BMW M5 im Test
Tschüss Sauger, hallo Turbo.

Der neue BMW M5 verspricht gewaltige Kraftreserven und auf Knopfdruck jedes gewünschte Fahrverhalten. Erfüllt die bayerische High-Tech-Limousine alle Erwartungen?

BMW M5, Front, Kühlergrill
Foto: Hans-Dieter Seufert

Erst rasseln und klingeln kalte Ventile, dann schreit ein Fünfliter-Aggregat bei 8.000 Touren den Verkehr zusammen, beißt auf Gasbefehl zu wie eine übel gelaunte Cobra, und dazu knallen Gänge wie mit dem Vorschlaghammer hineingeschmettert. Ein Heidenterz, den der 507-PS-V10 da veranstaltet, bei dem er nebenbei noch Sprit zieht, als koste der Liter Super noch 1,10 Euro, und die Klimaerwärmung wäre nur ein Gerücht.

War sie auch, denn was da so enthemmt auf der automobilen Emotionsklaviatur klimpert, ist ein BMW M5 des Baujahrs 2004. Er entstand auf dem Höhepunkt des Sportstrebens als wohl wildester Nierengrillträger der Neuzeit. BMW war noch in der zehnzylindrigen Formel 1, der Begriff Efficient Dynamics eine Art Paradoxon, und wir Autofans durften uns beim Verbrennungs-Happening noch ganz unökologisch ein Endrohr in den Bauch freuen.

BMW M5 wieder mit acht Zylindern

Er war beileibe nicht perfekt, aber er glühte in Fahrt wie ein Turbo bei Volllast. Genau der setzt jetzt die radikalste Zäsur in der BMW M5-Historie. Sechs, acht, zehn zählten sich die Zylinder bisher über die Sauger-Generationen nach oben. Beim Neuen strampeln nur noch acht, aber dafür mit Lader. Da stöhnen entsetzte Fans auf: Schluss mit Hochdrehzahl, Schluss mit wilder Ansprache, und Schluss mit lustig?

Kommt darauf an, wie man lustig definiert. Analysieren wir erst mal den Nährwert, bevor wir das Steak verspeisen: 560 PS und 680 Nm aus einem 4,4-Liter-V8-Block. Hinterradgetrieben werden damit die 1.924 Kilogramm des BMW M5 nach vorne gedrückt. Das macht 3,4 kg/PS, so viel wie bei einem Aston Martin DBS. Nun ist hohe Leistung bei einem Turbo keine Kunst. Entscheidend ist es, die rasenden Schaufeln zu harmonischer und spontaner Ansprache zu erziehen. Also strömt das Abgas über eine BMW-Spezialität, einen zylinderbankübergreifenden Krümmer, auf zwei identisch kurzen Wegen zu den beiden Twinscroll-Ladern (sitzen im 90-Grad-V). Einlassseitig wird das Gemisch dann durch direkteinspritzende Magnetventilinjektoren mit 200 bar zerstäubt, während Valvetronic die Ventile vollvariabel und damit besonders frei atmen lässt.

In vier Sekunden auf 100 Sachen

Und jetzt verspeis ichs: die Schaltgeschwindigkeit des Siebengang-Doppelkupplunggetriebes auf die höchste Stufe S3 stellen, ESP wegklicken und aufs Gaspedal treten. Dann passiert ein paar Hunderstelsekunden nichts, weil Kupplung und aktives Sperrdifferenzial sich sammeln, bevor der Nackenmuskel versucht, den Kopf vom Aufprall auf die schnieken weißen Sport-Ledersitze zu bewahren. Das scheitert glorreich, und nach vier Sekunden ist der BMW M5 bei 100 km/h – 0,7 Sekunden schneller als der wahrhaft nicht langsame Vorgänger. Nochmal 8,6 Sekunden später überquert der Zeiger die 200er-Markierung, und der Alte hängt schon 2,2 Sekunden hinterher. Mit Drivers-Package (2.450 Euro) rast die Nadel sogar auf 305 statt 250 Sachen.

Nüchterne Naturen wähnen ihn damit in Porsche 911 Turbo-Dimensionen, emotionalere schreien eher sowas wie „jihaaaa“. Schub und Kraft des über 7.000 Touren drehenden BMW M5 scheinen schon ab Leerlaufdrehzahl aus einer unerschöpflichen Quelle zu fließen, und es wird nebensächlich, dass sie immer einen Tick braucht, bis sie richtig sprudelt. Die Akustik distanziert sich jedoch vom Beschleunigungsspektakel. Nicht nur, dass sie teilweise von der HiFi-Anlage künstlich eingespielt wird – es brabbelt und brüllt zwar feurig-ambitioniert, aber sacht gedämmt, so dass sich die gefühlte von der wahren Geschwindigkeit abkoppelt.

