bei wie das Ausloten der letzten Zehntel auf der Querbeschleunigungsskala. Und wenn wir schon dabei sind: Mit den serienmäßig aufgezogenen Michelin Pilot Supersport sind Maximalwerte von bis zu 1,25 g möglich – mehr erlaubt auch diese, auf ein breites Leistungsspektrum hin entwickelte Reifengattung nicht.

Aber angesichts des schon serienmäßig reizend geschnürten Sportpakets und der leichten, sprich von Tücken weitgehend befreiten Fahrbarkeit, taucht schon nach einer Runde ohne Gegenverkehr im BMW M235i der Wunsch nach reinrassigen Sportreifen auf – frei nach dem Motto: Wenn schon, denn schon. Ob ein Zuwachs an Fahrdynamik dadurch wirksam wird, ist hierbei nicht die Frage – klar tut er das –, sondern wie sich der erhöhte Grip der Semisklicks auf die Regelalgorithmen des ABS auswirken könnte. Diesbezüglich hat es schon einige Überraschungen gegeben, die nicht immer nur in längeren Bremswegen geendet haben.

Im Zuge der auf ihren Höhepunkt zusteuernden M2-Entwicklung wird nämlich das Thema Sportreifen und Anpassung der Regelsysteme sicher wieder eine gebührende Beachtung gefunden haben, schon weil die M GmbH – anders als die für den M235i zuständige BMW AG – in puncto kompromisslos ausgelegter Gummis viel weniger Berührungsängste hat. Der BMW M235i macht Freude, aber richtig freuen wir uns doch auf den M2!

Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
10
maximal 20 Punkte
8.16min

Mit Sportreifen wäre das sicher noch mal eine ganz andere Nummer. Aber auch so sind die dynamischen Talente des BMW M235i bestens erkennbar. Der Hecktriebler verhält sich neutral und offenbart auch in prekären Situationen ein gutmütiges Naturell. Traktion ist unter allen Umständen gegeben. Die Bremswirkung bleibt konstant, nur der Pedaldruck wird mit der Zeit härter. Das ABS steigt auch bei entlastetem Fahrzeug, etwa nach Bodenwellen, nicht aus. Ein signifikanter Leistungszuwachs ist im oberen, schraffierten Drehzahlbereich nicht mehr erkennbar. Und ganz wichtig: Veränderungen am Reifenluftdruck müssen im Bordsystem nachkalibriert werden, sonst verfällt er in den Comfort-Modus!

BMW M235i, Rundenzeit, Nürburgring, Nordschleife
Rossen Gargolov
Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
10
maximal 20 Punkte
1.15,4min

Die früher vielfach beobachtete Launenhaftigkeit von Hecktrieblern durch den Einsatz einer mechanischen Differenzialsperre bleibt beim BMW M235i aus. Um die Hinterachse aus dem Tritt zu bringen, sind starke Lastwechsel vonnöten. Im Normalfall tendiert der Hecktriebler eher zu moderatem Untersteuern, als dass er selbsttätig mit dem Heck ausschwenkt. Die zielgenau arbeitende Lenkung ist ein Segen, die Ideallinie zu finden und zu halten kein Hexenwerk. Die Bremse ist in Wirkung und Dosierbarkeit nicht schlecht, könnte aber über etwas mehr Reserven verfügen. Das Nachlassen ihrer Kräfte kündigt sich durch höhere Pedalkräfte an.

BMW M235i, Hockenheim, KLeiner Kurs, Rundenzeit
Rossen Gargolov
Beschleunigung / Bremsen
6
maximal 10 Punkte
23,6sek

Der Sprint auf Sportwagenniveau ist dank des extrem geschmeidig und zügig arbeitenden Automatikgetriebes allein Sache des großen rechten Zehs. An Traktion herrscht dank der optionalen Sperre kein Mangel. Bremsentechnisch erfüllt der 2er die Klassenstandards – viel mehr aber auch nicht.

Beschleunigung 0-200 km/h:
18,5 s
Bremsen 200-0 km/h:
5,1 s
Windkanal
8
maximal 10 Punkte

Die Spoilerleiste auf dem Kofferraumdeckel zeigt geringe Wirkung, kann aber den herrschenden Auftrieb logischerweise nicht in Abtrieb verwandeln. Die Fahrsicherheit ist auch bei hoher Geschwindigkeit trotzdem nicht eingeschränkt, im Gegenteil: Der BMW M235i liegt auch bei Vmax wie ein Brett.

Querbeschleunigung
7
maximal 10 Punkte
1,25g

Die Michelin-Pilot-Super-Sport-Bereifung ist nicht explizit auf Trockenhandling hin optimiert – obgleich generell gute Gripverhältnisse vorherrschen. Die mit Reifen dieser Gattung maximal mögliche Querbeschleunigung – 1,25 g – erreicht das auf 18-Zöllern stehende Coupé locker. Reifenformat vorn: 225/40 R 18, hinten: 245/35 R 18. Die Gewichtsverteilung ist insgesamt leicht frontlastig.

36-Meter-Slalom
12
maximal 15 Punkte
134km/h

Sowohl im 18- wie auch im 36-Meter-Slalom zeigt sich ein am Limit über die Vorderachse schiebendes Fahrverhalten. Für agileres Einlenken benötigt der Hecktriebler Lastwechsel. Im langsamen Slalom funktioniert das dank der zielgenau agierenden Lenkung noch gut, im schnellen 36-Meter-Slalom ist eine kundige Hand gefragt, um den schmalen Grat zwischen Unter- und Übersteuern präzise zu treffen.

Ausweichtest
10
maximal 15 Punkte
146km/h

In der schnellen Ausweichgasse tendiert der 2er, wie schon zuvor im Slalom, zum leichten Untersteuern. Schneller geht es mit provozierten Lastwechseln. Die Hinterachse verliert dann etwas Grip, die Balance wird neutraler. Drifts lassen sich aufgrund der weichen Übergänge gut kontrollieren. Die Aussagen beziehen sich natürlich auf Testfahrten mit deaktivierten elektronischen Fahrhilfen.

Fazit

63 Punktemaximal 100 Punkte

Was haben wir uns Sorgen gemacht wegen der Tendenz zur Verweichlichung, der Einführung des Vorderradantriebs und des stetigen Massezuwachses. Warum nur? Es gibt sie doch noch (oder wieder), die formal und technisch klar definierten Sportangebote aus der weißblauen Ecke. Man könnte den BMW M235i Performance fast als Wiedergeburt großartiger BMW-Vorbilder aus früheren Jahrzehnten bezeichnen. Die alten BMW-Tugenden: Da sind sie wieder – aufbereitet mit modernster und unterm Strich begeisternder Technik. Ob es dafür die Achtgangautomatik gebraucht hätte? Nicht unbedingt. Aber schaden tut sie auch nicht …

Technische Daten
BMW M235i Coupé
Grundpreis47.150 €
Außenmaße4454 x 1774 x 1408 mm
Kofferraumvolumen390 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung240 kW / 326 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,9 s
Verbrauch7,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten