BMW X5, Volvo XC90, VW Touareg
Kann der Schwede bei uns landen?

Beim Einzeltest überzeugte der neue Volvo XC90 mit seinen Qualitäten. Doch jetzt muss der große SUV mit seinem 225 PS starken Diesel gegen die etablierte deutsche Konkurrenz von BMW X5 und VW Touareg im Vergleichstest ran.

BMW X5, Volvo XC90, VW Touareg, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Übertriebene Hektik kann man den Volvo-Produktplanern nun wirklich nicht vorwerfen. Die seit 2002 gebaute Urversion des Volvo XC90 schickten sie 2014 dann doch mal in Rente, um kaum ein Jahr später den Nachfolger vorzustellen. Wie sehr sich die automobile Welt seit Anfang des Jahrtausends verändert hat, zeigt ein Blick auf die Motorenpalette des Neuen: Trotz gewachsener Abmessungen und eines Gewichts von über zwei Tonnen muss sich der Volvo XC90 mit vier Zylindern und zwei Litern Hubraum begnügen. Die Fünf-, Sechs- oder gar Achtzylinder-Aggregate des Vorgängers sind Geschichte – selbst in den USA, wo alles unterhalb eines V8 bis vor Kurzem als Briefbeschwerer galt. Grün ist ganz offensichtlich das neue Premium.

Ob das BMW- und VW-Kunden ähnlich sehen? Vor so viel Downsizing-Konsequenz schreckt die Konkurrenz jedenfalls zurück: Für den BMW X5 steht neben viel Großvolumigem immerhin der getestete 25d mit einem 218 PS starken Vierzylinder zur Wahl, während der VW Touareg selbst als Basisdiesel einen auf 204 PS gedrosselten V6-TDI einsetzt.

Dabei passen Luxus und Vierzylinder im Falle des Volvo XC90 gut zusammen. Mit 225 PS und 470 Nm Drehmoment wirkt der D5 alles andere als schwach und legt sich vom Start weg ins Zeug. Ein kleiner Turbo mit variabler Geometrie sorgt dabei im unteren Drehzahlbereich für Leben, während obenrum ein zusätzlich in Reihe geschalteter Lader den zweiten Wind beschert. Entsprechend motiviert wuchtet der Direkteinspritzer den Fullsize-SUV in 8,6 Sekunden auf Tempo 100 und wartet selbst jenseits der Autobahn-Richtgeschwindigkeit mit ausreichend Reserven auf.

Volvo XC90: agil, aber straff

Zum positiven Bild trägt die Achtstufenautomatik bei, die zackig Gang um Gang liefert, um auf der Autobahn das Drehzahlniveau niedrig zu halten. Gut so, denn wenn man ihn ausdreht, nagelt sich der ansonsten wirkungsvoll gedämmte Diesel vorlaut durch die Gehörgänge. Den Komforteindruck schmälert zudem die straffe Abstimmung des optionalen Luftfahrwerks in Kombination mit den auf dem Testwagen montierten 20-Zoll-Rädern. Die sehen zwar beeindruckend aus, lassen allerdings vor allem kurze Unebenheiten und Querfugen wenig gefiltert bis ins Lenkrad durchklopfen – selbst in Dämpferstellung „Komfort“.

Mit ihrer geschwindigkeitsabhängigen Servounterstützung und direkter Übersetzung sorgt die Lenkung jedoch für intensiven Fahrbahnkontakt. Angesichts seiner üppigen Körperfülle durchwedelt der Volvo XC90 Kurven erstaunlich geschickt und präzise, ohne mit zu viel Seitenneigung zu verschrecken. In Stellung „Sport“ lässt sein ESP sogar leichte Heckschwenks zu, um sie spät, aber umso entschiedener zu entschärfen.

Um zwischen Komfort und Sport hin- und herzuschalten, muss übrigens eine Walze in der Mittelkonsole zuerst gedrückt und dann gedreht werden, was im Vergleich zu den übrigen Handgriffen noch eine der leichtesten Übungen darstellt. Volvo 2.0 meint nicht nur den Einheitshubraum, sondern auch das Bedienkonzept. So werden neben Multimedia- auch Klima-, Assistenz- und Fahrzeugfunktionen über ein 9,2 Zoll großes Touchpad gesteuert. Feste Knöpfe, die sich ohne Ablenkung blind ertasten lassen, gibt es kaum noch. Selbst zum Deaktivieren des Start-Stopp-Systems heißt es wischen, suchen, Touchfeld treffen. Die Menüs mit ihren kleinen, teils englisch, teils deutsch beschrifteten Feldern wirken jedoch nicht immer logisch, zudem fehlen zum Serienstart wichtige Online-Funktionen wie Live-Staumelder. Das System ist jedoch updatefähig, weshalb sich XC90-Käufer der ersten Stunde in den nächsten Monaten über neue Funktionen freuen können.

BMW X5 zum Cruiser gereift

Infotainment-Fans kommen im BMW X5 vom Start weg auf ihre Kosten – vorausgesetzt, sie haben das Navigationspaket Connected Drive (3.400 Euro) geordert, das sich Stau- oder Wetterdaten aus dem Internet holt sowie mit Detailwissen glänzt, beispielsweise über den nächstgelegenen Briefkasten und dessen Leerungstermine. Falls Connected Drive dann doch mal passen muss, hilft ein Concierge aus Fleisch und Blut am Telefon, indem er etwa Hotelzimmer reserviert und die Adresse an die Navis schickt.

Früher an der Hotelbar sitzen BMW X5-Fahrer jedoch nicht. Der Basisdiesel mit 218 PS sorgt für Fahrleistungen der Kategorie „Unaufgeregt, aber völlig ausreichend“, die sich kaum von denen des Volvo XC90 unterscheiden. Immerhin ist der Vierzylinder wirkungsvoller gedämmt, weshalb der Sparantrieb selbst bei höherem Tempo wenig von sich hören lässt. Ab August leistet der Zweilitermotor übrigens 231 PS und wuchtet 50 Nm mehr auf die Kurbelwelle als bisher. Der Preisaufschlag hält sich mit 250 Euro in Grenzen.

Nichts ändern wird BMW hingegen an der zweigeteilten Heckklappe. Auf deren unterer Hälfte kann man schweres Ladegut erst einmal abstellen, um es anschließend in den Kofferraum zu schieben – oder man nutzt sie bei Ausflügen ins Grüne als Campingbänkchen. Ebenso praktisch: das große Fach unter dem Gepäckraumboden, der von einem Gasdrucklift nach oben gehievt wird, oder die dreigeteilte Rückbank, die sich mit einem Griff umklappen lässt, ohne dass eine Stufe zurückbleibt.

Bequeme Sitze, viel Platz und Ablagen ohne Ende zeigen ebenso, dass der BMW X5 vom Sportler zum entspannten Reisewagen gereift ist. Sein Komfortfahrwerk mit Adaptivdämpfern verdaut kurze wie lange Stöße souverän. Da seine Lenkung um die Mittellage nicht ganz so spitz ausgelegt ist wie die des Volvo XC90, verkneift sich der BMW hyperaktives Hakenschlagen, um bei Bedarf jedoch ähnlich zackig einzulenken und Kurven neutral und sicher zu durcheilen.

VW Touareg mit tollem Komfort

Und der VW Touareg? Im Vergleich zu seinen jüngeren Konkurrenten vertritt der seit 2010 gebaute VW die alte Schule: Große Analog-Instrumente ohne Riesenbildschirm oder Head-up-Display dürften viele als angenehm entschleunigend empfinden. Immerhin beherrscht sein Navigationssystem seit dem Facelift im letzten Jahr die wichtigen Online-Verkehrsmeldungen, überzeugt mit klaren Menüstrukturen und einer sehr guten Sprachsteuerung. Auch die sonstige Bedienung gibt keine Rätsel auf.

Zudem begeistert das Touareg-Interieur mit einer Solidität, die XC90 und X5 nicht erreichen. Weiche, akkurat entgratete Oberflächen wirken ebenso hochwertig wie die flauschigen Teppiche im Kofferraum oder liebevolle Alu-Rähmchen um präzise klickende Bedienelemente. Obwohl er mit 4,80 Meter der Kürzeste des Trios ist, verwöhnt er Mitfahrer in Reihe zwei mit der üppigsten Beinfreiheit und der bequemsten Rückbank, die sich um 16 Zentimeter verschieben lässt – je nachdem, ob mehr Kofferraum oder Beinfreiheit gefragt ist.

Unabhängig von der Beladung überzeugt der VW Touareg mit dem besten Federungskomfort im Test. So spricht sein optionales Luftfahrwerk auf Querfugen sensibel an, ohne auf langen Wellen aus dem Tritt zu kommen. Da lässt es sich verkraften, dass der Touareg etwas schwerfälliger einlenkt, mit mehr Nachdruck durch Kurven gezwungen werden will und eine höhere Seitenneigung aufbaut. Wenig Sportflair verströmt jedoch der TDI mit 204 PS. Obwohl ihm die zackige Achtgangautomatik nach Kräften mit der passenden Übersetzung hilft, kommt der V6 schwerer in die Puschen als die Vierzylinder. Dafür revanchiert er sich mit souveränem Sechszylinder-Sound. Und einem Mehrverbrauch von 1,6 l/100 km.

Was jedoch nicht der Grund für seinen letzten Platz ist. Auf den zweitplatzierten Volvo XC90 verliert der VW Touareg zwölf Punkte über die Sicherheitsausstattung. So verfügt der Volvo XC90 serienmäßig über Schutzengel, die die Konkurrenz nicht mal gegen Aufpreis anbietet – etwa den Kreuzungsassistenten, der bei Querverkehr automatisch notbremst. Die größten Fortschritte macht die Branche momentan bei der Elektronik, unwahrscheinlich also, dass der Volvo XC90 nochmals zwölf Jahre vom Band läuft. Genauso unwahrscheinlich übrigens wie beim Infotainment-König und Gesamtsieger BMW X5.

Volvo On Call: Die Smartwatch weiß, wo der XC90 steht, und das Handy kennt sogar den genauen Reifendruck

Das Sensus-Navigationssystem für den neuen Volvo XC90 haben wir im letzten Heft bereits vorgestellt. In der Zwischenzeit hat uns Volvo die Vorab- Version der neusten On-Call-App zur Verfügung gestellt, mit der sich viele Fahrzeugfunktionen nicht mehr nur per Handy, sondern demnächst auch per Smartwatch steuern lassen. Um die Fernbedienung nutzen zu können, müssen XC90-Käufer das Datenmodem mit Außenantenne ordern (850 Euro Aufpreis), das im Falle eines Unfalls auch Hilfe ruft und sich als WLAN-Hotspot nützlich macht. Da es eine eigene SIM-Karte besitzt, kann es von externen Geräten kontaktiert werden. Die eigentliche On-Call-App (für Apple, Android und Windows Phone erhältlich) ist kostenlos und wird nach dem Download mit dem Fahrzeug gekoppelt. Was in unserem Falle mit dem iPhone 6 auf Anhieb klappte.

Nach der Installation taucht die App auf den Startbildschirmen von Handy und Apple Watch auf. Obwohl noch nicht alle Funktionen freigeschaltet waren, konnten wir unseren Test-XC90 auf- und zuschließen oder lokalisieren. Wer nicht mehr weiß, wo er geparkt hat, lässt sich von der klugen Uhr zum Auto navigieren oder löst Hupe und Blinker aus, um seinen Wagen auf größeren Parkplätzen aus der Masse herausstechen zu lassen. Der Funktionsumfang auf dem Handy ist nochmals größer, hier lassen sich Füllstände oder Service-Hinweise betrachten. Eine ähnliche App (BMW Remote) ist auch für den BMW X5 zu haben, während VW bislang nur die beiden Elektroautos e-Up und e-Golf mit dem Handy verbindet.

Fazit

1. BMW X5 xDrive 25d
430 von 1000 Punkte

Vom quirligen Slalom-Spezialisten seiner Anfangsjahre hat sich der X5 zum entspannten Langstreckenläufer entwickelt, der mit vielen Infotainment-Optionen begeistert. Der sparsame und wirkungsvoll gedämmte Zweiliter-Diesel reicht im Alltag völlig aus.

2. Volvo XC90 D5
427 von 1000 Punkte

Den positiven Eindruck aus dem Einzeltest bestätigt der geräumige und genügsame XC90 auch im Konkurrenzvergleich. Er fährt ausgesprochen sicher und agil, beim Federungskomfort und der Bedienung gibt es jedoch noch Luft nach oben.

3. VW Touareg V6 TDI
424 von 1000 Punkte

Wer sich am betagten Infotainment-System nicht stört, bekommt mit dem Touareg einen komfortablen Allrounder, der mit Solidität und Variabilität beeindruckt. Seinen Verbrauchsnachteil gegenüber den Vierzylindern rechtfertigt der V6 mit tollem Klang.

Technische Daten
BMW X5 xDrive25d VW Touareg V6 TDI BlueMotion TechnologyVolvo XC90 D5 AWD Momentum
Grundpreis54.700 €54.400 €58.430 €
Außenmaße4886 x 1938 x 1762 mm4801 x 1940 x 1709 mm4950 x 2008 x 1776 mm
Kofferraumvolumen650 bis 1870 l697 bis 1642 l721 bis 1886 l
Hubraum / Motor1995 cm³ / 4-Zylinder2967 cm³ / 6-Zylinder1969 cm³ / 4-Zylinder
Leistung160 kW / 218 PS bei 4400 U/min150 kW / 204 PS bei 3200 U/min165 kW / 225 PS bei 4250 U/min
Höchstgeschwindigkeit220 km/h206 km/h220 km/h
0-100 km/h8,7 s9,5 s8,6 s
Verbrauch5,8 l/100 km6,7 l/100 km5,8 l/100 km
Testverbrauch8,5 l/100 km10,1 l/100 km8,5 l/100 km