Flink wie ein Mini durch den Slalom

Was harmlos klingt, manifestiert ein grundsätzliches Problem vieler aktueller Powerautos. Sie müssen schneller fahren, um subjektiv das gleiche Dynamikgefühl wie früher zu schaffen. Dazu tragen im neuen BMW M5 das exzellente, gestraffte und erleichterte (Alukomponenten für sämtliche Lenker und Träger) Fahrwerk und die 295er-Reifen bei. So meistert der für einen Sportler zu schwere 1,9-Tonner mit rund 66 km/h schnell wie ein Mini den Slalom.

Sachte drängt das Heck des BMW M5 mit eingeschaltetem ESP beim Lastwechsel nach außen. Beim viel schnelleren ISO-Ausweichtest legt er sich mit der Carrera-Gilde an. Obwohl subjektiv ruhiger und neutraler als der zackige, 90 kg leichtere Vorgänger, bleibt messtechnisch der große Querdynamik-Sprung aus – zumindest mit aktivierter Stabilitätsregelung. Sensible Fahrer spüren trotz der sehr präzisen hydraulischen Lenkung mit variabler Übersetzung und der adaptiven Dämpfer eine subtile Untersteuer-Tendenz des leicht frontlastigen (52:48) BMW M5. Entsprechend ist die Traktion speziell bei Nässe auch nur mäßig.

Doch damit lässt sich spielen: Man gibt den 560 V8-Pferden unter Lenkwinkel schlagartig die Sporen. Dann gehts mit dem Parfüm rauchender Pneus ab in Drifters Wonderland. Die zupackenden Lamellen des Sperrdifferenzials tun ein Übriges, um das Heck zu einem breiten Sidestep zu führen. Die direkte Lenkung und der lange Radstand des BMW M5 helfen bei der Giermoment-Beruhigung durch schnelles Gegenlenken.

BMW M5 kann jetzt auch einfühlsam federn

Sie können aber wenig dagegen ausrichten, dass das sonst schnelle und treffsichere DKG-Getriebe von ZF im Rangier- und Stadtbetrieb (Gang eins und zwei) unangenehm rupft – ähnlich wie der sequenziell schaltende Alte. Der war ja ein Pionier des konfigurierbaren Fahrverhaltens, fast 300 Varianten wurden gezählt. Der neue BMW M5 klickt ähnlich: Über drei Knöpfe surft der Pilot durch die Lenkungs-, Antriebs- und Dämpfungscharakteristika. So kauft man eigentlich zwei Autos: Im Sport-Plus-Modus einen Supersportwagen, in Comfort mit arg strengen ESP-Zügeln einen extrem starken 550i. Denn was der M3 vorlegt, kann der BMW M5 jetzt auch: einfühlsam federn. Jedoch stören hölzernes Abrollen und Dröhngeräusche beim Bremsen die Harmonie.

Das heiße bayerische Eisen stoppt zügig und fadingfrei. An der Ampel steht dank Start-Stopp gar der Motor. Eine etwas kindische Zeitgeist-Konsequenz bei einer derartigen Maschine. Aber es bringt wohl die Mindertropfen, die den Minimalverbrauch unter zehn Liter/100 km drücken. Dynamischer bewegt fließen 14,5 Liter und erhöhen damit die Reichweite zum gierigen Alten um 134 auf 551 Kilometer – das zählt bei einem BMW M5. Kein Wunder, wenn er bei 180 km/h im siebten Gang mit 2.900 Touren bummeln kann wie ein großer Diesel.

Wie war das jetzt noch mit lustig? Ja, was Wildheit, Ansprache und Klang betrifft, war das der Alte. Besser und viel schneller ist der Neue.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Gutes Platzangebot
Hohe Qualitätsanmutung
Sehr gutes Infotainmentsystem
Hohe Karosseriesteifigkeit
Gute Übersichtlichkeit
Großer Kofferraum
Bequemer Einstieg
Wenig Ablagen
Umständliche Schaltung
Fahrkomfort
Ausgewogene Federung
Sehr bequeme Sportsitze
Schlechtes Abrollen
Dröhngeräusche beim
Bremsen aus hohem Tempo
Antrieb
Exzellente Fahrleistungen
Sehr gute Elastizität
Für Turbo drehfreudig
Kräftiger V8-Sound
Zum Teil ruppiges Getriebe
Fahrverhalten
Hohe Agilität
Präzise und direkte Aktivlenkung
Stabiler Geradeauslauf
Hohe Fahrsicherheit
Mäßige Traktion bei Nässe
Sicherheit
Standfeste Bremsen
Exzellentes Xenonlicht
Gute Sicherheitsausstattung
Umwelt
Für die Leistungsdaten niedriger Minimalverbrauch
Hoher Verbrauch bei sportlicher Fahrweise
Hoher Ölverbrauch
Hohes Leergewicht
Kosten
Umfangreiche Ausstattung
Hoher Grundpreis
Sehr hohe Unterhaltskosten
Nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Der stärkste und schnellste Serien-BMW aller Zeiten begeistert jetzt beim Cruisen wie Driften und hat sogar das Spritsparen gelernt. Was dem BMW M5 fehlt, ist noch Feinschliff beim Getriebe.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten