Fahrbericht BMW 114i, 316i Compact und 2002
Drei 100-PS-BMW im Generationen-Vergleich

Beim Test des neuen Einstiegs-BMW 114i konfrontierte er uns mit der Frage, wann ein BMW ein echter BMW ist. Um zu klären, ob dazu heute 100 PS genügen, trifft der 1er nun in unserem Fahrbericht auf den BMW 316i Compact und BMW 2002.

BMW 114i, BMW 316i, BMW 2002, Heckansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sollte das Glück wirklich auf der Straße liegen, findet man es in einem BMW sicher in einer Kurve. Denn hier geht es um die Kurve – im direkten wie im übertragenen Sinn. Alles zwischen zwei Biegungen dreiteilt sich in einem BMW traditionell in nachgenießen, warten und vorbereiten. Wenn man sich fragt, wie viel Motor dafür in einem BMW 1er nötig ist, landet man schnell beim M135i, weil: Reihensechszylinder. Und: ein Twinscroll-Turbolader, dem 320 PS und 450 Nm nicht schaden. Aber wir drehen das mal herum und fragen, wie wenig Leistung genügt.

Auftritt BMW 114i, der daran erinnert, dass es in den 40 Jahren der aktuellen BMW-Modellnomenklatur eine 15 gab – im 315 der Baureihe E21 –, aber noch keine 14. Und er erinnert uns mit 102 PS an zwei Ahnen, den 2002 von 1968 und den 1994er 316i Compact, die mit ähnlicher Leistung besonders gelungene BMW waren.

BMW 2002 mit echten Sportambitionen

Baureihe Nullzwo – der Ursprung all dessen, was wir bis heute unter einem kompakten BMW verstehen. Sie kommt schon 1966. Zwei Jahre später stecken die Entwickler den Vierzylinder des BMW 2000 unter die Haube des Zweitürers – technisch keine große Sache, weil alle Triebwerke der Vierzylinder-Serie M10 dieselben Abmessungen haben –, aber eine Revolution in der Zweiliter-Klasse. Die steht damals für große, schwere, repräsentative, träge Limousinen. Jetzt wirbelt da ein 4,23 Meter kurzes Stufenheck mit eher 2+2 als vier Sitzplätzen und echten Sportambitionen herum. Dabei übernimmt der Zweiliter mit einem Solex-Fallstrom-Vergaser innerhalb des 02-Clans die Rolle des komfortablen Drehmomentmotors, der seine Kraft aus dem Hubraum schöpft. 157 Nm bei 3.000 Touren ziehen den knapp eine Tonne leichten Zweitürer trotz der lang übersetzten Hinterachse immer stämmig voran. Er erreicht innerhalb dieses Trios sogar die beste Beschleunigung von null auf Tempo 100. Was uns heute noch flott erscheint, gilt vor 40 Jahren geradezu als sportwagenhaft-rasant.

100 PS sind damals noch ein guter Grund, sich die gelochten, schweinsledernen Fahrerhandschuhe überzustreifen. Dann das Fenster runterkurbeln und über die noch unlimitierte Landstraße toben, dass der Fahrtwind durch die Koteletten kräuselt und in die hochgekrempelten Ärmel des Polyesterhemds flattert. Die Schweißflecken unter den Achseln erklären dabei auch das übermotiviert übersteuernde Fahrverhalten des BMW, bei dem, wie der auto motor und sport-Autor Klaus Westrup einst anmerkte, „eine gewisse fahrerische Begabung erwünscht sein kann“. Wenn die schwergängige Lenkung mit ihrem großen Spiel erst nicht, dann giftig anspricht, wirft sich der BMW 2002 mit Schlagseite in Kurven, reagiert da sehr ungehalten auf Lastwechselmätzchen. Auch heute ist er noch ein schnelles Auto oder zumindest eines, das sich meist schnell anfühlt – und immer ein wenig verwegen.

Reduktion konzentriert das Wesentliche im BMW 316i Compact

Der Nullzwei soll ein typischer BMW werden und wird dann sogar ein prototypischer. Noch 1994 beruft sich der 3er Compact auf ihn. Als BMW 316i gibt es ihn für 33.000 Mark, 3.500 De-Emm unter dem Preis der viertürigen Limousine. Dazu haben sie ihm das Heck um 22 Zentimeter gekürzt, den Radstand aber bei 2,70 Meter belassen. Das sorgt für etwas abgehackte Proportionen und eine Gewichtsverteilung, die wie schon beim BMW 2002 mit 53:47 Prozent leicht in Richtung Front balanciert. Um die Kosten zu senken, lässt der damalige BMW-Entwicklungsvorstand Wolfgang Reitzle die Schräglenker-Hinterachse des Vorgängermodells E30 unter den Compact schrauben und das Cockpit schlichter einrichten – zum Beispiel mit einem Zugschalter fürs Licht, wie ihn schon der 2002 hatte.

Die Reduktion konzentriert das Wesentliche im BMW Compact. Noch agiler als die Limousine wirft er sich etwas heckfrotzelnd in Kurven, die serienmäßige Servolenkung hält ihn exakt, präzise und rückmeldungsstark auf Linie. Dabei bleibt er neutral, schnell, agil und bei trockener Straße ohne Zicken. Leistungsübersteuern ist nicht das Problem des BMW 316i mit 102 PS. Doch das sachte Temperament des 1,6-Liters dreht ab 3.500/min erst richtig auf, feiert das Saugprinzip, tourt und tourt, bis er über 6.500/min in den Begrenzer stottert. Exakt, mit der typischen Knochigkeit früherer BMW-Getriebe rastet der nächste der bestens gestuften fünf Gänge ein. Keiner Elektronik gelingt die Präzision dieser Mechanik und Hydraulik.

Compact fährt sich auch heute noch modern

Er fährt sich auch heute noch modern, aber eben flinker, leichter, ja – noch ohne Traktionskontrolle, Sidebags oder gar ESP – auch leichtfertiger als seine Nachfolger. Vielleicht stellt so ein BMW 316i Compact, den es heute für rund 2.500 Euro gebraucht in ordentlichem Zustand gibt, sogar das Destillat dessen dar, worum es bei einem kompakten BMW geht. Nicht um Maximalleistung und -aufbrezelung wie bei GTI und GSI. Selbst ein 316i Compact definiert sich immer zuerst als BMW. So vereint er Widersprüche: solide Leichtigkeit, seriöses Rebellentum, temperamentvolle Bescheidenheit. Er verwandelt weniger Leistung in mehr Fahrfreude.

Drehen kann er, der BMW 114i

Die reine Freude am Fahren, darum geht es auch beim BMW 114i. Darum, im richtigen Moment den passenden Gang eingelegt zu haben. Berge zu erklimmen, nicht sie mit Turboschub zu erniedrigen. Stimmt, dem 1,6-Liter genügen Direkteinspritzung, variable Ventilsteuerzeiten und phasenverstellbare Nockenwellen nicht allein, auch ihm pustet ein Lader Kraft ein. Aber nur 180 Nm – so viel hat ein VW Polo Blue Motion. Ab 1.100/min drängen sie die moppeligen 1.435 Kilogramm des 114i voran. Doch wenn dem frühen Drehmoment der Wumms ausgeht, muss der 1.600er drehen. Und drehen kann er. Andere mögen das schöner hinkriegen, wenige motivierter. Dass ihn selbst ein Smart Fortwo 1.0 mit seinem 84-PS-Turbodreizylinder beim Nullhundert-Sprint bügelt? Zeigt nur, dass inzwischen wirklich jeder schnell geradeausfahren kann.

Aber unten im Tal flitzen jetzt die Reflexionen der Bäume über die Motorhaube, dann geht es rechts ab. Bergauf. In den kurzen Stücken zwischen den Kehren tourt der Motor hoch, bis er bei 6.800/min in den Begrenzer rattert. Schnell die Kupplung treten, synchron den nächsten Gang einlegen, einkuppeln, so fix, dass der Kraftfluss nicht stockt. Und wieder hoch bis sechsacht. Kurve anpeilen, bremsen, runterschalten, einlenken, früh aufs Gas, das sachte Heckdrängen spüren. Gas, Gas, Gas und wieder raus auf die kurze Gerade. Er muss sich mehr ins Zeug legen, der schwächste BMW 1er, und sein Fahrer auch. Aber gerade deshalb wirkt er noch ein wenig motivierter und animierender als seine stärkeren Brüder. Wie die bietet er bekanntlich geringe Raumreserven und beschränkte Komforttalente. Wobei Sie all das vor knapp 20 oder gut 40 Jahren auch über BMW 316i Compact und 2002 lesen konnten. Die kompakten BMW sind sich treu geblieben über all die Jahrzehnte.

Stärkerer Motor verkürzte nur die Zeit zwischen Kurven

Und so ist heute der BMW 114i gerade wegen seiner bescheidenen 102 PS wie früher 2002 und 316i Compact ein perfekter kompakter BMW. Ein stärkerer Motor verkürzte nur die Zeit zwischen Kurven. Aber damit auch die Vorfreude. Wer also glaubt, mehr Leistung mache wunschlos glücklich, irrt. Sie macht nur wunschlos.

Technische Daten
BMW 114i BMW 316i Compact BMW 2002
Grundpreis22.700 €17.742 €
Außenmaße4324 x 1765 x 1440 mm4210 x 1698 x 1393 mm4230 x 1590 x 1410 mm
Kofferraumvolumen360 bis 1200 l300 bis 1030 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder1596 cm³ / 4-Zylinder1990 cm³ / 4-Zylinder
Leistung75 kW / 102 PS bei 4000 U/min75 kW / 102 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit195 km/h188 km/h180 km/h
Verbrauch5,5 l/100 km7,7 l/100 km